Interview: TEZURA - die gesamte Band

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Ich vermisse es einfach live zu spielen.

TEZURA - Münchner Metalcore

Veröffentlicht am 24.12.2021

Ein lauschiger Abend in einem Münchner Wirtshaus umgeben von  charmanten Herren – was kanns Schöneres geben in dieser interaktionsarmen Zeit?

Bandvorstellung:
Timo – Sänger, glücklicher Finder einer neuen Wohnung
Jakob – seit 18 Jahren Gitarrist, sucht noch Wohnung, kein Veganer
Max – Bass, aber eigtl. lieber Gitarre, komponiert 
Lukas – Drums, Studiosus auf Lehramt Musik

Untermalt von Gekrümmel und Gemampfe kam ein sehr fröhliches und unterhaltsames Gespräch zustande. 

Was heißt TEZURA?
Max: Es ist ein Kunstbegriff, den wir erfunden haben, weil wir einen catchy Namen haben wollten, der weder ideologisch oder bereits vergeben ist. Oder in irgendeiner Hinsicht aufgeladen ist.
Lukas: Es wird immer schwieriger einen Namen zu finden, der nicht bereits weg ist. Metal-bandnamen werden immer länger, da alles andere schon mal da war. Wir wollten auch keinen Bandnamen haben, den es schon drei Mal auf Spotify gibt. Im Nachhinein fiel uns auf, es gibt wohl eine andere Band, die ähnlich geschrieben wird.
Max: Die Namenssuche ist der dümmste Prozess ever (Timo, Jakob und Lukas stimmen dem voll zu). Du legst dich auf irgendwas fest, wo du im blödesten Falle die nächsten 60 Jahre mit leben musst und bist damit gebrandmarkt, dass du dir mit 21 so 'nen dummen Namen ausgedacht hast. Lukas: Vielleicht machst du halt auch irgendwann ganz andere Musik. Beispiel BRING ME THE HORIZON, die mit Deathcore angefangen haben und mittlerweile eher im Alternative Metal spielen. Es ist halt schwierig, METALLICA zum Beispiel sind ihren Ursprüngen treu geblieben. BRING ME THE HORIZON haben auch mit ihrer Abkürzung BMTH einen klingenden Bandnamen, unter welchem du Deathcore machen kannst oder auch 'ne Techno-Single veröffentlichen. Das Ding bei unserer Namensfindung war, wir wollten nicht von Anfang an gebrandmarkt sein oder ein politisches Thema aufreißen. Wir wollten keine Angriffsfläche bieten, was nicht politisch spaltet, was nicht (ich werfe ein „Gendersternchen“-Aggressivitäten) auslöst. Egal wie man zu irgendetwas steht, es soll nicht spalten. Lieber etwas Neutrales. Wir hatten auch keine Lust auf die typischen Heavy-Metal-Klischees, wir müssen uns jetzt irgendwie „Rotting“, „Foulness“, „Death“ nennen. Wir dachten uns, wenn die Musik bereits durch den Bandnamen vordefiniert ist, weils cool ist, macht das keinen Sinn.
Ich: Finde ich sehr pragmatisch, da es euch Spielraum in sämtliche Richtungen bietet.
Timo: Wir wollen unseren Namen durch die Musik definieren und nicht andersrum.
Max: Letztendlich labelt dich eh jeder wie er mag. Bezugnehmend auf das Intro der Single „Stray Alone“ hat jemand Folk-Einflüsse herausgehört. Das Intro hab' ich irgendwann am Abend auf der Klampfe gedudelt. Und da war kein Folk im Hinterkopf.

Kleiner Abstecher zu brandmarkenden Bandnamen:
Dying Fetus beispielsweise,
Jakob: Eskimo Callboy? (die btw derzeit ein neues Video „Pump I“ laufen haben.)  Oder: Xavleg (den vollständigen Namen erspare ich uns aus Platzgründen – südafrikanischer Deathcore)

Plattenfirmen:
Timo: Irgendwann ist der Background mit einer Plattenfirma wahrscheinlich schon effektiver, aber die Essenz machst eh du als Band. Bestes Beispiel ist BILLIE EILISH dafür, dass man die Arbeit am Anfang der Karriere alleine macht. (ich: Oder SABATON) Stimmt, oder SABATON. (hier outet sich Jakob als nicht-SABATON-Fan – Schande).

Fehlen euch Konzerte?
Timo: Ja, überhaupt Live-spielen. Ich kanns einfach nicht genug betonen: Ich vermisse es einfach live zu spielen.
Lukas: Da ich in der klassischen Musikszene unterwegs bin (studiert Musik), bemerke ich es auch direkt am Geldbeutel. Natürlich ist es nicht geil. Andererseits habe ich das Glück, dass Theater oder in der Philharmonie für ein Viertel der Besucher geöffnet werden. Und Konzerte ging ja jetzt 'ne Weile nicht. Und auch während der kurzen Zeit, wo dies möglich war, habe ich es nicht auf ein Konzert oder in einen Club geschafft. Es ist einfach schade. Vorher hat man es als selbstverständlich genommen.
Ich: Vor allem die Jobs, die da noch alle mit dranhängen. Das sind ja nicht nur die Musiker, sondern auch die Booker, die Roadies, die Techniker, Securities und auch die Putzkräfte.
Max: Es ist ja nicht lukrativ derzeit, man macht es, weil man Spaß an der Musik hat. Vielleicht mit der Absicht/dem Ziel, dass es irgendwann mal lukrativ wird. Dass man es noch professioneller betreiben kann.
Lukas: Die Musikszene ist nicht nur Spaß, sondern es gibt halt viele Leute die da dranhängen, damit 800 Leute in einem Konzertsaal Spaß haben können, müssen sich genauso viele Menschen den Allerwertesten abrackern, dass das Konzert überhaupt stattfinden kann. Den Leuten fehlt der Spaß auf der Bühne, es geht so viel Arbeit und Geld verloren, und auch so viele Existenzen gehen verloren. Das ist sehr schade.

Wo seht ihr euch als Band?
Timo: Wir sehen uns am Anfang.

Wo möchtet ihr hin?
Timo: Wenn es darauf hinausläuft: Ich habe Bock, die großen Bühnen zu erobern. Wenn man sagen kann, dass man mit der Arbeit seine Steuern bezahlen kann, is das auch okay. Ich mag es auf der Bühne zu stehen, ich mag es Leute zu unterhalten und Musik zu machen.
Lukas: Ich denke, das von Anfang an die Idee nicht war: 50 Jahre jeden Mittwoch treffen und jeden Monat in die Vereinskasse einzahlen, um dann einen Urlaub zusammen zu machen.
Es geht nicht darum unsere Freizeit voll zu machen, sondern dass wenn schon aktiv dann wollen wir es auch richtig machen. Wir wollen keine Garagenband sein, die Lärm macht und Jux und Gaudi hat. Von der Demo an war schon immer der Gedanke, dass wir nach unseren Möglichkeiten (zeitlich, etc) das Beste machen, was wir machen können. Das wir was Cooles auf die Beine stellen wollen und als nächsten Step in München eine Live-Show spielen wollen. Step by Step.

Ist es normal, dass der Sänger eine „Rampensau“ ist?
Timo: Ich weiß nicht ob es normal ist, aber es hilft.
Jakob: Freddy Mercury? (DER war definitiv eine Rampensau)
Timo: Ich finde es interessant, dass man als „Rampensau“ gilt, wenn man gerne auf der Bühne steht und seine Gefühle rauslässt.
Max: Ich denke, ich kann es ganz gut, Songwriting und Bass spielen, singen eher weniger. Wenn man überzeugt ist, etwas gut zu können, wäre es doch schön, wenn es mehr Menschen hören. Sehen und gesehen werden. Da braucht man keinen Hehl draus machen, es geht um Aufmerksamkeit. Wir hatten letztens unsere Spotify-Zahlen und kommen auf gut 100 Länder und 1.000 Stunden Streaming. Das ist krass.
Lukas: Meine Mum hat gesagt: Was bringt's dir Klavier zu spielen, wenn's keiner hört? Und ich dachte mir immer: Weil's mir Spaß macht. Andererseits, wenn man 'ne Band gründet und Musik schreibt, die einem selber gefällt, dann will man ja, dass es andere hören. Musik ist was Zwischenmenschliches, eine Art von Kommunikation.
Ich: Du brauchst nicht einmal Gesang, um eine Message rüber zu bringen.
Lukas: Genau.
Ich: Du hast durch Musik einen psychologischen Effekt. Du kannst positiv beeinflussen, kannst aber auch negativ beeinflussen.
Lukas: Ich erinner' mich an das Zitat: Musik ist die universelle Sprache. (Franz Liszt)
„Die Musik ist als die universelle Sprache der Menschheit zu bezeichnen, durch welche das menschliche Gefühl sich einst allen Herzen in gleich verständlicher Weise mitteilen kann, während sie außerdem den verschiedenen Nationen die mannigfaltigsten Dialekte darbietet, je nachdem deren Ausdrucksweise dem Geist der einen oder anderen besser entspricht.“
Aber zurück zum Punkt: Manchen Leuten gefällt deine Musik, manchen nicht. Von daher ist es eine Geschmacksfrage und auch der Hörgewohnheit. Wir sind in einer globale vernetzen Welt, wo sich Musikstile vermischen.
Max: Was wären wir ohne unsere Streaming-Plattformen? Wir hatten vorletzten März ein paar Gigs geplant, was aus bekannten Gründen nicht zustande gekommen ist. Manchmal denke ich, was wäre die Band ohne Internet? Sie wäre kaum vorhanden.
Timo: Was wäre die Band ohne Corona?
Max: Das wollte ich gerade sagen. Es ist toll, dass man in 100 Ländern gehört wird, ohne je einen Fuß dahin zu setzen.
Jakob: Aber dafür vor Ort, wo eigentlich immer die größte Fanbase ist, kennt dich kaum einer.
Lukas: Ergänzend zu Max: Letztendlich wären wir eine Münchner Band, vielleicht hätten wir einen Song mehr veröffentlicht, aber wir müssen uns hier in München etablieren. Mal hier spielen und soziale Kontakte aufbauen. Wir waren hier im Münchner Backstage und uns fiel auf: Du kannst so viele Streamings und somit viele Länder bespielt haben, aber im Backstage kennt dich keine Sau.

Würdet Ihr Streaming-Konzerte in Betracht ziehen?
Timo: Wir haben es schon im kleinen Stile probiert, hat aber für uns nicht so richtig funktioniert.
Jakob: Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Leuten, die sich ein Streaming von einer Underground-Band anschaut. Selbst wenn du dir Streamings von großen Festivals anschaust, dann ist der Sound Kacke. Du weißt, dass die Band da oben geil ist, aber es klingt wie eine Anfängerband.
Lukas: Wenn du hier (Restaurant) eine Jazzband hinstellst – super.
Jakob: Genau. Aber Metal funktioniert, weil er laut ist.
Lukas: Metal funktioniert, weil Leute die ganz viel Ahnung davon haben, tüfteln um diese Musik technisch zum Klingen zu bringen.
Jakob: Nicht jede Band hat halt für solche Streaming-Konzerte einen großen Raum. Dann klingt halt das Schlagzeug, als wäre es mit dem Toaster aufgenommen. Und dann musst du drauf vertrauen, dass es am Ende gut gemischt wird. Wenn die Qualität grottig ist, funktioniert es nicht.
Timo: Und dass du als Musiker dastehst und keine Resonanz hast. Du performst quasi gegen 'ne Wand.

Wer ist das Brain hinter den Texten?
Max: Ich war mal teilweise mit dem Texten beschäftigt. Ich hab' halt damals für die Demo ein paar Texte im Zug geschrieben. Aber sie waren halt nicht der Burner. Meine Stärken liegen wo anders.
Lukas: Mittlerweile hat sich die Aufgabenverteilung innerhalb der Band herauskristallisiert. Wir sind da aber auch flexibel. Bei „Stray Alone“ war der Text zu 99% von Timo geschrieben. Timo ist schlußendlich der der es singt.
Timo: Bei „Left In Me“ war das meiste von Luke. Mittlerweile habe ich viele Einfälle und daher hat's mir unter den Nägeln gebrannt, Lyrics zu machen.
Lukas: Manchmal wünscht man sich jemanden, der die Zügel in die Hand nimmt und steuert. Aber es funktioniert.

Referenzbands
Ich. Ich habe gelesen, ihr habt TRIVIUM als Referenzband angegeben.
Timo: Bestes Album: Shogun (hier schließt sich Luke an)
Jakob: Als ich das erste Mal TEZURA gehört habe, dachte ich: Klingt krass nach TRIVIUM. Für mich ist das beste TRIVIUM-Album „In Waves“. Läuft nach wie vor rauf und runter.
Max: Ich habe noch nie ein TRIVIUM-Album gehört. (allgemeines Gelächter) Ich kenn halt ein, zwei Lieder, habe aber noch nie bewusst ein komplettes Album angehört.
Timo: Ich kam eigentlich aus der METALLICA Ecke, und ich hab' mich bei TRIVIUM zuerst gefragt: Was macht der da vorne? Aber irgendwann hats gezündet.
Lukas: Timos Gesang ist schon stark geprägt von Matthew Heafy.

Unterrepräsentation von Drummern
Ich. Bei einer Band fällt ja grundsätzlich zuerst der Sänger/Frontman auf. Drummer sind in der hintersten Ecke und in Dunkelheit gehüllt.
Jakob: Moment: METALLICA : Lars Ullrich hat mehr Stagetime als der Sänger.
Luke: Lars ist genauso Frontman wie James Hetfield.
Jakob: Weil Lars gleichfalls eine Legende ist.
Ich: Wer sein Instrument beherrscht, beherrscht die Bühne. Ob das die Stimme ist oder ein Instrument.

Vorurteile gegen Bassisten
Jakob: Gegen den Bass darf man gar nix sagen.
Max: Ich bin ja eigentlich gar kein Bassist. Eigentlich spiele ich ja Gitarre.
Ich: Hast du dich freiwillig für Bass entschieden oder wurdest du entschieden?
Max: Ich hab' mich aus pragmatischen Gründen oftmals selber dafür entschieden.
Ich: Gitarristen und Drummer sind neben dem Sänger bei den Damen am beliebtesten.
Jakob: Bassisten sind bei den Bands am Beliebtesten. Weil sie so selten gesät sind.
Max: Für das was wir machen, reicht es allemal aus (er stapelt fei schon tief). Ich spiel Bass sehr gitarristisch. Es wird halt auf den Bass adaptiert. Die meisten Sachen schreibe ich zu Hause auf der Gitarre und setz es dann für den Bass um. Aber die Band braucht 'nen Basser.
Ich: Du bist halt sehr team-orientiert.
Max: Mir ist die Band wichtiger, als so eine eitle Selbstverwirklichung. Ich stell da mein Ego ein bisserl zurück. Aber wenn es die Band voranbringt....

Zukunft
Lukas: Wir haben viel Material auf der Festplatte rumliegen und haben ein Auge auf eine größere Veröffentlichung. Es sind größtenteils fertige Songs.
Timo: Großes Danke hier mal an Oli aus Kiel. (Oliver Carell von Blastbeat Productions)

Künstler die flashen
Max: Das sind soooo viele. Aber mich flasht der Nolly von PERIPHERY immer wieder, der ist nicht nur ein krasser Musiker, welcher neue Sachen aus dem Hut zaubert. Er ist auch ein Producer, Mixer und krasser Unternehmer. Du musst heutzutage als Musiker nicht nur gut dein Instrument spielen, sondern auch ein guter Songwriter, Promoter und eigentlich müsstest du noch ein BWLer sein. Quasi eine Eier-legende-Woll-Milch-Sau.
Jakob: Als Max „Nolly“ gesagt hat, habe ich ebenfalls an PERIPHERY gedacht. Mich spricht Ihre Arbeitsweise sehr an und auch ihre funktionale Herangehensweise.
Timo: Ich sag Künstler, welche mich sängerisch besonders inspiriert haben: Chris Cornell, oder Layne Staley von ALICE IN CHAINS. Alleine dahin zu kommen (sängerisch), ist sehr inspirierend.
Lukas: MICHAEL JACKSON. Ich habe gerade meine Zulassungsarbeit über ihn geschrieben.

Käsejunkies anwesend?
Nach der Feststellung, dass der Käse über den Nachos doch sehr übersichtlich war, entspannte sich auch darüber ein Gedankenaustausch.
Jakob: Die besten Dinge, die erfunden wurden – Bier, Metal und Dinge die mit Käse überbacken wurden.
Ich: Wenn du das Essen unterm Käse sehen kannst, ist zu wenig Käse drauf.

Ein ganz herzliches Dankeschön an die Band – und nicht nur, dass sie sich die Zeit genommen haben, sondern auch für einen wahnsinnig entspannenden Abend. Und auch an Frank für die Vermittlung.


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