18.09.2009, Mehrzweckhalle

RAGE COMES OUT feat HEAVEN SHALL BURN

Veröffentlicht am 20.09.2009

Als trüb und verregnet erweist sich das Wetter an diesem Freitagabend in der nördlichen Oststeiermark. Für den letzten großen Kickside-Event im Jahre 2009 wurde die riesige Mehrzweckhalle in Kaindorf ausgewählt, die gut und gerne Platz für weit über 1000 Leute bietet. Headliner dieses Abends unter dem Namen RAGE COMES OUT ist niemand geringeres, als die unerreichten Größen der teutonischen Metal/Hardcore Welle HEAVEN SHALL BURN. Auf internationale Vorbands wurde dieses Mal verzichtet, die Kickside Jungs geben der heimischen Undergroundszene die Chance, sich vor großem Publikum ins Rampenlicht zu spielen. Stilecht wurde in den Wochen zuvor auch eine Competition veranstaltet, um aus zehn teilnehmenden Bands die vier Stärksten mit einem Auftritt vor HEAVEN SHALL BURN zu belohnen.

Begonnen wird der bunte Reigen – etwas zeitverzögert – um 19:30 mit den Leibnitzer Deathcorelern

FOREVER IN DECAY

, die sich mit einem explosiven Auftritt bei der Ausscheidungsshow souverän durchsetzen konnten. Die Halle ist zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht voll gestürmt, was die fünf Südsteirer aber nicht davon abhält, dem anwesenden Publikum ordentlich einzuheizen. Fronttier Andi erweist sich ein weiteres Mal als Motivator allererster Güte und kann die wenigen, aber umso engagierteren Frontmosher von Beginn weg zu kollektiver Bewegung animieren. Die Bühnenagilität der restlichen Combo wirkt allerdings etwas verhalten, da haben die Burschen schon bessere Tage gehabt. Nichtsdestotrotz haben FOREVER IN DECAY mit Nummern wie dem Brutalo-Brocken „Cancerbreed“ ihren Status als hoffnungsvolle Deathcore-Band der Zukunft ein weiteres Mal untermauert. Die Kurve zeigt steil nach oben. Die nächste Akustikvollbedienung kommt aus dem benachbarten Niederösterreich und tauft sich

DEATH MENTALITY

. Die Jungs bieten eine interessante Mischkulanz aus Thrash Metal, dezent eingestreuten Hardcore-Sprengseln und einer kleinen, aber feinen Spur Todmetall. Liveerfahrung konnte der Fünfer bereits zur Genüge sammeln, dementsprechend routiniert und abgebrüht wirkt auch das Stageacting. Der Ausschank von Whiskey an die geifernd-sabbernde Meute trägt natürlich das Seine zur Sympathiesteigerung bei. Die Gitarrenriffs wirken live wirklich gut einstudiert und bilden das thrashige Grundgerüst der vielseitigen Truppe. Bewegungsgewalt fördernde Moshparts werden nur marginal eingesetzt, die Hauptrolle wird dem walzend-rollenden Sound zuteil, der sich als willkommene Abwechslung dieses heutigen Paketes erweist.

Aus dem ach so sonnigen Kärnten erschallen den Anwesenden in der riesigen Mehrzweckhalle so gar keine sonnigen Klänge. Die Wolfsberger

SCARS OF DISPARAGEMENT

prügeln eine grandiose Melange aus melodischem Metalcore und breakigem Hardcore von der Bühne, der an diesem Abend die ersten Moshkiddies vor die Bühne lockt. Trotz knapp zweijährigen Bestehens mit ausreichender Bühnenerfahrung gesegnet, wissen SCARS OF DISPARAGEMENT genau, wie man einer abwartenden Menschentraube Feuer unter dem Hintern legt. Songs wie „Beauty Fades“ oder „Extinguish The Aboulic Ones“ könnten als Adoptivkinder von AS I LAY DYING durchgehen und wissen sich mit zweistimmigen Gitarrenläufen und einem unglaublich agilen und gut aufgelegten Sänger zu präsentieren. Hier regiert kontrollierte Gewalt – man verliert sich niemals in langweilig werdenden Standardisierungen, sondern wechselt herbe Brutalität gekonnt mit kopfwippender Melodic-Death Schlagseite. Ein weiterer starker Auftritt der Südösterreicher, denen man auf jeden Fall mehr Liveauftritte wünscht! Die vierte Band dieses Abends ist auch gleichzeitig die Letzte, die sich durch die beinharten Mühlen der Vorqualifikation quälen musste. Die Knittelfelder Brachial-Mannschaft von

PANDORA’S DAWN

betritt die Bühne, um sie sogleich in Schutt und Asche zu legen. Nach langzeitig drehendem Besetzungskarussell scheint man die richtige Mixtur gefunden zu haben und legt den bislang energischsten und überzeugendsten Auftritt aufs Parkett. Der unglaublich druckvolle Sound tut das Seine, um PANDORA’S DAWN zu Gewinnern dieses Abends zu machen. Der immens brutale Metalcore mit überdeutlicher Death Metal Schlagseite überzeugt auf allen Linien und bringt die Halle zum Beben. Frontmann Gustl scheint Aktivität erfunden zu haben, läuft, kreischt und grunzt sich die Seele aus dem Leib. Passend eingestreute Gitarrensoli, melodiefördernde Mid-Tempo Parts und die unglaublich druckvollen Moshparts sorgen für zuckende Leiber. „My Hate Will Darken The Skies“ oder das unschlagbare „Determination“ zeugen von großer Zukunft. Heiße Show, die man nur mit zwei erhobenen Daumen bewerten kann!

Nach dieser Gewaltpackung an verschiedensten Core-Zutaten wird der gute alte Metal hochgepriesen. Die heimische Thrash-Combo

SOLE METHOD

schickt sich an, um auch die langmähnigen in der großen Zuschauermasse zu befriedigen. Als erschreckend nerv tötend erweist sich allerdings von Beginn weg der Sound. Die Tontechnik funktioniert bei den vier Steirern überhaupt nicht, vor allem Gitarrist und ZAKK WYLDE Lookalike Michi hat mit den problematischen Unstimmigkeiten zu kämpfen. Markdurchdringend schrill tönen die Laute aus den schlecht gemischten Boxen, die an und für sich fetzige Thrash-Kante SOLE METHOD’s geht in diesem Soundwirrwarr leider völlig unter. SOULFLY, DEVILDRIVER oder SLIPKNOT – die steirischen Eichen verpacken sämtliche Zutaten zu einem homogenen Ganzen, garnieren den metallischen Druck mit spartanisch aber passend eingesetzten Sprechgesangspassagen. Die zahlreichen Fans lassen sich von der akustischen Apokalypse nicht beeindrucken und feiern ihre Heroen gebührend ab. Großartige Liveband, die der äußerlichen Umstände wegen heute leider unter ihrem Wert präsentiert wird.

Die stundenlange Wartezeit wurde mit zukunftsträchtigen Bands wunderbar verkürzt, dennoch bricht die erwartete Hölle erst los, als sich die Recken von

HEAVEN SHALL BURN

zum Soundcheck gen Bühne bewegen. Wer die Thüringer bei einem ihrer zahlreichen Livekonzerte schon mal gesehen hat, weiß auch genau was ihn erwartet: hochexplosive Shows, unvergleichbar sympathische Interaktion mit dem Publikum, völlige Energiefreisetzung und instrumentale Topleistungen nahe der Perfektionsgrenze. Dabei gibt’s zu Beginn gleich mal einen Schuss vor dem Bug – Bassist Eric fällt berufsbedingt aus. Kein Problem: HEAVEN SHALL BURN lösen dieses Problem wieder mal in einzigartiger Weise und lassen das Publikum selbst ans Werk. Brüllhals und Sympathieträger Marcus lässt interessierte und motivierte Fans zur Tat schreiten – bei jedem Song darf sich ein Anhänger den Viersaiter um den Hals hängen, um höchstpersönlich für einige Minuten mit seinen Heroen zu zocken. HSB verzaubern die riesige Halle mit vertonter Brutalität – man steht nachwievor alleine und souverän auf dem höchsten Podest der Melodic Death/Metalcore Schiene und lässt sich dort auch von der wachsenden Konkurrenz nicht stören. Alexander und Maik’s Flitzefinger auf den Gitarren kombinieren sich mit dem treibendem Drumming Matthias‘ und den intensiv-aggressiven Vocals von Frontmann und Anpeitscher Marcus, der die ohnehin völlig im Sound aufgehende Crowd zu immer höheren Leistungen antreibt. Gut und gerne 250 Anhänger der erfreut aufspielenden Teutonenmannschaft moshen und bangen sich die Seele aus dem Leib. Unzählige Circlepits, hoch gestreckte Pommesgabeln, schweißförderndes Pitgehüpfe und die unvermeidliche, aber gewaltig dargebotene Wall Of Death bezeugen die einzigartige Magie, die HSB auszustrahlen wissen. Shouter Marcus geht voll auf, lässt sich durch den Saal tragen, gibt Geburtstagswünsche weiter und punktet in gewohnter Weise mit der unvergleichbaren Publikumsnähe. Bei gnadenlosen Genickbrechern wie „Endzeit“, „Voice Of The Voiceless“, „Forlorn Skies“ oder dem Übersong „The Weapon They Fear“ kann niemand Ruhe bewahren. Ein Sturm der akustischen Gewalttätigkeit bricht über Kaindorf herein und hinterlässt nur verschwitzte Körper, völlig ausgepowerte Crowdsurfer und die Gewissheit, dass HEAVEN SHALL BURN in punkto Liveauftritte nahe der Perfektion agieren. Daran kann auch der teilweise miserable Sound an diesem Abend nichts ändern. Nach sieben Stunden auditiver Härte bleiben vor allem die allmächtige Aura HEAVEN SHALL BURN’s und der Tinnitus fördernde Sound in Erinnerung. Die Mehrzweckhalle in Kaindorf erweist sich platzmäßig als ideale Variante für große Veranstaltungen, der Sound schallt in dieser scheunenartigen Megahalle aber anstrengend und überlaut durch die Gehörgänge. Lässt man diesen Makel bei Seite, hat das KICKSIDE-Quartett bei ihrer letzten Sommershow in diesem Jahr aber wieder ganze Arbeit geleistet. Großartig vorbereitet und mit viel Hingabe organisiert, geriet das diesjährige RAGE COMES OUT wieder zu einem starken Event. Dass das Bier in der finalen Konzertphase ausgegangen ist, sollte zu so später Stunde verschmerzbar sein…


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