Interview: Geist - Alboin

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Wenn dein Pferd tot ist, dann steig ab...

Beruflich auf festen Beinen, in einer Dark Metal-Band spielend und auch noch beim Online-Fanzine metal.de als Chefredakteur tätig seiend - das ist Alboin, seines Zeichens Mastermind und Basszupfer bei den deutschen Metal-Schergen von GEIST. Pünktlich zum Release des neuesten Streichs "Galeere" ist mir Alboin Rede und Antwort zu all meinen brennenden Fragen gestanden...

Text: mat
Veröffentlicht am 29.04.2009

Zuallererst, wie geht es dir zurzeit?

Ausgezeichnet, ich habe den Tag im Wesentlichen in der Sonne auf der Terrasse verbracht, ein ausgezeichnetes Buch gelesen und am Abend an einem ähnlich ausgezeichneten Grillfest teilgenommen, wo ich eine Menge Rotwein getrunken habe. Ich hoffe, das wird man nicht allzu sehr merken.

Nun ist es also endlich soweit und ihr werft mit eurer Band GEIST das dritte Studio-Album auf den Markt. „Galeere“ nennt sich das gute Stück und ich muss dich gleich einmal fragen, wie und warum ihr auf diese Seemannsthematik gekommen seid?

Vor etwas über zwei Jahren hat mich unser Sänger Cypher D. Rex darauf aufmerksam gemacht, dass in meinen Texten zu „Kainsmal“ einige maritime Vokabeln aufgetaucht waren, was ihm gut gefallen hat. Das fiel mir allerdings erst da auf. Cypher hat den Vorschlag gemacht, das auszuweiten, was ich für eine gute Idee hielt – und in diesem Moment fing es schon an, in meinem Kopf zu arbeiten. Über die Monate habe ich Bücher zu diesem Thema gelesen, Dokumentationen und Filme gesehen und mich allgemein oft gedanklich damit beschäftigt, so dass über die Zeit das jetzige Konzept entstanden ist.

Kann man das Ganze als Konzeptalbum betrachten?

Nicht direkt, denke ich. Zwar behandeln die Texte allesamt maritime Themen, es gibt aber kein übergeordnetes Thema, keine Geschichte, wie ich es von einem Konzeptalbum erwarten würde. Eigentlich finde ich das auch nicht so besonders wichtig, mich hat es zum Beispiel nie interessiert, ob ein gutes Album ein Konzeptalbum ist oder nicht – Hauptsache, es ist gut.

Textlich habt ihr euch dieses Mal ja beinahe schon selbst übertroffen! "Quasi-literarische" Ergüsse, ja sogar Homers „Odyssee“ spielt eine Rolle auf dem Album. Woher kommen diese Einflüsse?

Quasi-literarisch? Schade, hehe. Zunächst: Homers Odyssee spielt eigentlich keine Rolle in diesen Texten – dachte ich zumindest. Wer immer das behauptet hat, möge mir das doch bitte näher erläutern.
Die etwas anspruchsvollere Art, Texte zu schreiben, mag vielleicht aus meinem Germanistikstudium oder allgemein aus meinem Interesse an Literatur und dort vor allem der Lyrik des 19. und 20. Jahrhunderts her rühren. Abgesehen davon finde ich es einfach schön, wenn Songtexte auf eine bestimmte Art und Weise gehaltvoll sind, auch durchaus schwierig und vielfach interpretierbar – vor allem, wenn das dem Charakter der Musik entgegen kommt.

Wer war überhaupt für das Songwriting zuständig? Macht ihr das als kollektive Einheit oder gibt es einen Hauptverantwortlichen?

Die Stücke habe ich im Alleingang geschrieben, allerdings sind viele Details und ein ganzes Stück des Arrangements Verdienst der gesamten Band. Viele Drumpatterns programmiere ich beispielsweise nur grob, und unser Schlagzeuger arbeitet sie nach seinem eigenen Stil aus. Einiges an Gitarrensoli und Effektgitarren geht auf unsere beiden Gitarristen zurück, unser Keyboarder hat einen großen Teil der Synthesizer-Intros beigesteuert, Cypher hat seine Gesangslinien selbst arrangiert. Ohne, dass alle am Arrangement der Stücke mitgearbeitet hätten, würden sie heute definitiv nicht so klingen, wie sie es tun.

War es beabsichtigt, dass manche Textpassagen etwas zweideutig daher kommen und daher der Hörer den ganzen Stoff selber interpretieren kann und darf?

Ja. Dass alles, was sich auf diesem Album befindet, beabsichtigt ist, ist etwas, das ich ganz sicher sagen kann. Das ist meine Art, Texte zu schreiben, mich metaphorisch auszudrücken, viel Raum für eigene Interpretation zu lassen und damit unsere Hörer auch aktiv zu fordern. Ich kaue keine klischeehaften Inhalte vor und möchte es niemandem zu leicht machen, herauszufinden, worum es in unseren Songs gehen könnte. Das hat den Vorteil, dass ein Album wie „Galeere“ dem aufmerksamen Hörer sozusagen eine ganze zweite Ebene an Ausdruckskraft bietet, wenn er oder sie die Zeit investiert, sich damit zu beschäftigen.

Wie kommt man dazu, nur fünf Songs auf eine Platte zu pressen? Habt ihr euch hingesetzt und gesagt: „Wir machen nur fünf Tracks, die müssen aber dann mindestens acht Minuten lang sein!“ Oder wie läuft so ein Schreiber-Prozess bei euch ab?

Für dieses Album hatte ich einfach Ideen, die ein eher episches Arrangement gebraucht haben. Dazu trägt auch das Ambiente bei, für das wir uns viel Zeit genommen haben und das auch seine Zeit braucht. Ich bin der Meinung, dass sechs gute Riffs in einem Song, die auch die Zeit haben, ihre Atmosphäre und Wirkung zu entfalten, besser sind als 30 durchschnittliche. Genauso kann eine fantastische Synthesizer-Linie aus drei Tönen, die sich über vier Minuten zieht, viel eindrucksvoller sein, als ein hektischer Song mit unzähligen unspielbaren Gitarrenparts. Das ist nicht so geplant gewesen, aber es hat sich während des Komponierens so ergeben.

Wo habt ihr denn das Teil produziert und wer dafür zuständig?

Das Album haben wir im Dezember und Januar im Studio E in Mellrichstadt produziert. Das Studio gehört Markus Stock, der zu den renommiertesten Produzenten im Black-Metal-Bereich in Deutschland gehört und einige hervorragende Platten (beispielsweise von SECRETS OF THE MOON oder HELRUNAR) aufgenommen hat. Abgesehen davon ist er ein fabelhafter und extrem sympathischer Kerl, mit dem wir verdammt viel Spaß hatten.

Apropos Produktion. Das Cover-Artwork gehört mit zum Besten, das mir in letzter Zeit untergekommen ist! Wer kam auf die Idee dieses Motivs und wer hat es gestaltet?

Dankeschön! Das Lob für die fantastische Umsetzung unserer Idee eines Schiffs in schwerer See gebührt Lukasz Jaszak, dem Haus- und Hofgrafiker von Prophecy Productions. Er hat seinen Ruf, sich sehr schnell und sehr tief in das Konzept einer Band hineindenken und es grafisch umsetzen zu können, nicht umsonst. Der Mann ist wirklich genial.

Was sagst du zu eurem Label-Deal mit Prophecy? Ändert dieser Umstieg viel für die Band?

Ja, das ändert eine Menge für uns. Wir müssen uns um eine Menge Dinge nicht mehr kümmern, wir können endlich in einem professionellen Studio aufnehmen, generell läuft bei Prophecy Productions alles sehr professionell ab. Das gibt Sicherheit und auch Zeit, dass wir uns wieder mehr auf das konzentrieren können, worum es in unserer Band eigentlich gehen sollte: das Musikmachen, das Konzerte Spielen. Mich beruhigt das enorm, und ich bin sehr sehr glücklich über diesen Deal.

Warum hast du dich eigentlich entschieden in einer Black/Dark Metal-Band zu spielen?

Ich weiß es nicht. Das ist keine bewusste Entscheidung gewesen, sondern eher natürlich gewachsen. Im Prinzip liegt die Tatsache, dass ich in einer Band spiele, in einer Linie mit meinem Musikgeschmack als Jugendlicher, danach meiner Tätigkeit als Fanzinemacher, dann Mitspieler in einer Band... da lag es für mich nahe, meine eigenen musikalischen Ideen eines Tages selbst umzusetzen. Warum es ausgerechnet Black Metal ist, muss einfach mit meinem Geschmack, meiner musikalischen Sozialisation zusammenhängen. Ich kann keine andere Musik schreiben, und wenn, dann fühlt sie sich für mich unecht, unnatürlich an.

Was hörst du dir privat so an? Gibt es bei dir ausschließlich ganz harte Kost?

Nein, gar nicht. Wenn ich mir Black-Metal-Alben anhöre, dann eigentlich zu 99% welche aus dem Norwegen der 90er Jahre. Ich liebe COVENANT, TROLL, BORKNAGAR, EMPEROR, ARCTURUS, KAMPFAR, HELHEIM, ISVIND, auch DARKTHRONE, GORGOROTH, ENSLAVED, ULVER und einige mehr. Das ist die Musik, in der mich am heimischsten fühle. Ansonsten höre ich momentan am liebsten 60er und 70er Jahre-Rock, Klassiker der Musikgeschichte, wie LED ZEPPELIN, RAINBOW, DEEP PURPLE, JETHRO TULL, BLACK SABBATH und Ähnliches. Hier und da, aber eher selten, brauche ich auch mal eine Platte aus anderen Metalsparten (beispielsweise PANTERA) oder etwas ganz Anderes, Filmmusik, Klassik oder etwas vollkommen Wunderbares wie den Buena Vista Social Club.

Hast du schon ein paar Feedbacks bzw. Kritiken zum neuen Album bekommen? Was sagt der Rest der Welt zur „Galeere“?

Ja, ich habe schon einige Reviews gelesen und auch eine Menge Interviews zum Album beantwortet, was mich sehr freut. Die Reviews fallen bis jetzt allesamt positiv bis euphorisch aus, was ebenfalls eine schöne Rückmeldung für unsere Arbeit ist. Natürlich gibt es immer wieder Kritikpunkte, aber das habe ich natürlich auch erwartet. Ich bin immer wieder überrascht, wie unterschiedlich das Album interpretiert wird, aber gerade das ist das Interessante am Feedback.

Rückblickend gesprochen: Was hältst du heute oder besser gesagt genau jetzt von eurem Debüt „Patina“? Wie denkst du heute darüber? Gefällt es dir noch immer?

Genau jetzt sehe ich das Album relativ verklärt. Vor ein paar Monaten habe ich durch Zufall die Aufnahmesessions und -dateien des Albums auf einem alten Rechner im Proberaum gefunden, obwohl ich mir sicher war, die Aufnahmen seien verloren oder vernichtet. Ich habe dann in einer Dutzende von Stunden währenden Kleinstarbeit die Sessions wieder zusammengesetzt und dabei entdeckt, welches Potential die Songs eigentlich haben. Wir werden, wenn wir wieder etwas Zeit haben, die Gitarrenspuren für „Patina“ neu aufnehmen (die waren leider nicht mehr komplett) und das Album dann im Studio neu mischen und mastern. Darauf freue ich mich sehr, denn ich glaube, dass wir damals nicht alles aus den Songs herausgeholt haben, was sie in sich haben. Der damalige Charme der Originalveröffentlichung ist zwar einzigartig, aber ich habe den nagenden Eindruck, damals etwas nicht zu Ende gebracht zu haben, und das möchte ich nachholen.

Persönliche Frage: Hast du so etwas wie ein All-Time-Lieblingsalbum?

Ich habe eher viele All-Time-Lieblingstracks, weil mich fast nie ein Album über die gesamte Spielzeit fesselt. Wenn es ein Album sein sollte, dann würde ich mich, glaube ich, zwischen COVENANT „In Times Before The Light“, SUMMONING „Minas Morgul“, ULVER „Nattens Madrigal“, LED ZEPPELIN „IV“ und BUENA VISTA SOCIAL CLUB entscheiden. Letzteres hat momentan die Nase vorne.

Ganz blöde Frage, aber gibt es einen speziellen Hintergrund für deinen Namen Alboin?

Nein, nicht wirklich. So etwas kommt eben dabei heraus, wenn man sich in jugendlicher Schwärmerei ein Pseudonym aussucht – und das begleitet mich jetzt schon über 12 Jahren wie ein Zweitname, beinahe wie ein Alter Ego meiner musikalischen Seite. Der Name Alboin stammt aus der Keltenzeit, hat die Bedeutung „Freund höherer Mächte“ (oder ähnlich), und ein sehr berühmter Langobardenkönig trug diesen Namen. Mehr hat es damit nicht auf sich.

Weil wir gerade bei Namen sind: Warum GEIST?

Der Vorschlag zu diesem Bandnamen kam von Carsten, unserem ehemaligen Labelchef bei Solistitium Records, als wir nach dem Split von EISMALSOTT einen neuen Bandnamen suchten. Wir hatten einige Ideen, aber seiner war einfach der beste – ich muss zugeben, dass ich damals beim Ausdenken von Bandnamen nicht sehr kreativ und für den Vorschlag dankbar war. Tatsache ist, dass er sehr gut zu dem passt, was wir aussagen möchten, zudem ist er kurz und einprägsam und damit ganz offensichtlich der perfekte Bandname für uns.

Liest du eigentlich privat viel und gern?

Wenn ich Zeit habe, ja. Das ist leider nicht immer der Fall, aber ich glaube, im Vergleich zu vielen anderen Menschen lese ich eine ganze Menge.

Werdet ihr in nächster Zeit auch live zu sehen sein? Wenn ja, wo?

Wir spielen im Mai einige Konzerte, am 2. in Pforzheim, am 23. in Ulm – und am 9. Mai veranstalten wir eine Releaseparty mit Konzert in Bad Salzuflen. Für den Herbst haben wir einige Ideen für eine kleine Tour, aber da ist noch nichts spruchreif. Wir lassen es an der Livefront eher etwas ruhiger angehen und versuchen, aus jedem Konzert etwas Besonderes zu machen.

Kommst du mit deinen Mehrfachverpflichtungen (Beruf, metal.de, Musik,…) immer noch gut zu Recht oder artet das Ganze schon einmal in ein wenig Stress aus?

Ich muss ehrlich sagen, dass das manchmal schon extrem stressig ist, besonders, wenn alles zusammen kommt. Vermutlich muss ich mich schon eines Tages von einem meiner Hobbies verabschieden oder es zumindest etwas ruhiger angehen lassen, aber gerne mache ich das nicht. Musik und das Drumherum ist mit das Wichtigste in meinem Leben, und dafür nehme ich eine Menge Stress in Kauf. Ungesund sollte es aber nicht werden.

Vielleicht ein wenig voreilig, aber arbeitet ihr bereits an Nachfolgematerial?

Nein, bis jetzt hatte ich noch keine Inspiration für das neue Album. Dafür fehlt mir aber auch noch der Abstand zu „Galeere“.

Lässige Bemalungen zieren eure Gesichter auf dem aktuellen Bandfoto. Macht ihr das wirklich selber oder wurdet ihr von professionellen „Malern“ bepinselt?

Weder noch. Für diese Bandfotos haben wir die Hilfe einer hübschen jungen Dame in Anspruch genommen, die sich mit Theaterschminke besser auskennt als wir.

Ich würde sagen, nach diesen ganzen Infos lasse ich dich jetzt wieder in Ruhe. Oder willst du mir und meinen Lesern noch etwas Wichtiges mitteilen?

Nein. Nur vielen Dank für das Interview.

Zum Abschluss: Hast du so etwas wie ein Motto?

Viele. Ein gutes ist: wenn dein Pferd tot ist, steig ab.


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