Interview: Cumulo Nimbus - Carolynn

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Diese Typen konnten auch eigentlich mit mir gar nichts anfangen, weil ich nur nach Noten spielen konnte, Tonarten nur auf dem Klavier kannte und nicht weiter als bis vier zählen konnte

Was ist nur Renaissance-Metal? Eine Frage, die mich im Zusammenhang mit dem neuen CUMULO-NIMBUS-Album "Totensonntag" beschäftigte. Carolynn, Sängerin und Flötistin der Band, konnte mich diesbezüglich aufklären. Lest, was sie sonst noch über die Geschichte von CUMULO NIMBUS zu berichten weiß.

Text: Django
Veröffentlicht am 10.11.2009

Hallo Carolynn, danke, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst.
Seit kurzem ist nun euer Album "Totensonntag" auf dem Markt. Wie fällt denn das Feedback dazu bislang aus?

Bis jetzt sind wir sehr zufrieden. Sowohl bei unseren Fans, als auch in der Presse werden wir gewohnt gut rezensiert. Mir fällt vor Allem auf, dass wir durch die Zusammenarbeit mit unserem Label Black Bards wesentlich mehr Feedback bekommen als früher - ein gutes Gefühl! Und für uns ist es natürlich auch sehr wichtig und schön zu sehen, dass die brandneuen Song auch live funktionieren, dass wir damit unsere eingefleischten Fans genauso mitreißen wie neu erschlossenes Publikum!

Für alle, die CUMULO NIMBUS noch nicht so gut kennen: Stell doch die Band bitte mal kurz vor und schildere so ein wenig den bisherigen Werdegang.

CUMULO NIMBUS betrat im Jahr 2001 erstmals eine Bühne, von der damaligen Besetzung sind Mathis, Erik und Carolynn erhalten geblieben. Basser und Schlagzeuger haben in der Zwischenzeit gewechselt, die Geige kam erst später dazu. Bis zu unserem ersten Studio-Album "Nachtwache" (2004) teilten sich Mathis und Erik nicht nur die Rolle als Sänger - was bei der Hörerschaft sicher für Verwirrung sorgte - die beiden hatten auch das gesamte Songwriting in der Hand. Mit dieser ersten professionellen CD und dem damals sogar ein wenig bekannten Song "Wirtshaus" in der Hand kamen wir erstmals zu größeren Auftritten zum Beispiel in Augsburg mit Schandmaul oder in Berlin mit Fiddlers Green.
Für die "Stunde der Wahrheit" (2007) hatten wir mehr Budget, Lady Doro und ich brachten uns musikalisch viel besser ein und unser CD-Produktionsteam ermutigte uns zu verspielten Interludes usw., die diese CD zu einem Hörerlebnis machten. Wir bekamen super Rezensionen, spielten zum ersten Mal auf dem WGT in Leipzig und begannen richtig durch die Republik, in die Schweiz, nach Österreich und - mit unserem Akustik-Projekt Bernsteyn - sogar bis nach Serbien zu touren.
Den "Totensonntag" (2009) produzierten wir erstmals mit einer Plattenfirma im Rücken, heuer waren wir zum Beispiel wieder auf dem WGT und außerdem in Wacken live dabei, für das nächste Jahr stehen auch schon so einige Auftritte. Es ging und geht also stets bergauf (sonst wär's ja nicht so anstrengend) und wir erwarten voller Vorfreude, was die Zukunft so bringen mag!

Was war damals eure Motivation, CUMULO NIMBUS ins Leben zu rufen?

Erik, Mathis und dessen Zwillingsbruder Pat musizierten schon seit langem gemeinsam, und Landsberg am Lech ist ja eine nette kleine mittelalterliche Stadt. So hatte Erik im Zuge seines klassischen Gitarren-Studiums auch Lautenunterricht genommen, Mathis fühlte sich von der mittelalterlichen Welt mit seiner für heutige Ohren mystischen Musik angezogen und die drei schrieben den einen oder anderen Song, der den Einsatz eines Melodieinstruments wie Flöte, Schalmei, Geige oder so forderte. Ich spielte in meinem klassischen Blockflötenunterricht mittelalterliche Ensemblemusik und zeitgenössische Solostücke und wurde einmal über eine Bekannte in die Bandprobe mit dieser damals noch namenlosen und in meinem unverdorbenen Ohren eigentlich völlig furchtbar klingenden Musikgruppe aus komischen alten Typen geschleust. Diese Typen konnten auch eigentlich mit mir gar nichts anfangen, weil ich nur nach Noten spielen konnte, Tonarten nur auf dem Klavier kannte und nicht weiter als bis vier zählen konnte. Irgendwie blieb ich dann doch dabei, für den ersten Auftritt brauchten wir natürlich einen Namen, die Jungs gaben mir eines ihrer riesigen weißen Rüschenhemden - et violá: Eine Renaissance-Metal-Band war geboren!

Ihr bezeichnet euren Stil als Renaissance-Metal. Wodurch unterscheidet er sich vom eigentlichen Mittelalter-Metal? Und inwieweit unterscheidet ihr euch von Bands wie IN EXTREMO oder SALTATIO MORTIS?

Zum einen taucht in so manchem unserer Song eine echte Mehrstimmigkeit mit sich auf Augenhöhe gegenseitig ergänzenden und sich umwebenden Stimmen auf - zum Beispiel die von Blockflöte und Geige gespielte Melodie in "Carpe Noctem", das im instrumentalen Zwischenteil in "Totensonntag" mit E-Gitarren, Blockflöten und Gamben zitierte vierstimmige Stückchen von Henry Purcell (ein Komponist der Renaissance/Frühbarock), bei "Aderlass" der von Blockflöte, Geige und E-Gitarre gespielte Melodieteil und viele mehrstimmige Gesangspassagen, die nicht auf einfachen Terzschichtungen basieren.
Unsere Kompositionen sind also zu komplex, als dass sie noch in irgendeinem Sinne als "mittelalterlich" durchgingen. Auch in der Instrumentierung benutzen wir außer beim Schlagwerk kein einziges Instrument, das es im Mittelalter so schon gegeben hätte.
Zum anderen gefällt uns der Wiedergeburtsaspekt im eigentlichen Sinn des Wortes "Renaissance", ich denke dabei an Nietzsche und den Gedanken der ewigen Wiederkehr und an das Schwere bei Milan Kundera, schaue verwirrt und verpasse meinen Einsatz deshalb, Erik, der Käptn und der Prophet denken an die Wiedergeburt des 80er-Jahre Metals und begeistern sogleich eingefleischte Metalfans mit beinharten Gitarrenriffs und geilen Solos, Matthias und Doro fühlen sich frisch und fröhlich, weil sie nicht dunkles Mittelalter spielen müssen.
IN EXTREMO und SALTATIO MORTIS kenne ich jetzt gar nicht so genau, als dass ich die Unterschiede wirklich auf den Punkt bringen könnte. Die Instrumentierung ist natürlich ganz unterschiedlich, wir haben die Möglichkeit, live einen Kammermusik/alte Musik-Ensemble-Sound zu erzeugen, und außerdem gibt es bei uns weiblichen Gesang von mir.

Welche traditionellen Instrumente hinterlassen in eurem Sound ihre Markenzeichen? Und welche davon stammen aus der Ära, die man als Renaissance kennt?

Das traditionellste Instrument überhaupt ist wohl die Trommel. Darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Auf der Bühne spielt Erik Renaissance-Laute, ich spiele Blockflöte, Sopran- und Diskantflöte sind zum Beispiel von Christoph Hamann nachgebaute Modelle aus der Renaissance, Alt- und Tenorflöte sind Barockmodelle. Im Mittelalter gab es zwar schon Flöten, die hatten aber einen wesentlich kleineren Tonumfang, klangen weniger brillant, waren nicht wohltemperiert gestimmt und sind somit heute in Gruppen mit E-Gitarren und Streichern nicht zu gebrauchen. Die Entstehung von Doros Geige mit ihren Stahlsaiten muss man wohl ins 19. Jhd. legen, dafür hat Doro zum Beispiel bei "Totensonntag", "Stand unter Wasser" und "Erbarmen" auch Bassgambenparts auf einem Instrument der Renaissance eingespielt.

Folgen die Songs auf "Totensonntag" einem durchgehenden Konzept? Sind sie lyrisch miteinander verknüpft?

Genauso wie bei unseren anderen Alben steht auch beim "Totensonntag" jeder Song für sich allein. Natürlich gibt es den gemeinsamen Themenkreis vom Sterben und dem Leben nach und mit dem Tod. Das ist aber eigentlich mehr Zufall - im Wesentlichen entstehen eben zuerst die Songs, dann denken wir uns einen Namen für das Album aus und reihen die Songs so aneinander, dass deren natürliche lyrische Verwandtschaften unterstrichen werden, schaffen Zwischenspiele um die Übergänge auch musikalisch schlüssig zu machen. So mündet zum Beipiel die auf hoher See spielende Ballade "Blutrote Segel" über das sanfte und von Wellen scheinbar weggespülte Interlude "Irrfahrt" in das thematisch passende lustige Piratentrinklied "Flüssig Gold".

Wieso habt ihr als Albumnamen gerade "Totensonntag" gewählt?

Mit diesen Songtexten war klar: Es muss etwas mit dem Tod, Sterben sein. Erik kam dann vor ca. einem Jahr (vom Datum inspriert) mit Totensonntag daher. Uns hat das allen sofort gefallen, weil im Totensonntag eben nicht nur die Toten stecken, sondern auch der Sonntag, ein Feiertag und die Sonne. Das passt doch sehr gut zu den oft auch fröhlichen Songs, die bei ihrer Beschreibung von Zwischenwelten, dem Sterben und dem Tod doch nie wirklich verzweifelt sind. In "Stadt unter Wasser" wird der Freitod eines Lebensmüden im See ja verklärt als eine Befreiung erzählt, der "Knochenmann" besteht aus den Knochen armer Hunde und amüsiert sich nun nach dem Tod mit dem Messwein in seiner Kirche, der Totengräber in "Totensonntag" versteht sich mit den Toten in seinen Gräbern besser als mit seinen lebenden Zeitgenossen die ihn argwöhnisch beäugen, usw.
Und weil "Totensonntag" zudem ein griffiges, schönes und leicht im Gedächtnis verhaftendes Wort ist, war die Wahl bald gefallen.

Von wem oder was lasst ihr euch musikalisch und lyrisch inspirieren?

Bei uns hat ja jeder einen starken musikalischen Hintergrund - aber jeder hat eben seinen eigenen. Also kann man gar nicht für die gesamte Band sprechen.

Und wer ist für das Songwriting verantwortlich?

Ich glaube dass unser frischer und abwechslungsreicher Stil gerade von den vielen Inspirationskämpfen kommt, die da im Hintergrund ausgefochten werden. Mathis schreibt einen traurigen Text, weil seine Zimmerpflanze eingeganngen ist oder einen fröhlichen, weil er gerade frisch verliebt auf der Baustelle steht und die Sonne scheint und trällert eine liebliche Melodey dazu. Erik denkt an Bach und kontrapunktische Linien, Doro macht eine Vivaldi'sche Akkordzerlegung, ich bin irgendwie verwirrt weil ich gerade Prokofieff auf dem Klavier gespielt habe und will mit dessen Quintparallen und tiefen Leittönen einen Mittelaltersound generieren, den Erik aber verbietet, der Käptn denkt an AC/DC und der Prophet spielt funky dazu.Man kann sich also vorstellen: Obwohl Mathis wirklich gute Vorlagen macht, ist es nicht einfach und das Chaos hat einen nicht allzu geringen Anteil an unserem Songwriting.

Mir fällt auf, dass längst nicht alle Songs schwungvoll oder fröhlich sind, sondern auch Melancholie und auch düstere Klänge Einzug in eure Kompositionen finden. Verarbeitet ihr da teilweise auch eure eigenen Stimmungen oder Erlebnisse, die euch beschäftigen?

Die Grundstimmung legt ja meistens der Großmeister Mathis in den Song hinein. Und nachdem die Zeitspanne zwischen dieser Art Geburt eines Songs bis zu dessen Veröffentlichung ziemlich groß sein kann, spiegeln die Songs zuweilen Mathis' Erlebnisse von vor ein paar Jahren wieder. Diesmal wurde es vielleicht etwas düsterer - aber so wie die Dinge zur Zeit laufen kann ich sagen: Das naechste Album wird vermutlich recht fröhlich.

Ich glaube, ihr habt eure anderen Alben alle selbst released. Wie seid ihr nun zu Black Bards gekommen?

Die schwarzen Barden haben uns bei Myspace gefunden. Uns hat es besonders beeindruckt, dass die sich wirklich noch Bands suchen, dass sie zu einem unserer Konzerte kamen, um uns live zu erleben und damit wir uns kennenlernen, dass sie total überzeugt von ihren anderen Bands waren - und bisher haben sich alle unsere Hoffnungen auf eine fruchtbare Zusammenarbeit erfüllt. Wir können uns wirklich glücklich schätzen, ein Label mit engagierten Menschen gefunden zu haben, die uns viel, viel Arbeit bei der Bekanntmachung unserer neuen CD abnehmen, die uns nach Wacken auf die Medieval-Stage zu unserem bisher geilsten Auftritt gebracht haben, die uns zusammen mit unseren Kollegen im Januar in ganz Deutschland in die Clubs schicken und die natürlich auch dafür sorgen, dass man den "Totensonntag" online und in den CD-Läden kaufen kann.

Ich nehme mal an, dass die Mitglieder von CUMULO NIMBUS (noch) nicht von der Musik leben können. Welchen Tätigkeiten geht ihr sonst noch nach?

Die meisten unter uns sind Musiker, Lady Doro gibt Geigenunterricht in Augsburg und München, studiert Gambe in Nürnberg und spielt die eine oder andere "Mucke" in Orchester oder Ensemble, Erik ernährt seine kleine Familie mit Gitarrenunterricht und "Mucken", der Käptn unterrichtet Schlagzeug, Gitarre und Bass, zieht mit der Coverband FRESH übers Land und arbeitet irgendwie mit Bügeleisen und Hubschraubern, der Prophet unterrichtet Schlagzeug und mischt in allerlei Musikprojekten mit. Mathis und ich bilden die (bemitleidenswerte :)) Minderheit derer, die musikalisch von manchen anderen nicht für voll genommen werden, Mathis sorgt als freiberuflicher Geologe dafür, dass der Dreck (Aushub) auf Baustellen richtig behandelt, gelagert und entsorgt wird und ich erforsche als Mathematikerin in Berlin die a posteriori Fehlerschätzung bei Problemen der optimalen Steuerung (obgleich man denken kann, das sei doch eher des Käptn's Job. Aber der verlässt sich ja auf den Propheten und der braucht keine Fehlerschätzung).

Wo und wann kann man euch denn im deutschsprachigen Raum demnächst auf der Bühne erleben?

21.11.09 Memmingen
19.12.09 Landsberg
08.01.10 Bielefeld
10.01.10 Köln
15.01.10 Lübeck
16.01.10 Hamburg
23.01.10 Neustadt
05.02.10 Berlin
06.02.10 Bad Salzungen
07.10.10 Kiel
Die Angaben sind natürlich ohne Gewähr, Auftritte könne sich verschieben, ausfallen und es kommt bestimmt noch der eine oder andere dazu. Aktuelle Infos gibts auf unsere Homepage http://www.cumulo-nimbus.de/gigs

Und meine letzte Frage: wie seid ihr ausgerechnet auf den Bandnamen CUMULO NIMBUS gekommen?

Auf den Namen ist Erik der Müllermeister gekommen, nachdem er ein paar Semester Meteorologie studiert hat und dabei so vom Fleische fiel, dass er sich ausrechnete, dass er - wenns so weiterginge - bis zum Ende des Studiums ein negatives Gewicht hätte. Die Gewitterwolke, Sturm und Regen, die Energie von Blitz und Donner, Vorahnung von der reinigenden Wirkung des Wolkenbruchs - all diese schönen Konnotationen und der lateinisch-vermystfizierende Sound ließen uns in grauer Vorzeit, als wir an Erfolg, Bekanntheit usw. noch gar nicht dachten weil z.B. erst einmal klar werden musste, wie man eine Blockflöte hörbar machen kann, damals also liessen wir uns vom Begriff "Cumulo Nimbus" verzaubern, nahmen all seine Sperrigkeit in Kauf und machten ihn zu unserem Namen.

Möchtest du unseren Lesern noch ein paar abschließende Worte mit auf den Weg geben?

Liebe Leser, mir ist es früher öfters passiert, dass ich sagte: "Ich spiele in so einer Band Blockflöte" und dass ich auf die Gegenfrage, wie denn der Name dieser Band sei, für bis zu eine Woche keine Antwort wusste. Damals gab es noch keine Homepage, keine CD - kein gar nichts gab es. Nur die Bandprobe wo man nachfragen konnte "Wie heißen wir eigentlich nochmal?". Ihr könnt es also als Herausforderung sehen, euch den Namen einfach mal zu merken :) und wems schwerfällt - der stelle sich einfach eine unserer CDs ins Regal. Da kann man dann nachlesen.

Danke nochmal für die geduldige Beantwortung unserer Fragen.

Gerne!


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