Interview: Lordi - Mr. Lordi

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Für unsere Masken brauchen wir bis zu sechs Stunden...

Das eigentlich ganz sympathische Obermonster LORDI im Talk über seine Monsterkollegen, das neue Album "The Monsterican Dream", seine Vorbilder KISS und seinen Bezug zur Muppets-Show.

Text: metfrog
Veröffentlicht am 05.06.2004

Hi Lordi. Ich bin fast ein bißchen nervös, dies ist mein erstes Interview mit einem Monster...

Keine Angst, ich werde nicht beißen (lacht).

Gut. Zuallererst würde mich interessieren, ob es eine Background-Story zu den einzelnen Charaktären Eurer Band gibt?

Eigentlich nicht. Wir lassen die Geschichten der einzelnen Persönlichkeiten offen. Alle Charaktäre bei LORDI stellen unterschiedliche Stereotypen von Monstern da. Wir haben da zum Beispiel eine Mumie, welche von Amen, unserem Gitarristen, dargestellt wird. Oder einen Außerirdischen, das ist Kita, unser Schlagzeuger. Und ich bin quasi das Monster aller Monster. In mir sind alle netten und coolen Monstereigenschaften vereint (lacht).

Es gibt also keinen direkten Background hinter diesen Figuren?

Nein. Das ist auch einfacher so, und läßt uns mehr Spielraum. Dadurch gibt es für uns viel mehr Freiräume. Stell dir nur vor, wir hätten gesagt, wir kommen aus dem Mittelalter oder so - das würde doch saublöd ausschauen, wenn ich dann auf der Bühne mit einer Kettensäge herumhüpfe.

Die Idee zu LORDI entstand ja vor ca. 10 Jahren, hast Du Dir alle Figuren selbst ausgedacht?

Es war mehr eine Kooperation zwischen allen Mitgliedern. Die erste Idee war eigentlich dieser Alien-Charakter. Danach entstand das Zombie-Monster von Kalma. Amen war ursprünglich auch keine Mumie, Amen war mehr so ein Rob Halford-Typ aus der Gruft. Das Gesicht war das Gleiche, nur mußten wir die Kostümierung ändern. Amen selbst hatte die Idee, eine Mumie sein zu wollen. Enary´s Figur sollte irgendetwas barbarisches werden. Sie mag diese ganzen "Conan der Barbar"-Filme und das ganze Wikinger Zeug. Also wurde aus ihr diese Wikinger-Königin oder Wikinger-Gottheit.

Wie lange dauert es eigentlich, so eine komplette Maske anzuziehen?

Wenn es eine Show oder sonst ein Auftritt ist, dauert es etwa zwei Stunden. Wenn es allerdings eine Videosession oder ein Fotoshooting ist, kann es auch gerne mal fünf bis sechs Stunden dauern, denn dann muß man mehr auf die Details achten. Die Maske muß dann sehr detailliert sein, wegen der Close-Ups. Bei Auftritten sind die Details nicht ganz so wichtig, weil das Publikum weit weg ist und wir auch viel Rauch und Pyros verwenden. Zusätzlich zur Maske muß man noch etwa 30 Minuten für das Kostüm dazurechnen.

Ich hab mal gehört, daß Du alle Masken und Kostüme selbst herstellst...

Das ist richtig. Ich liebe es, diese Dinge mit meinen Hände herzustellen. Man könnte sagen, daß 99% aller Bilder, Album Cover, Booklets, T-Shirt Designs, die Make Ups, die Kostüme, die Bühnendesigns - einfach alles auf der visuellen Ebene von mir gemacht werden. Ich liebe es einfach, zu malen und Skulpturen zu machen.

Das ist wirklich erstaunlich...

Ja, LORDI ist einfach eine Kombination aus allen Dingen, die mir Spaß machen.

Ich könnte mir vorstellen, daß es ziemlich schwierig ist, mit so einem Kostüm und mit diesen - auch etwas modifizierten - Instrumenten zu spielen. Dein Mikrofon ist ja zum Beispiel auch etwas aufgemotzt...

Ja, es ist eine herrliche Axt! Naja, man gewöhnt sich daran. Das Kostüm an sich ist ja nicht so besonders schwer. Es sieht schwer aus, ist es aber nicht. Das Problem an der Verkleidung ist, daß es darunter extrem heiß ist. Es ist wie wenn man einen Gummianzug anhätte, du schwitzt darunter schon nach fünf Minuten wie ein Schwein. Aber so richtig heiß wird es dann erst während der Show, wenn die Pyros losgehen!

Aber trinken kann man mit so einer Maske schon...?

Ja natürlich, das ist wichtig (lacht)! Aber trotzdem, mit so einer Maske zu performen ist, wie wenn man einen Marathon in Winterbekleidung läuft.

Kommen wir zu Eurem neuesten Album, "The Monsterican Dream"....

Die ursprüngliche Idee war ja, dieses Album "The Monsterican Way" oder "The United States Of Monsterica" zu nennen (lacht). Wir haben uns dann aber doch für "The Monsterican Dream" entschieden, da das ja auch im Text von "Blood Red Sandman" vorkommt.

Erzähl uns mal ein wenig darüber, wie dieses Album entstanden ist.

Wir begannen letzten Sommer mit dem Songwriting , und da wir eine Band sind, die recht viel schreibt, hatten wir im Oktober um die 40 Songs fertig. Es war klar, daß wir im Jänner ins Studio gehen würden, also hatten wir noch ein wenig Zeit, aus diesen 40 die richtigen Songs auszuwählen. Eigentlich hatten wir ja noch ca. 20 weitere, aber da fehlte uns dann doch die Zeit, diese genauer auszuarbeiten. Natürlich ist es ein positives Problem, aus so einer Fülle an Songs 13 oder 14 auszuwählen, trotzdem war das ein hartes Stück Arbeit. Wir haben mit Hiili Hiilesmaa zusammengearbeitet, welcher schon für Bands wie HIM oder APOCALYPTICA produziert hat. Das war wirklich gut, denn er hat uns gezeigt, wie in einem Studio richtig hart gearbeitet wird. Da war kein Platz für Witze oder sonstigen Bullshit, er hat uns richtig zum Arbeiten gebracht. Kurzum wir waren auf der gleichen Wellenlänge mit Hiili und die Aufnahmen schritten im Jänner gut voran. Wir wollten ja eigentlich schon auf "Get Heavy" mit ihm zusammen arbeiten, doch leider hatte er keine Zeit. Diesmal haben wir den Zeitplan besser gesetzt und das war sehr gut so.

Liegt dem Album ein Konzept zugrunde?

Es ist nicht wirklich ein Konzeptalbum. Es hat keine durchgehende Story, aber es sind dreizehn in sich abgeschlossene Horrorgeschichten. Die Idee entstand nach unserem letzten Album. Auf "Get Heavy" sind Songs wie "Rock The Hell Out", "Would You Love A Monsterman" oder "Devil Is A Loser", deren Lyrics keine Geschichte erzählen. Es sind mehr einfache Rock- oder Heavy Metal Erzählungen. Einzig zwei Songs auf "Get Heavy" haben eine Storyline. Die gefielen mir am besten, also war das erklärte Ziel für das neue Album, für jeden Song eine eigene Geschichte zu haben. OK, "Wake The Snake" oder "Forsaken Fashion Dolls" haben keine Geschichte in dem Sinn, die anderen Songs schon. Eigentlich hatte ich ja die Idee, ein eigenes Comicbuch mit den Lyrics zu zeichnen, welches zur CD paßt. Aber dann holte mich die Realität ein - stell Dir vor, man bräuchte dann ungefähr vier Seiten für jeden Song! Abgesehen davon, daß ich die Zeit gar nciht gehabt hätte - die Plattenfirma hätte mich wohl für verrückt erklärt, wenn ich mit einem 80-seitigen Booklet daher gekkommen wäre (lacht).

Trotzdem schienst Du sehr zufrieden zu sein mit dem fertigen Album...

Ja, bin ich auf jeden Fall! Die ganze Band ist sehr zufrieden damit, weil wir wollten ein Album mit Atmosphäre, mit Spannung. Und das ist uns, glaube ich perfekt gelungen.

Wie sind die Reaktionen der Presse auf "The Monsterican Dream" bisher ausgefallen?

Höchst unterschiedlich. Einige vergeben fünf Sterne, andere nur einn. Es gibt kaum etwas dazwischen. Und das finde ich auch gut so, entweder lieben es die Leute oder sie hassen es. Und wenn es Leute gibt, die es hassen, muß es auch jemanden geben, der es liebt. Es ist immer besser ein klares Ja oder ein klares Nein zu bekommen, als ein "Naja, es ist OK...". Wenn eine Band nur "OK" ist, fehlt etwas.

Ihr habt ja auch ein Video für "Blood Red Sandman" produziert. Hat es Spaß gemacht?

Ja! Das witzige daran ist ja, ich liebe es, Videos zu machen! Ich liebe den ganzen Prozeß, der notwenig ist, ein Video herzustellen. Die anderen Lordi´s mögen das gar nicht so. Die wollten ständig nur zur Bar. Das mußt Du Dir mal vorstellen, so ein Videoshooting kostet der Plattenfirma doch wahnsinnig viel Geld, da kann man doch nicht einfach so zur Bar gehen! OK, sie lieben es rauszugehen und zu spielen, aber ich liebe auch das Videoshooting - es ist großartig! Aber es ist ganz normal, üblicherweise lieben es Musiker ja überhaupt nicht, Videos zu machen. Ich liebe es!

Wie entstehen denn eigentlich Eure Songs im Allgemeinen?

Naja, das hängt von den Songs ab. Meistens sitze ich mit der Gitarre da und habe plötzlich ein Riff im Kopf. Das ist der ganz normale Weg, wie es meistens ist, du spielst einfach so rum, eine Melodie kkommt und du machst was draus oder nicht. Manchmal hat man auch eine Idee für einen Titel und entwickelt daraus einen Refrain, doch das ist die ungewöhnlichere Variante. Für mich ist es so rum wirklich schwierig, dann einen guten Song daraus zu machen. Ich habe zum Beispiel schon seit Jahren die Idee für einen Songtitel "We Bring The Balls Back To Rock", aber ich bringe einfach keinen anständigen Song darüber zustande. Das schwierige daran ist, daß bei so einem powervollen Titel der Song wirklich die "Balls back to Rock" bringen muß! Also andersrum ist es immer einfacher für mich. Auch die anderen in der Band schreiben immer die Musik zuerst.

Im Gegensatz zu "Get Heavy" hat ja diesmal jeder etwas zum Songwriting beigesteuert.

Ja richtig. Obwohl ja auch an den Arbeiten zu "Get Heavy" alle beteiligt waren. Irgendwie ist es aber dann passiert, daß auf dem Album ausschließlich Songs gelandet sind, die ich geschrieben hatte. Das war aber mehr oder weniger Zufall. Wichtig ist, daß die Songs gut sind, wer von uns sie geschrieben hat, ist eher nebensächlich. Es ist nicht so, daß wir gesagt haben, von jedem von uns MUSS ein Song drauf sein, das würde dann auch gar nicht funktionieren. Bei KISS´ "Psycho Circus" war es ja so, daß unbedingt ein Song von Ace Frehley drauf sien mußte. Naja, und sagen wir mal so: "Into The Void" ist nicht unbedingt sein bester Song...

Du bist ja ein riesiger KISS-Fan, wie man hört...

(lacht) das stimmt! Wir alle haben uns ja über die "KISS-Army" (der finnische KISS-Fanclub, Anm.) kennengelernt. Wir sind alle riesige KISS Fans.

Welche Einflüsse spielen bei Euch noch eine wichtige Rolle?

Da gibt es eine Menge: TWISTED SISTER zu Beispiel. ACCEPT, U.D.O., ALICE COOPER natürlich, MOTLEY CRUE, WASP... alle diese großen theatralischen Hard Rock Bands der 70er und 80er halt. Und diese Bands leben nach wie vor! Unsere Keyboarderin Enary steht auf die ganz harten Sachen, wie DIMMU BORGIR - also diese ganze Death- und Black Metal Fraktion. Das mag sonst keiner aus der Band. Auf der anderen Seite ist Kalma ein riesiger LENNY KRAVITZ-Fan. Kita mag ABBA undAmen mag Bands wie STONE TEMPLE PILOTS. Das mag sonst auch keiner von uns. Unser gemeinsamer Nenner ist einfach KISS.

Und welche Einflüsse aus dem nicht-musikalischen Bereich spielen eine Rolle?

Da kommt eine ganze Menge aus diversen Horror Filmen. Ich weiß, das klingt jetzt witzig, aber ein paar Einflüsse kommen aus der Muppets-Show. Natürlich auch Freddy Krüger und der Incredible Hulk. Wenn du etwas magst beeinflußt es Dich einfach, das ist ganz normal. Das ist so, wie wenn irgendeine Hausfrau ein großes Idol mit roten Haaren hat. Irgendwann wird sie zum Friseur gehen und sich ihre Haare rot färben lassen. Kurzum: alle Deine Idole, Deine Vorbilder beeinflußen Dich und Dein leben in irgendeiner Weise, auch wenn Du es oft gar nicht merkst. Bei uns ist es klar, wir können das nicht verbergen, wo unsere Einflüsse her kommen (lacht). Wir treiben das aber noch mehr auf die Spitze, wir sehen noch viel extremer als KISS aus.

Letzte Frage, Lordi: was war der beste Rat, den man Dir jemals gegeben hat?

Ganz klar: ich las ein Interview mit KISS. Das muß jetzt so 10 Jahre her sein. Gene Simmons gab dort den Rat: "Gründe eine Band, die Du selbst gerne auf der Bühne sehen würdest!" Und hier bin ich! Dieser Rat hat den Grundstein zu LORDI gelegt. Ohne diesen Rat hätte ich den Schritt vermutlich nie gewagt.

In diesem Sinne: danke an Gene Simmons für diesen Rat. Und Dir, Mr. Lordi, vielen Dank für das Gespräch!

Eines würde ich gerne noch sagen: es gibt da einen österreichischen Fan namens Sandy. Sie ist ein riesiger LORDI-Fan und schickt uns immer Schokolade. Danke Sandy!

Und Dir danke für das Interview - bye!


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