Interview: Saint Vitus - Wino Weinrich

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Wenn ich Geld verdienen möchte, würde ich das nicht machen. Ich habe nie daran gedacht, mich oder meine Musik zu verkaufen.

Die kalifornischen Doom-Veteranen SAINT VITUS sind angesagter denn je und kreuzten bei der vorweihnachtlichen Tour auch zweimal durch Österreich. Stormbringer war in Graz vor Ort und quatschte mit Sänger Wino Weinrich über den Doom Metal, tragische Ereignisse und Saufwettbewerbe mit Lemmy.

Veröffentlicht am 16.12.2010

Hey Wino, mit deinem Soloprojekt WINO und mit SAINT VITUS warst du dieses Jahr schon zweimal in Wien. SAINT VITUS waren davor aber an die 20 Jahre nicht mehr in Österreich. Wie haben sich die Zeiten in den letzten Dekaden geändert?

Well, als wir in den 80er Jahren regelmäßig auf Tour waren, waren wir sehr oft in Österreich und dabei auch in Graz. Die Leute in Österreich und Deutschland wollten immer den „Heavy Stuff“ und das hat sich auch nicht geändert. Mittlerweile bin ich ja in vielen Projekten involviert und von daher werde ich auch wieder öfters touren.

Hauptsächlich bist du da ja eben mit WINO und auch SHRINEBUILDER beschäftigt. Woher nimmst du die Zeit, um all diese Projekte unter einen Hut zu bringen?

Yeah, die Musik ist ja mein Full-Time-Job. Ich habe keinen Beruf und von daher ist das natürlich ok. Es ist natürlich nicht immer einfach, aber es funktioniert. Alles was ich mache hat mit Musik zu tun, da wird es klarerweise auch mal stressig.

Vor wenigen Wochen ist euer langjähriger Drummer Armando Acosta verstorben. Mein tiefstes Beileid! Wie werdet ihr damit fertig?

Vielen Dank, Mann. Es war wirklich verdammt hart, wir lieben Armando. Es ist traurig aber wahr, dass ihn seine gesundheitlichen Probleme daran hinderten weiterzuspielen. Wir haben uns aber entschieden, die Tour trotzdem zu machen.

Die Entscheidung war sicher schwierig. War es die richtige?

Ja, wir haben uns richtigerweise dafür entschieden. Jeden einzelnen Gig dieser Tour widmen mir vor dem ersten Song Armando. Wir haben schon ein paar Mal darüber gesprochen, wir müssen nicht die ganze Geschichte ausbreiten. Er hat wirklich ziemlich hart und wild gelebt. Er hatte ein Blutgerinnsel und einen großen Tumor am Nacken…

Wurde Armando von eurem jetzigen Drummer Henry Vasquez aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme ersetzt?

Nein überhaupt nicht. Armando hat uns nie irgendwas von seiner Krankheit erzählt. Wir wussten von dem Tumor, aber dass er ein Blutgerinnsel im Fuß hat… Es passte einfach musikalisch nicht mehr. Er konnte den Beat nicht mehr halten. Es ist absolut nichts Persönliches, aber du kannst unter diesen Umständen nicht auf Tour gehen. Henry ist perfekt in der Band integriert, er ist großartig.

Ganz andere Frage: Du spielst ja überall die Gitarre, nur bei SAINT VITUS seit längerer Zeit nicht mehr. Ist es auf der Bühne einfacher, nur das Mikro zu benützen? Ergibt diese Situation einen großen Unterschied für dich?

Yeah, das ist natürlich ganz anders. Ich habe auch seit September Probleme mit meiner Stimme, heute (12.12. – Explosiv, Graz – Anm. d. Verf.) geht es so halbwegs, gestern war es ganz schlimm. Es ist ziemlich anstrengend, aber ich mag es. Ich finde es gut, bei SAINT VITUS nur zu singen. Wir sind wirklich gut aufeinander eingespielt zurzeit und es ist auch für mich eine Herausforderung, nur zu singen.

Sehr interessant ist auch, dass ihr in den 80er Jahren, wo ihr in der Doom-Szene vorne dabei ward, oftmals nur vor 40 bis 50 Leuten gespielt habt. Jetzt sieht die Sache ja ganz anders aus.

Das stimmt, aber wir haben damals in L.A. oft vor ca. 50 Leuten gespielt und als wir nach Europa gekommen sind, waren an die 500 in den Hallen. Wir waren damals sicher mit an der Spitze im Doom-Genre.

Warum glaubst du, hat sich das Interesse an SAINT VITUS in den letzten Jahren so gesteigert? Oder am Doom Metal allgemein?

Ich denke einen wichtigen Platz dabei nimmt sicher das Internet ein. Aber es liegt sicher auch daran, dass die Leute genug von beschissener Musik haben. Wir machen eher emotionalere Songs. Die Leute sehen ja, was in diesen Tagen so alles falsch läuft in der Welt, bekommen den ganzen Bullshit mit. Ich denke, dass unsere Musik eine Art Kluft oder Leere in diesen Leuten füllen kann. Und natürlich das Internet. Die jungen Leute sehen ja auch auf den Covern ihrer Magazine gleich James Hetfield oder den Sänger von BARONESS, die sagen „kauf unser Shirt“ und die Kids denken sich „wer ist das?“ Sie müssen sich dafür oder dagegen entscheiden, aber des geht heute eben sehr schnell. Du musst nicht mehr auf deinen älteren Bruder warten, um dir seine Alben auszuborgen. Es geht einfach alles viel, viel schneller.

Du hast des Öfteren gesagt, dass SAINT VITUS nach knapp 16 Jahren an einem neuen Album arbeiten. Wie ist der aktuelle Stand dahingehend?

Oh yeah, wir spielen einen neuen Song auf dieser Tour. Es ist sehr herausfordernd, den Song zu schreiben, ihn mehrmals live zu spielen und dann damit ins Studio zu gehen. Aber wir haben definitiv neue Songs. Wir haben, denke ich, wirklich gute Ideen und freuen uns schon sehr auf das Album.

Wann kann man damit rechnen? Kannst du schon etwas dazu sagen?

Hmm, möglicherweise nächsten Winter. Ich kann es noch nicht sagen. Wir haben zurzeit ungefähr die Hälfte der Songs geschrieben. Da hängen ja viele Faktoren daran, deswegen kann ich noch nichts Genaues sagen.

Zurück zum Touren. Was sagst du zu den vielen Kids, die eure Shows besuchen? Die werden ja oftmals zu Unrecht als Trendsetter a la „ihr hört nur Metalcore“ bezeichnet, obwohl sie selbst gerne Doom Metal oder MOTÖRHEAD hören.

Ja, das fällt zurzeit besonders auf, was natürlich auch mit dem Internet zu tun hat. Ich sehe da meine Generation und dann eben diese. Weißt du, es sind ja nicht meine Söhne. Wenn ich ein Kind hätte, wäre es dessen Sohn und die hören sich unser Zeug an. Das ist ziemlich verrückt. Das ist sehr cool.

Mit deinem Soloprojekt WINO hast du mit „Adrift“ ein Akustikalbum herausgebracht. Damit hat ja kaum wer gerechnet. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Well, die Idee ist schon älter und kommt von einem Deutschen namens Andreas von Exile On Mainstream Records. Damals war das aber überhaupt kein Thema, aber er ist ein Visionär. Der Grund, warum dieses Album zustande gekommen ist, war der, dass ein Freund auf meiner Release-Party gesagt hat, ich soll am Ende des Sets akustisch Gitarre spielen. Das hat mich wirklich wütend gemacht, weil ich nie zugesagt habe. Aber ich habe es dann versucht und es klang wirklich mies. Ich habe es dann noch einmal probiert und es wurde zu einer wirklichen Herausforderung. Ich wollte es unbedingt versuchen und habe mir ein Album damit überlegt. Dann ist leider unser Bassist Jon Blank gestorben. Auf der darauf geplanten Tour habe ich akustische Gitarre gespielt, um mit diesem Verlust fertigzuwerden und ich habe da wirklich realisiert, dass ich ein Album machen sollte. Es ist verdammt schwierig und du brauchst schon eine Passion für die Akustikgitarre. Aber es hat Spaß gemacht und die Solotour war sehr erfolgreich.

Hast du dir auch schon überlegt, solche Experimente bei SHRINEBUILDER oder SAINT VITUS zu machen?

Scott Kelly und ich von SHRINEBUILDER machen ein Projekt mit Akustikgitarren. Das wird großartig, ich kann es kaum erwarten.

Du bist jetzt schon über 30 Jahre im Geschäft und machst reine Undergroundmusik. Hast du dir schon einmal überlegt, etwas kommerzieller zu denken? Mit etwas Massenkompatibleren mehr Geld zu verdienen?

Wenn ich Geld verdienen möchte, würde ich das nicht machen. Ich habe nie daran gedacht, mich oder meine Musik zu verkaufen. Wenn ich mehr Geld haben möchte, könnte ich Gitarrentechniker werden oder würde deren Söhne verkaufen, hahaha. Aber ich mache das, was ich liebe und ich habe immer gewusst, dass ich in meinen Bands kämpfen muss. Ich wusste immer, dass es hier kein Geld zu holen gibt und dass es auch harte Zeiten gibt.

Also können wir dich noch einige Zeit auf der Bühne bewundern?

Ich werde niemals ein „Mama, ich möchte nach Hause“ Typ werden. Ich kämpfe sicher weiter.

Die Frage hast du sicher öfters gehört, sie ist aber unvermeidlich: Unzählige Leute vergleichen dich mit Lemmy. Was denkst du darüber?

Das ist ein Riesenkompliment für mich. Mit Lemmy verglichen zu werden ist eine große Ehre. Er ist einer der intelligentesten Typen im Musikbusiness. Er ist einfach cool, ich mag seinen Stil.

Wenn es also ans Wettsaufen geht, wer würde dann gewinnen?

Oh shit, natürlich würde er gewinnen. Ich würde vielleicht einen Lügen-Wettbewerb gewinnen, hahaha. Er ist ein verdammt cooler Typ. Ich habe mit ihm beim PROBOT-Projekt mitgewirkt und wir haben ein Video gemacht. Er weiß, dass ich viel von ihm halte.


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