Interview: THE GRAVIATORS - Johan Holm & Niklas Sjöberg

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Wir lieben Musik und hassen Arbeit. „9 to 5“ – wer hat diesen Scheiß erfunden?

Die schwedische Doom-Nachwuchshoffnung THE GRAVIATORS lief der Stormbringer-Crew beim SAINT VITUS Gig in Graz eher zufällig vor das Mikrofon. Bassist Johan Holm und Sänger Niklas Sjöberg waren dabei so redselig, dass sie fast den Beginn ihres Gigs vergessen hätten.

Veröffentlicht am 19.12.2010

Also Jungs, erzählt uns doch mal etwas über THE GRAVIATORS.

Johan: Well, die Band wurde vor ca. zwei Jahren von unserem Sänger Niklas Sjöberg und einem ehemaligen Gitarristen gegründet. Sie haben ein paar Songs geschrieben und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, der Band beizutreten. Also bin ich von Göteborg nach Karlshamn in den Süden gezogen. Dort haben wir an neuen Songs getüftelt und nur ein Jahr später einen Vertrag bei Transubstands Records unterschrieben. Die haben unseren Sound wirklich geliebt.
Unsere Musik ist sehr heavy, aber stark genug, um auch mal ordentlich Gas zu geben. Die Leute mögen das. Auf dieser Tour sind wir vor allem in der Schweiz, England und Italien gut angekommen. Nachdem wir auf die Bühne kamen, bewegten sich die Menschen von den Bars zur Konzerthalle und das schätzen wir natürlich. Mit Niklas haben wir ja auch einen verdammt guten Sänger. Der Sänger ist der wichtigste Bestandteil einer Band. Wenn er nicht gut ist, hast du ein Problem. Wir haben in Südschweden lange nach einem Sänger gesucht, bis wir den jüngeren Bruder unseres besten Freundes trafen. Und nun sind wir sehr glücklich, zusammen zu spielen. Auch am Schlagzeug haben wir den „Jüngeren“, weil unser erster Drummer nicht live spielen wollte.

Also habt ihr einfach die Alten aussortiert?

Johan: Yeah, haha, das kann man wohl so sagen.

Warum macht ihr eigentlich diesen doomigen, massiven Sound? Warum gerade dieses Genre?

Johan: Wir sind alle mit BLACK SABBATH aufgewachsen. Sie sind unser Haupteinfluss. Unser Gitarrist Martin Fairbanks macht den Hauptteil unseres Songwritings. Niklas und ich sind dann für die Lyrics zuständig.

Niklas: Ich schreibe auch die Musik.

Johan: Ja, ich schreibe auch Musik, aber Niklas ist damit meistens überhaupt nicht zufrieden, haha. Die ist ihm zu verrückt, da ist einfach zu viel Weed darin, haha. Also bleibe ich besser bei den Lyrics. Aber ja, BLACK SABBATH sind unser Haupteinfluss.

Niklas: CANDLEMASS.

Johan: Natürlich auch CANDLEMASS. Wir lieben natürlich auch SAINT VITUS. Niklas hat ein Mail an die Booking-Agentur geschickt und sie fragten uns, ob wir nicht bei der Tour dabei sein möchten. „Hell yeah“! Von da an lief alles perfekt.

Niklas: Der Chef unseres Labels ist ein Riesenfan von SAINT VITUS.

Johan: Stimmt. Das ist gut für uns, denn dadurch bekommen wir jetzt mehr Geld, haha.

Niklas: Wir hatten auch das Glück, mit Thomas Tjäder (IN FLAMES, SOILWORK) ein Video drehen zu können. Er ist ein guter Freund und daher ist die Produktion nicht so teuer. Das erleichtert natürlich einiges.

Johan: Das ist übrigens unsere erste Tour überhaupt. Wir müssen uns natürlich beweisen, es ist eine große Chance für uns. Jeder einzelne der uns sieht, ist schließlich ein potenzieller Fan. Wir hoffen natürlich, dass wir den Leuten zusagen und sie unsere Alben kaufen. Völlig egal ob gleich hier oder später. Aber sie sollten sich denken: „Aaah, THE GRAVIATORS. Die kenne ich doch…“

Wie verläuft die Tour denn bislang so für euch? Kommen viele Leute zu den Shows?

Johan: Wirklich gut, wir sind sehr glücklich. In England war wirklich viel los. In Frankreich waren vielleicht 300 Besucher, in der Schweiz etwa 200. Die vielleicht mieseste Show war gestern in Vicenza. Weder wir, noch SAINT VITUS haben irgendeine Reaktion vom Publikum erhalten. Sie sind nur herumgestanden. Es war Samstag! Da sollte man doch Bier trinken…

Niklas: Ich habe ihnen auch gesagt, dass sie trinken sollen!

Johan: …aber sie haben es nicht gemacht. Der vorherige Gig in Parma war wirklich toll. Es war eine sehr kleine Location.

Niklas: Es war, als ob du auf dem „Stairway To Heaven“ bist.

Johan: Haha, ja. Die Bühne war sicher 1,50m hoch. Die Leute vor der Bühne müssen angesichts dieser Höhe ja eine Genickstarre oder sowas bekommen haben. Aber die Tour sollte uns zumindest zu einer Booking-Agentur bringen. Ohne eine Booking-Agentur kannst du weder an Festivals teilnehmen, noch ordentlich touren. Wir wollen uns den Agenturen natürlich präsentieren.

Seid ihr schon für diverse Festivals im Sommer im Gespräch?

Johan: Bis jetzt noch nicht, aber es gibt vor allem in Deutschland sehr interessante. Letztes Jahr war das Roadburn Festival an uns interessiert, aber wir haben doch tatsächlich vergessen auf unserer Website hinzuschreiben, wie man uns direkt kontaktieren kann. Also haben sie unser Label angeschrieben, im Endeffekt war aber alles zu spät. Aber wir haben schon bei ein paar Festivals in Schweden gespielt.

Niklas: Beim Sweden Rock zum Beispiel.

Johan: Es ist ja ein kleines Land. Wir haben nur neun Millionen Einwohner. Es gibt bei uns ja eigentlich nur drei Städte, wo du spielen kannst.

Aber ihr habt in Schweden eine riesige Metalszene. Österreich hat auch acht Millionen Einwohner, aber da geht es bei Weitem nicht so ab. Was macht ihr da besser als wir?

Johan: Acht Millionen? Nicht mehr? Wow… Wir haben erst unlängst darüber gesprochen. Es liegt sicher daran, dass Schweden ein ziemlich reiches Land ist. Wir haben viele Jugendzentren, wo immer Instrumente herumstehen und die Kids abhängen. Es ist also ziemlich leicht, in Schweden ein Instrument zu erlernen. Das Problem liegt wohl daran, dass der Rest der Welt nicht solche Möglichkeiten bietet.

In Österreich gibt es auch immer weniger Geld für Kunst und Kultur.

Johan: Es geht in Schweden aber auch abwärts, wir werden eigentlich immer ärmer. Du weißt ja, wir folgen den großen USA, haha. Jeder will ja wie die USA sein. Entweder du wirst verdammt reich oder bettelarm, haha.

Ihr habt ja bestimmt alle Jobs oder seid in Ausbildung. Wie geht sich das zeitlich alles aus?

Johan: Unser Drummer Henrik Bergman hat einen Full-Time Job. Wir anderen arbeiten halbtags in Spitälern, als Kindergärtner oder in einer Fabrik mit „stainless steel“, haha. Wir brauchen das Geld natürlich um die Studioaufenthalte zu bezahlen. Unser nächstes Studio wird ziemlich teuer. Du brauchst gewisse Namen wie eben Thomas Tjäder oder Vance Kelly (WITCHCRAFT, DOWN), der auf unserem bald erscheinenden Double-Vinyl das Cover gezeichnet hat.

Niklas: Er fertigt auch das Cover für die Neupressung unserer CD.

Johan: Es wird großartig! Das gesamte Artwork ist wie eine Art Poster. Er wollte etwas wirklich Spezielles machen und wir schätzen uns natürlich glücklich, dass dafür ausgerechnet wir ausgewählt wurden. Wir haben für das Vinyl auch ein anderes Label.

Niklas: Wir hatten vier oder fünf Label an der Angel, aber keines wollte eine Double-Vinyl machen. Das kam für uns aber nicht infrage.

Euer selbstbetiteltes Debütalbum hat jetzt auch schon ein Jahr auf dem Buckel. Plant ihr schon das Nächste? Gibt es da schon Spruchreifes?

Johan: Ja, wir haben schon sieben Songs geschrieben. Wir müssen noch ein paar mehr schreiben, dann sieht es damit schon gut aus.

Niklas: Wir haben auch eine Split mit unseren Labelkollegen BRUTUS.

Johan: Wir können aber noch nichts über das Release-Date sagen. Wir haben auf jeden Fall einen 14-minütigen Song eingespielt. Martin und ich wollen unseren Sound immer weiterentwickeln. Wir spielen einfach ziellos dahin und bündeln die Ideen, die uns dabei kommen. Eben dieser Song besteht eigentlich aus zwei Jam-Sessions. Wir haben gestern in Vicenza gespielt und die Italiener scheinen ihn gemocht zu haben. Er ist sehr progressiv geraten. Wir entwickeln uns stetig, aber auch sehr langsam.
Du kannst kein Doom-Album raushauen und dann eine völlige Stiländerung vollziehen. Dann werden die Fans dein erstes Album lieben und das Zweite als „scheiße“ beschimpfen. Wir werden vielleicht eine EP vor dem Album veröffentlichen und wir hoffen, dass das Album noch vor dem Sommer erscheinen wird. Wenn du ein Album gegen Jahresende veröffentlichst, interessiert sich die Presse kaum dafür. Erst im Jänner fangen die „wow, ein neues Album von der und der Band“ Jubelarien wieder an.

Im Dezember werden die Journalisten aber auch alljährlich mit Best Of’s und Livemitschnitten bombardiert.

Johan: Eben. Wir hoffen aber den Zeitplan einhalten zu können. Wir haben noch keinen neuen Vertrag unterschrieben, aber es sollte alles gutgehen. Grünes Licht für ein neues Album haben wir jedenfalls bekommen.

Was denkst du, welche Möglichkeiten ihr mit THE GRAVIATORS in der Doom-Szene habt?

Johan: Wir hoffen natürlich, dass wir nach ein paar Hundejahren irgendwann von der Musik leben können. Reich wirst du natürlich nicht, aber wir möchten dann unsere Jobs aufgeben. Mit den Alben und häufigem Touren sollte sich das ausgehen. Ansonsten möchten wir zumindest ein eigenes Studio besitzen, um auch weiterhin Musik zu machen. Wir lieben Musik und hassen Arbeit. „9 to 5“ – wer hat diesen Scheiß erfunden? In einer Fabrik… shit man. Ich würde verrückt dabei werden, nach fünf Minuten in der Arbeit auf die Uhr zu sehen und draufzukommen, dass eben doch noch keine fünf Stunden vergangen sind…
Das Downloading erschwert natürlich alles. Wir sind aber nicht dagegen. Download, Download, Download – auch ich lade herunter, kaufe mir aber die guten Alben. Bei der neuen METALLICA habe ich das natürlich nicht gemacht, die wird wieder verworfen.
Aber wenn eine Band wie SAINT VITUS ein neues Album herausbringt, will ich es kaufen. Und ich will es als Vinyl. Vor Kurzem habe ich ein paar Kids beobachtet und sie sprachen von „der originalen CD, die ich hier habe“. Originale CD? Original kann nur Vinyl sein. CDs sind nicht dasselbe… aber vielleicht werden wir einfach nur alt?

Vinyl kannst du vor allem im Metalbereich eigentlich immer verkaufen.

Johan: Auch die Hard Rock Fans lieben Vinyl und das ist gut. Die großen Bilder, das haptische Gefühl, du fühlst die Musik im Raum. Jeden einzelnen Klang, irgendetwas lebt im Raum.

Letzte Frage: Welche Ziele verfolgt ihr für 2011? Habt ihr schon weitere Touren fixiert?

Johan: Wir legen den Fokus erst einmal auf diese Tour mit SAINT VITUS, um eine Booking-Agentur an Land zu ziehen.

Niklas: Naja, wir haben ja schon eine.

Johan: Ja, aber wir haben noch nichts unterschrieben, also ist in dieser Sache noch nichts geklärt. Das ist zurzeit unser Hauptziel. Wir möchten dann natürlich auch im Sommer einige Festivals spielen, mit anderen Bands in Kontakt kommen. Der Sommer ist so angenehm, im Winter ist es immer so verdammt kalt, hahaha.

Aber ihr seid aus Schweden. Ihr solltet eigentlich kein Problem damit haben.

Johan: Sollten wir ja, aber…. brrrrrrr, haha

Niklas: Wir mögen aber auch keine Pinguine…


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