16.07.2009 - 18.07.2009, Spital am Semmering

KALTENBACH OPEN AIR Part II

Text: nagelfar | Fotos: Mika
Veröffentlicht am 29.07.2009

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Neues Gelände, neue Möglichkeiten. Oder wie in diesem Fall, Gelegenheit, ein Festival unter Extrembedingungen zu erleben. Mit Niederschlägen konnte man dank Wetterbericht rechnen, auf derartigen Starkregen optimal vorbereitet zu sein, ist jedoch ein anderes Kapitel. Bot der angrenzende Fluss den hitzegeplagten Besuchern am Freitag noch eine willkommene Abkühlung, verwandelte sich dieser bereits am Samstagvormittag in einen dunkelbraunen Strom, der nur knapp vorm Übergehen war. Das Festival- und Campinggebiet, direkt in und an einem Hochwasserauffangbecken gelegen, kann man unter diesen Umständen alles andere als optimal gewählt bezeichnen. Die provisorischen Bretter über das kleine Bacherl, das die Zeltplätze teilte – am Freitag noch passierbar – wurden zu einer gefährlichen Rutschpartie und erforderten einen abenteuerlichen Balanceakt. Der Weg vom Campingeingang bis zum Bühnengelände verwandelte sich in einen Wasser- und Schlammgraben, der von Organisationsseite hartnäckig ignoriert wurde. Beim Rundgang über den Campingplatz wurde offensichtlich, dass die wenigsten Zelte derartige Wassermassen vertragen, wie sie der Himmel über den Bergen stundenlang ausspuckte. Da wundert es nicht, dass bereits am Samstagnachmittag etliche Besucher wieder abreisten. Outfitmäßig gaben sich die verbliebenen hartgesottenen Besucher flexibler. Zweckentfremdete Müllsäcke als Stiefelschutz oder gleich als Ganzkörperoutfit waren allerorts zu sehen und im fünf Minuten entfernten Supermarkt (sehr praktisch!) in Kürze ausverkauft. In dem neuen, riesigen Bühnenbereich verteilte sich das Publikum weitläufig wodurch dieser für manche Bands zu groß dimensioniert wirkte. Da nach jetzigem Stand das Festival nächstes Jahr jedoch nicht mehr auf diesem Platz stattfinden wird, erübrigt sich jede weitere Diskussion.



LOST DREAMS

haben so oft die Besetzung gewechselt wie Michael Jackson seine Nasenspitze. Fast ein Fluch möchte man meinen und umso erstaunlicher, dass die Tiroler nicht nur regelmäßig Konzerte geben sondern mit „End of Time“ eines DER Alben 2008 vorgelegt haben. Naturgemäß lag dann auch die Betonung auf diesem Album und Neosänger "Schleifi" konnte beweisen, dass er nicht nur in tiefen Growls sondern auch keifenden Screams zu Hause ist. Mehr noch als auf der CD merkt man live den starken Einfluss, den AMON AMARTH besonders auf "Schleifi" haben dürften, der teilweise wie ein etwas dünn (rein körperlich natürlich) geratener Johan Hegg wirkt. Trotzdem darf man nicht das große Talent übersehen, dass in dieser Band schlummert – vor allem was das Songwriting betrifft. Einige der Riffs fräsen sich mehr als hartnäckig in die Gehörgänge und so wundert man sich (immer wieder auf’s Neue…) warum manch österreichische Band (inter)national nicht erfolgreicher ist.



OUTRAGE

konnte man zuletzt am STP Metal Weekend begutachten und war deshalb gespannt, wie sich die ständigen Lineupwechsel auf das Bandgefüge ausgewirkt haben. Kollege Reini hat die Band mal als "Weizer Groove Maschine" irgendwo zwischen SIX FEET UNDER und BOLT THROWER eingeordnet - ein passender Vergleich. Technisch sehr ausgereift und groovig ohne Ende, prügelte man sich durch die Setlist, ohne dabei das Publikum aber wirklich begeistern zu können. Lag wohl an der Hitze, denn bei gefühlten 40 Grad nutzten die Besucher jedes kleine Stück Schatten um die Darbietung ohne Hitzeschlag zu überleben. Ein solider Auftritt, so wirklich gezündet hat es aber leider nicht.

DARK FORTRESS

Nach 2004 gab sich die deutsche BM-Fraktion ein zweites Mal die Ehre, diesmal auch mit weniger Peinlichkeitsfaktor – was auch an dem seit 2007 für die Vocals verantwortlichen Frontmann Morean liegen mag. Wie bestellt verschwand just zu Setbeginn die Sonne hinter den Wolken und so blieb auch das Corpsepaint heil und auch der Gitarrist, welcher in voller Ledermontur inklusive langem Ledermantel auftrat, dürfte sich gefreut haben. Optisch wie musikalisch übte man sich in bewährten Posen, der Auftritt wirkte so leider etwas seelenlos runtergeprügelt und ohne die notwendige Durchschlagskraft. Der gerade am Ende des Sets durchscheinende SATYRICON-Einschlag (besonders bei der letzten Nummer „Baphomet“) schien beim Publikum aber doch recht gut anzukommen.



MELECHESH

Nachdem DYING FETUS leider aufgrund Mr. President’s Flughafensperre nicht aus den USA ausreisen konnten und ihren Auftritt in letzter Sekunde canceln mussten, verlängerten auch MELECHESH ihr Set. Von den Live-Qualitäten der selbsternannten „Mesopotamian Metal Masters“ konnte man sich ja bereits vergangenes Jahr im Viper Room überzeugen, auch wenn die dort dargebotene Klasse nicht ganz wiederholt werden konnte. Dennoch ging ordentlich die Post ab, der eigenständige Black-/Thrash-Mix blieb auch live unverkennbar und einzigartig, auch wenn die orientalischen Einflüsse soundtechnisch etwas untergingen. Die Hammer-Nummer „Rebirth of the Nemesis“ sparte sich das Quartett bis zum Schluss auf, um die Zuseher zufrieden DARK TRANQUILLITY zu überlassen. (Anmerkung Nagelfar: Den Lichttechniker hätte ich allerdings gerne einen seine Crowdblinder fressen lassen. Sowieso schon eines der nervigsten Werkzeuge dieser Zunft, setzte dieser sie so exzessiv ein, dass mir, als Kontaktlinsenträger, die Tränen nur so aus den Augen flossen. Ich möchte hier einen legendären Stagerider zitieren: „You know in the older days, when knights were bold and the normal club lighting system was three flaming torches made out of sticks, peasant rags and animal fat, lighting designers used to use these things called "washes". ...We-eell. That's what we want, really.“)

DARK TRANQUILLITY

kann man sicher als Veteranen des Melodic Death bezeichnen, die schwedisches Todesblei in den letzten fast zwei Jahrzehnten(!) aus der Taufe gehoben und großgezogen haben. Vielerorts wird zwar mittlerweile gemeckert, dass Melodic Death sowieso nicht mehr das ist, was es mal war und sich selbst überholt hat – wenn man aber von der absolut energiegeladenen Performance in dieser lauen Sommernacht ausgehen kann, dann ist die Band noch nicht bereit, den Löffel abzugeben. Besonders sympathisch dabei wieder Frauenschwarm Mikael Stanne der wie aufgezogen auf der ganzen Bühne herumhetzte, und fast jede Textzeile mit einem anderen Gesichtsausdruck unterstrich. Hochdramatisch auch die immer wieder geballte Faust und die im knien vorgebrachten Teile - ein Showman der Extraklasse. Auch spielerisch bewegte man sich wieder mal in der Topliga, wobei es besonders Fans der früheren Generation gefreut haben dürfte, dass auch ältere Stücke gespielt wurden. Summa summarum nicht nur ein mehr als würdiger Headliner sondern auch der perfekte Abschluss von Tag 1.



EVOCATION

„Let’s get warm, let’s get hot together!“ – Mit Aufforderungen wie dieser versuchte EVOCATION-Frontman Thomas Josefsson am frühen Samstagabend großteils vergeblich das durchnässte Publikum aufzuheizen. Dafür besaß der Durchschnitts-Death der Schweden an diesem Tag einfach zu wenig Überzeugungskraft. Da waren sogar noch die teilweise sehr originellen Plastiksackerl-Regenschutz-Kreationen der Besucher spannender.

ABSU

Mit ABSU kommt die Sonne raus! Die Amerikaner legten los und das Gebotene stellte eine willkommen Abwechslung zu den Vorgängern EVOCATION dar. Musikalisch wie optisch ein erfrischendes Black Metal-Set, das zu überzeugen wusste. Positiv herauszuheben ist der „singende“ Drummer (Anmerkung: Was für ein Psycho! Ganz großes Kino war das!) – derartiges sieht man selten, auch wenn die geschwurbelten, unverständlich gekeiften Ansagen à la „this is an audial exhibition of mythological occult metal“ eher zur unfreiwilligen Komik beitrugen. Sehr beeindruckend aber der elendslange markerschütternde Schrei, den Proscriptor gegen Ende des Sets durch die Berge sandte. Alles in allem ein tadelloser Auftritt.

THYRFING

Auf THYRFING durfte man besonders gespannt sein. Nicht nur weil sich diese Band seit Jahren gekonnt in einem Spannungsfeld zwischen Pagan- und Vikingmetal bewegt und mit "Urkraft" sicher eines der besten Alben in diesen Genres hervorgebracht hat, sondern auch, weil zusammen mit Jens Rydén (Ex-Naglfar) das 2008er Album "Hels Vite" erstmals(?) in Österreich präsentiert wurde. Dabei gaben sich THYRFING gewohnt majestätisch, teilweise fast schon doomig. Das "neue" Material kommt Rydén sicher mehr entgegen als die alten Sachen und so konnte man auch über ein paar gesangliche Unsicherheiten hinwegsehen. Rein stimmungsmäßig war dieser Auftritt nämlich der perfekte Kompromiss zwischen ABSU und BELPHEGOR. Gerade Rydéns schon von NAGLFAR bekannte Screams passen perfekt zu den stampfenden Rhythmen seiner Mitmusiker was sich gerade bei Songs wie "Griftefrid" oder "En Sista Litania" bemerkbar macht. Schade nur, dass viele Leute schon abgereist sein dürften, denn diese Band hätte sich auf jeden Fall mehr Zuschauer verdient!

BELPHEGOR

An BELPHEGOR scheiden sich seit jeher die Geister: Die einen halten die Salzburger für überbewertete Proleten, die anderen für die beste und kultigste Erscheinung im österreichischen Metal. Unabhängig davon steht fest, dass sie mit ihrer einzigartigen Black/ Death-Mischung in einer eigenen Liga spielen – und das als eine der wenigen Österreicher auch international. Bei Live-Darbietungen ihrer blasphemischen Highspeed-Botschaft scheiterten BELPHEGOR leider schon oft an grottigem Sound. Auch beim diesjährigen Kaltenbach war die Mischung nicht optimal (gerade anfangs zu laute Bassdrum und zu leise Gitarren), dennoch verfehlten Songs wie „Hell’s Ambassador“ oder „Lucifer Incestus“ ihre Wirkung nicht. Für Irritation sorgten nur die anfangs englischsprachigen Ansagen, doch schon bald wechselte Oberbelphegöre Hellmuth wieder zu seinen typischen Trademarks: Schweinegrunzen und „Fuck, ficken ihr Fucker“-Animationsversuche im tiefsten Salzburger Dialekt. Davon kann man halten, was man will – unterhaltsam ist es allemal und das gehört einfach zu jeder BELPHEGOR-Show. Bei der Songauswahl beschränkte sich die Truppe hauptsächlich auf die letzten drei Werke Bondage Goat Zombie („Justine: Soaked in Blood“, „Stigma Diabolicum“), Pestapokalypse VI („Seyn Todt in Schwartz“, „Hell’s Ambassador“) und Goatreich Fleshcult („Swarm of Rats“) – einzige Ausnahme der Titeltrack der ’03er Scheibe Lucifer Incestus. Bei einem derartigen Output (drei Alben in vier Jahren) bleiben dabei zwangsläufig persönliche Liebhaberstücke wie „Necrodaemon Terrorsathan“ oder „Diabolical Possession“ auf der Strecke. Angesichts der grandiosen Darbietung gab es aber nichts zu meckern: Mit nur wenigen Verschnaufpausen („Sepulture of Hypocrisy“) fegte das dichte Blastbeat-Programm die anhaltende Kälte hinweg und mit „Bondage Goat Zombie“ war die Show auch leider viel zu schnell wieder vorbei. Für mich eindeutig das Highlight des Festivals.



EINHERJER

Noch vollkommen gepusht durch die Wucht von THYRFING und das absolute "Bläg Mädal" Inferno BELPHEGORs haben EINHERJER dann wenig Eindruck hinterlassen. Irgendwie merkt man, dass die Band ihren Höhepunkt Ende der 90er hatte und mit "Blot" ein eher durchschnittliches letztes Album vorzuweisen hat. Gerade bei der heutigen Schwemme an Viking/Pagan Bands reichte die gezeigte Leistung kaum, um irgendjemanden aus dem warmen Partyzelt zu locken. Damit schien im Publikum eher ein gewisser Nostalgiefaktor als echte Begeisterung vorzuherrschen. Ob das allerdings nicht doch an den nun wirklich frostigen Temperaturen von gefühlten 5 Grad lag, sei dahingestellt – den vorletzten Platz im Billing haben EINHERJER meiner Meinung nach jedenfalls nicht verdient.

AMON AMARTH

Vor allem nicht wenn man den darauf folgenden Auftritt von AMON AMARTH fair und und objektiv betrachtet. Fair und objektiv deshalb, weil die Band mit ihren ständigen Touren und geschätzten eine Million Österreich-Terminen mittlerweile so einen Sättigungsgrad erzeugt hat, dass manche Leute (und auch Fans(!)) bei der bloßen Erwähnung die Augen verdrehen. Nichtsdestotrotz: Wo BELPHEGOR mit purem Geknüppel punkten konnten, bewiesen AMON AMARTH, warum sie immer noch zur obersten Referenz in ihrem Genre gehören. Spielfreudig wie selten zuvor gesehen und mit ordentlich Rrrrums rockte man sich durch eine wenig überraschende aber grundsolide Setlist, die augenscheinlich alte und neuere Fans gleichermaßen zufriedengestellt haben dürfte. Respekt auch von meiner Seite, die wieder zahlreicher auch VOR der Bühne (und nicht nur dahinter im Backstagezelt) vertretenen Zuschauer zum Mitmachen in Form von HandindiehöhehaltenundFaustmachen und Mitsingen überzeugen zu können – keine leichte Aufgabe bei diesen Temperaturen und um diese Uhrzeit! Beeindruckend auch Mr. Hegg, der seine Posen mittlerweile so perfektioniert hat, dass er in fast jeder Situation wie ein absoluter Hüne wirkt. Nur gut, dass er das bauchfreie Shirt diesmal weggelassen hat! Nicht minder motiviert die restlichen Kollegen, hier merkt man einfach die Routine, die diese Band mittlerweile hat. Das finale "Death in Fire" erklang dann auch erst weit nach 02:00, womit die zufriedenen aber durchgefrorenen Besucher schlussendlich doch noch glücklich und zufrieden in ihre Zelte (oder Backstage/ in's Partyzelt) wanken konnten!

FAZIT:

Trotz der extremen Wetterumschwünge war es heuer eines der lustigsten und kurzweiligsten Kaltenbach-Festivals, welches wir dank eines guten Zelts sogar trotz undichter Schuhe und Jacke halbwegs trocken überstanden haben. Musikalisch abwechslungsreich und größtenteils guter Sound im malerischen und familiären Ambiente – was will man mehr! Da fällt es dann auch leichter, über gewisse organisatorische Mängel hinwegzusehen, vor allem, weil sich die Organisatoren in einem sehr umfangreichen Statement zu den Beschwerden äußern, nicht selbstverständlich! (Nachzulesen auf: http://www.kaltenbach-openair.at) Man darf gespannt sein, ob und wie das Kaltenbach-Festival im nächsten Jahr stattfinden wird, wenn man aber das Geländeproblem in der Griff bekommt und ein ähnlich hochqualitatives Lineup wie in den letzten Jahren auf die Beine stellt, ja dann steht der wohl besten Metal Party Österreichs auch 2010 nichts im Wege!

Gastautorin: Appolonya


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