Interview: DRAGONY - Siegfried Samer

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Humor muss man sich erarbeiten, wir Österreicher haben ihn naturgegeben.

Zum Release des neuen Albums "Viribus Unitis" haben wir uns mit Sänger Siegfried unterhalten.

Veröffentlicht am 05.02.2021

Hallo Sigi, vielen Dank dass du dir wieder einmal Zeit für uns nimmst!

Ich muss mich bedanken für das tolle Review zu unserem Album - unsere beste Bewertung bisher bei euch!

Verdient! Aber das wichtigste gleich vorweg – wie kommt man auf die Idee, aus Kaiser Franz Joseph einen Cyberpunk zu machen? Welche Drogen waren da im Spiel?

Kaltes, klares Donauwasser! Nein, ich glaube die Idee entstand bereits am 70.000 Tons Of Metal 2019. Wir waren am Vorabend der Cruise noch in Miami unterwegs, haben dort Gerüchten zufolge das ein oder andere Kaltgetränk konsumiert und haben über mögliche Konzepte für neue Alben fabuliert. Ich glaube es war Herbert, der dann die Idee, doch einfach Steampunk zur Kaiserzeit zu machen, dann hätten wir statt Kaiser Franz Joseph einen Cyberpunk Joseph... das war einfach so deppat, das mussten wir nehmen!

Und so ist das ganze Konzept dann darum entstanden und es hat sich alles quasi auf natürliche Weise ergeben. Wie die Zombie-Sisi, ein wenig schwarze Magie dabei... Eigentlich wollten wir sogar noch Aleister Crowley mit einbauen, bezugnehmend auf den Songtitel „Golden Dawn“, der von seiner okkulten Gesellschaft „The Hermetic Order Of The Golden Dawn“ aus dem 19. Jhdt. abgeleitet ist. Wir haben uns aber letztendlich für Houdini entschieden, der die weiße Magie repräsentierten sollte, nachdem Rudolph schon die dunkle Seite repräsentiert. So haben wir eben die ganzen fantastischen Elemente zusammengefügt, viele Charaktere hineingeworfen und einmal kräftig umgerührt – und dann hatten wir das Album. Also das Konzept des Albums.

Ihr habt sozusagen die österreichische Geschichte neu geschrieben.

Neu geschrieben und erweitert und verfremdet – alles zusammen!

Was sagt da eigentlich unser singender Geschichtsprofessor von SERENITY dazu, den ihr ja auch für den Song A.E.I.O.U. verpflichtet habt?

Als ich ihn das erste Mal gefragt habe, ob er Guest Vocals in diesem Konzept machen möchte, ist er zuerst einmal in schallendes Gelächter ausgebrochen. Aber er hat sich dann sehr schnell bereit erklärt mitzumachen, zumal eine Zusammenarbeit ohnehin schon überfällig war. Und ich glaube er hat sich auch gefreut, dass er ausgerechnet in diesem Song den Kaiser mimen darf, wo er dann „Austriae est imperare orbi universo“ singen darf. (lacht)

Passend zu eurem sehr österreichischen Album, seid ihr jetzt mit Napalm Records auch bei einem österreichischen Label. Zuerst wart ihr ja bei einem deutschen Label, habt ihr gezielt auf einen Deal mit Napalm Records hingearbeitet, oder hat es sich ergeben?

Ich denke es war schon eher ein Hinarbeiten, zumal wir ja durch VISIONS OF ATLANTIS, bei denen ich fünf Jahre gesungen habe und bei denen auch unser Bassist Herbert aktuell dort spielt, den Kontakt zu Tom (Caser, CEO von NR) hatten. So hat er auch von unserem vorherigen Album „Masters Of The Multiverse“ einige Songs gehört und dort bereits vorsichtiges Interesse an uns bekundet. Zu dem Zeitpunkt waren wir aber noch mit Limb Music verbandelt. Als der Vertrag dort ausgelaufen ist und es Zeit für eine Neuorientierung war, hatten wir durchaus einige Offerte von Labels auf dem Tisch – aber es war natürlich schwer, sich mit Napalm Records zu matchen, so war der Weg eigentlich schon bereitet.

Man merkt natürlich schon den Größenunterschied zwischen Limb Music und Napalm Records, vor allem auch in der Promotion, insofern sind wir sehr glücklich nun endlich „daheim“ gelandet zu sein. Das österreichischste Metal-Album muss man natürlich auf einem österreichischen Label veröffentlichen!

Österreichischer geht es wirklich nicht mehr! Neben Georg habt ihr auf „Viribus Unitis“ auch noch weitere Gäste, unter anderem mit Tommy Johansson auch erstmals einen Gast-Songwriter, der für eure erste Single „Gods Of War“ verantwortlich ist. Wie kam es dazu?

Tommy kenne ich auch noch von meiner Zeit mit VISIONS OF ATLANTIS, wo wir uns am Masters Of Rock das erste Mal trafen und uns von einem gemeinsamen Bekannten vorgestellt wurden. Wir haben uns auf Anhieb verstanden – und Tommy hat ja auch schon auf dem Vorgängeralbum „Masters Of The Multiverse“ ein Gitarrensolo beigesteuert. Im Zuge des neuen Albums habe ich mich noch einmal bei ihm gemeldet, da mir auch sein Projekt SYMPHONY OF TRAGEDY, das er gemeinsam mit Thomas Svedin hatte, sehr gut gefiel, welches ja aber leider nicht mehr aktiv ist. Wobei sie auch nie wirklich ein Album veröffentlichten, nur einige wenige Songs, aber das Songwriting der Beiden hat mir sehr gut gefallen, weshalb ich mich an sie gewandt habe. Sie hatten den Song, der dann letztendlich zu „Gods Of War“ wurde in Arbeit und haben ihn uns dankenswerter überlassen, sodass wir ihn finalisieren konnten – und letztendlich hat er uns so gut gefallen, dass er der Opener des Albums und auch die erste Single wurde. Ein – wie ich meine – sehr schöner Beitrag.

Übrigens gibt es noch einen zweiten Gast-Beitrag auf dem Album, „Love You To Death“ stammt von Michele von TEMPERANCE, der gemeinsam mit seiner Kollegin Alessia auch die kompletten Backing Vocals des Albums eingesungen hat.

Apropos Opener – als Intro des Albums habt ihr euch ja gekonnt den Donauwalzer von Johann Strauß gekrallt.

(lacht) Wobei ich sogar überlegt habe, ob wir nicht sogar die alte Kaiserhymne nehmen sollten – wenn wir schon „Viribus Unitis“ als Albumtitel haben. Allerdings war dann das Problem, dass diese Kaiserhymne, wie du ja vielleicht weißt, aktuell noch in Verwendung ist. Den meisten Leuten ist sie eher als Deutsche Bundeshymne bekannt, deshalb wäre es vielleicht etwas seltsam gewesen, wenn eine österreichische Band ihr Album mit etwas beginnt, das für viele Leute die deutsche Bundeshymne ist – was vielleicht außerdem noch eine historisch missverständliche Assoziation hervorrufen könnte. Also dachten wir, lassen wir das lieber mal und nehmen stattdessen das österreichischste Musikstück das man sich vorstellen kann, oder das zumindest am häufigsten mit Österreich assoziiert wird – den Donauwalzer. Eventuell vielleicht noch etwas von Mozart, aber generell ist das meiner Meinung nach das österreichischste Musikstück dass es gibt.

Es hat dann aber perfekt gepasst, denn die Uraufführung des Donauwalzers war 1867, also dasselbe Jahr wie der Österreich-Ungarische Ausgleich, um den sich „Gods Of War“ thematisch dreht. Insofern konnte also kaum besser passen!

Außerdem habt ihr auch wieder eine Coverversion an Bord – ganz österreichisch habt ihr euch hier RAINHARD FENDRICHs angenommen.

Ja natürlich, auch da sind wir in der Heimat geblieben. Wenn man schon das österreichischste Metal-Album überhaupt macht, beziehungsweise das österreichischste Powermetal-Album, dann muss man natürlich auch einen echten AustroPop-Giganten dabei haben. Und in meinem Fall waren die großen Ikonen mit denen ich aufgewachsen bin eben FALCO und RAINHARD FENDRICH. Gerade FALCO ist ja durch seine Rhythmik und den schwierigen Gesang schon eher schwer mit Metal zu verbandeln – wobei das einige Bands bereits sehr, sehr gut gemacht haben! - und die Songs die für uns in Frage kamen, wie „Ganz Wien“ beispielsweise, sind als Metal-Version nur bedingt tauglich. So ist es letztendlich RAINHARD FENDRICH geworden und „Haben sie Wien schon bei Nacht geseh'n“ passt ja auch wie die Faust aufs Auge des Albums, als Bonustrack – und ist unerwartet auch noch.

Aber Hand auf's Herz: ohne Fanfaren geht es bei euch auch nicht, oder?

Ja, anders geht es bei uns nicht, das müssen wir uns schon behalten! Auch wenn wir glaube ich dieses Mal schon ein etwas ausgewogeneres Songwriting haben, einen Brückenschlag zwischen den eher geradlinigen Powermetal-Songs unseres ersten Albums und den eher symphonischen Sachen von „Shadowplay“ und „Masters Of The Multiverse“ und auch wieder mehr Augenmerk auf die Gitarren gelegt haben und die Songs auch wieder unterschiedlicher sind. Bei manchen Songs wie „Gods Of War“ oder „Darkness Within“ haben wir beispielsweise gar kein Orchester, auch bei „Legends Never Die“ nicht...

Dafür hat es da das Bontempi-Keyboard.

Ja, das „Bontempi-Gedächtnis-Keyboard“ wie du es so treffend genannt hast, korrekt! Da finde ich es ganz besonders toll, wie sich die ganzen ultra-truen Hartmetaller in ihrem Geifer ergehen – es gibt glaube ich keine einfacher zu triggernde Bevölkerungsgruppe! Alleine was für ein Aufruhr unter dem kurzen Video-Ausschnitt, den Napalm Records gepostet hat, entstanden ist – großartig!
Und wenn die Leute dann noch fragen, ob wir das ernst meinen. Mein Gott, die Band heißt DRAGONY, was glaubt ihr, wie ernst das hier ALLES ist?!

Das ist ein gutes Stichwort. Wieviel Ernsthaftigkeit verträgt zuckriger Melodic Power Metal eigentlich?

(trocken und SEHR ernsthaft) Nicht viel. Gerade Bands die mit dieser Musik sehr erfolgreich sind, haben auch sehr wenig davon drinnen, wenn wir ehrlich sind – zumindest heutzutage. Egal ob das nun SABATON sind, POWERWOLF oder GLORYHAMMER... wobei SABATON zumindest in ihrer Musik ernsthaftere Themen verarbeiten, aber live sind sie doch eher eine Spaß-Band, genau wie POWERWOLF und GLORYHAMMER sind sowieso eher eine Parodie-Band. Es sind also schon die Bands die es nicht so bierernst machen, die erfolgreich sind. Letztendlich haben sich ja sogar die Gottväter des Powermetal, HELLOWEEN, nicht so wirklich ernst genommen, wenn man sich die alten „Keeper Of The Seven Keys“-Alben anhört, Sachen wie „Dr. Stein“ oder so. Das war ja auch schon mit einem gewissen Humor behaftet, der aber zwischenzeitlich irgendwie abhanden gekommen ist, als sich einige Bands vielleicht doch zu ernst genommen haben, so in den 90ern herum.

Wobei es ja nicht immer der Vorschlag-GLORYHAMMER sein muss (Anm. d. Verf.: für dieses Wortspiel verdient der Herr Drachentöter einen Orden!), der Humor darf gerne ein wenig subtiler sein, gerade für uns Österreicher, die wir ja eher die feine Klinge des Humors führen, anders als in unserem Nachbarland, der Sahelzone des Humors, wie Alfred Dorfer so schön sagte. Humor muss man sich eben erarbeiten, wir Österreicher haben ihn naturgegeben. (lacht spitzbübisch)

Trotz - oder gerade wegen – des Augenzwinkerns, habt ihr für eure beiden Videos, die ihr in derselben Location gedreht habt, ein sehr edles Setting gewählt. Wo habt ihr euch eingemietet?

Wahnsinns Special-Effectes waren natürlich im Budget nicht drin (lacht), aber das Setting generell ist denke ich sehr passend für unser Thema. Gerade die Details, wie die Fresken an der Wand im Rittersaal von Schloss Röthelstein in Admont, wo wir gedreht haben – und die wir übrigens auch abfotografiert haben und als Background-Bilder für unser Booklet und die LP-Aufmachung verwendet haben – sind sehr stimmig.

Du hast zuvor schon die größere Ausgewogenheit der Songs angesprochen – hat das auch mit eurer Zusammenarbeit mit Seeb (ORDEN OGAN) zu tun?

Ja, durchaus, wir wollten da auch einfach etwas Neues probieren. Auf unserem letzten Album wurde eigentlich alles von, bzw. bei unserem Producer gemacht, vom Songwriting weg, über die Pre-Production, Aufnahmen, Mix, lediglich für das Mastering waren wir extern. Das war schon gut, doch da er eher diesen Oldschool-Approach hatte, war es sogar für uns fast ein wenig zu sehr weichgespült, mit diesem Fokus auf das Orchester und die kaum präsenten Gitarren. Gerade in diesem Bereich wollten wir wieder ein wenig anziehen, dass der Gesamtsound ein wenig schärfer wird und ich glaube das ist mit Seeb gut aufgegangen.

Wie seid ihr mit der Produktion durch die sich überschlagenden Ereignisse im Frühjahr gekommen? Wurdet ihr da auch ausgebremst?

Ja, ein bißchen. Zeitlich war es nicht so extrem, lediglich die organisatorische Seite hat ein wenig gelitten, dass wir zum Beispiel gewisse Crowdfunding-Perks nicht realisieren konnten, speziell mit den Leuten die beim Einsingen der Chöre dabei gewesen wären. Das konnten wir eben alles nicht durchführen, weil es zu diesem Zeitpunkt auch einfach zu kritisch gewesen wäre. Um keine zu große Zeitverzögerung dadurch zu bekommen, haben wir eine Ersatzlösung gefunden – beim nächsten Mal wird es dann schon wieder funktionieren, hoffentlich.

Unseren Release hatten wir ursprünglich für Herbst 2020 geplant, was sich aber schon durch den Deal mit Napalm Records etwas verschoben hat, da diese gerade mit einer Newcomer-Band nicht unbedingt im Herbst rausgehen wollten. So haben wir den Release auf Anfang 2021 geschoben, was für uns letztendlich auch gut gepasst hat, da wir dadurch noch etwas mehr Zeit für Mix und Mastering hatten. So gesehen hat uns Covid eigentlich kaum Zeit gekostet und uns auch keine wahnsinnigen Probleme in der Produktion bereitet.

Eure Releaseparty musstet ihr aber dennoch verschieben.

Ja, leider. Der nächste Versuch wird im Juni stattfinden – wir werden sehen was passiert! Es wäre aber an der Zeit, dass wir wieder einmal live spielen, immerhin hatten wir schon seit einem Jahr keine Gelegenheit mehr dazu.

Trainierst du deine epischen Gesten, die du live immer vollführst, eigentlich vor dem Spiegel, oder kommt das alles ganz natürlich?

Das kommt einfach – direkt aus den Eingeweiden! Und jahrelanges hartes Training! Und ausgewogene Ernährung! Und noch etwas: nehmt ja keine Drogen, die machen euch hin!

Ihr seid mit DRAGONY schon mit einigen auch sehr großen Bands gemeinsam auf der Bühne gestanden, dadurch dass ihr, bzw. du, auch selbst Konzerte veranstaltet. Mit welcher Band würdest du gerne noch spielen?

Mit HAMMERFALL! Diese Band hat für mich eigentlich die Schienen zum Metal gelegt, mich nachhaltig beeinflusst und es war auch das erste Metal-Konzert auf dem ich war. Ich war zwar schon das ein oder andere Mal als Co-Veranstalter bei HAMMERFALL-Konzerten mit dabei, aber mit ihnen gespielt habe ich noch nicht. Das wäre also auf meiner Liste noch ganz oben. AVANTASIA wären auch noch ganz weit oben, aber dadurch, dass diese selbst schon fast drei Stunden spielen, haben sie auch Vorbands kaum nötig.

Dann sage ich vielen Dank für das Gespräch Sigi und noch viel Erfolg mit „Viribus Unitis“ - auf dass wir uns hoffentlich bald wieder auf einem Konzert treffen können!

Das hoffe ich auch – vielen Dank!


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