29.09.2009, Seifenfabrik

PAGANFEST 2009

Veröffentlicht am 30.09.2009

Das traditionelle

PAGANFEST

geht in seine nächste Runde und hat auch in diesem Jahr wieder seinen Weg nach Graz gefunden, genauer gesagt in die neue Metal-Backstube namens Seifenfabrik. Was an dieser Veranstaltung allerdings Pagan sein soll, muss wohl genauer hinterfragt werden, denn bis auf die thematisch ähnlich gelagerten Schweden UNLEASHED hat das diesjährige Billing nicht mehr viel mit der Veranstaltungsbezeichnung gemein. Viel mehr wirkt die knapp einmonatige Mittel-/Westeuropatour wie eine beliebige Zusammenstellung aktueller Trendgruppen, um den derzeitigen Hype des „Spaßmetals“ förderlich zu sein. Nichtsdestotrotz konnte die Starriege in deutschen Landen zuhauf für ausverkaufte Hallen sorgen und mit MOONSORROW und EINHERJER als zwischenzeitlich eingestreuten Gästen auch die thematische Schiene vollführen. In Österreich ticken die Uhren anders. Die erste der vier heimischen Shows auf steirischen Boden lockt geschätzte 400-500 Schaulustige an, die sich trotz ungünstiger Beginnzeit nicht vom Trinkhorn-in-den-Himmel-strecken Ritus abhalten lassen. Punkt 18.00 Uhr an diesem Dienstagabend beginnt der große Reigen mit den New Jersey Spaßthrashern

SWASHBUCKLE

, die mithilfe des derzeitigen Piratentrends und dem starken Album „Back To The Noose“ im Rucksack, bereits ordentlich abgefeiert werden. Die frühe Beginnzeit an einem Arbeitstag verhindert mein pünktliches Erscheinen, wodurch ich den sympathischen Rumsäufern nicht auf die Finger schauen kann. Frontkasperle Captain Nobeard und Konsorten kommen beim Publikum anscheinend gut an, Geschichten von Stoffpapageien und lebensgroßen Kostümen werden mir erzählt, während sich bereits die nächste Combo für ihren Auftritt vorbereitet. Der kanadische KATAKLYSM Bombast-Klon

EX DEO

ist im Zuge dieser Tour erstmals in europäischen Landen unterwegs, um historische Geschichten des alten Rom zu verbreiten. Bis auf den (zuhause gelassenen) Keyboarder ist die gesamte Mannschaft ident mit den nordischen Stakkatoprüglern. Neue Gesichter gibt es somit nicht zu bestaunen. Sänger Maurizio Iacono gewandet sich stilecht in eine römische Rüstung, samt attraktivem Rock und brav zurückgebundenen Haaren und wirkt in seiner Optik, wie die Musik in ihrer Akustik. Etwas lahm und unausgegoren, mit vielen Samples aber nur wenigen, treibenden Teilen kommen EX DEO im Gesamtkontext zwar gut an, können aber kein wirkliches Feuer entfachen. Die vorgegebene Thematik verlangt natürlich keine Rumpelstilzchen-ähnlichen Hüpfereien, etwas mehr Saft könnten die Frankokanadier aber schon in ihre Oden an die alten Tage legen. Somit bleibt ein durchwachsener Auftritt samt Hoffnung auf eine bald nahende KATAKLYSM-Show in Erinnerung… Nach kurzer Umbauphase geht’s dann aber gleich wieder in den schunkeligen Spaßbereich und dafür sorgen die schottischen Kielratten von

ALESTORM

. Vokalist Christopher Bowes – mittlerweile stilecht mit Vollbart ausgestattet – und seine muntere Trinkertruppe kann man bei dieser Tour ohne Umschweife schon im Voraus als Gewinner bezeichnen. Der unglaubliche Hype vermischt mit dem großartigen Album „Black Sails At Midnight“ garantiert förmlich den Klang knarzend zusammenkrachender Bierkrüge. Die Hitdichte bei nur zwei Veröffentlichungen ist beispiellos – die Schotten werden von einer frenetischen Menge bejubelt und spielen ihre rhythmischen Lieder wie „Captain Morgan’s Revenge“, „Nancy The Tavern Wench“, „Keelhauled“, „Black Sails At Midnight“ oder den grandiosen Bierkonsumförderer „Wolves Of The Sea“ mit sichtlicher Emotion und Freude, bringen sich selbst damit tosenden Applaus ein. Kurzweilig und mit unwiderstehlichen Melodien gesegnet, festigen sie ihren Nummer Eins Status auf Schottland’s Metallandkarte. Völlig aus dem eigentlichen Rahmen bricht dann die schwedische Todesmörtel-Armada

UNLEASHED

. Sänger Johnny Hedlund verkündet bereits recht früh, dass man heuer das 20-jährige Bandjubiläum feiert und am liebsten mit fliegenden Mähnen und völlig verschwitzten Körpern aus dem Auditorium beschenkt werden möchte. UNLEASHED sind nicht nur als einzige Band dieses Abends wirklich auf der heidnischen Schiene unterwegs, sie liefern dem Großteils jungen Publikum auch wahre Death Metal Ur-Hymnen, die nach anfänglicher Skepsis auch mit der verdienten Zustimmung aufgenommen werden. Von „Into Glory Ride“ über „Midvinterblot“ und „Hammer Battalion“ bis hin zur abschließenden Mitsinghymne „Death Metal Victory“ wird ein schöner Querschnitt über die verschiedenen Epochen der Karriere geboten. Dass diverse Klassiker, wie etwa „Before The Creation Of Time“ nicht gezockt werden, kann ob der vielen Todesstampfer der Schweden verkraftet werden. Starker Auftritt, aber im Gesamtpaket leider etwas fehlbesetzt. Der heimliche Headliner dieses Monsterpaketes folgt gleich nach den tief gestimmten Schwedengitarren. Niemand geringerer als

DIE APOKALYPTISCHEN REITER

beehren die steirische Landeshauptstadt nach längerer Abwesenheit wieder einmal mit ihrer einzigartigen Mischung aus wildem Metal und völlig abstrusem Bühnenschauspiel. Publikumsliebling und Sangesbarde Fuchs versteht es wie kein Zweiter, mit rollenden und gleichzeitig hochintelligenten deutschen Texten die völlig exaltierte Fanschar in seine Welt zu ziehen. Über die REITER kann man sagen was man will, auf den berühmten Brettern der Welt sind die Thüringer einfach eine Klasse für sich. Keyboarder Pest darf auch wieder im gewohnten S&M Aufzug mit der Peitsche über die Bühne wedeln, um bei den metallischeren Parts in seiner Rollstuhl/Schaukelmischung zu verweilen. Der Fokus der explosiven Show wird vor allem auf die neueren Werke gelegt: „Wir sind das Licht“, „Es wird schlimmer“ oder „Friede sei mit dir“ werden ertönt, ehe ein knapp einstündiger Gig mit dem Klassiker „We Will Never Die“ stilgerecht beendet wird. Live wie immer wuchtig und wirkungsvoll, auf einer größeren Bühne würden die Teutonen aber auch mehr Platz zur notwendigen Entfaltung bekommen. Der große Headliner des gewaltigen Tourpaketes ist somit ausständig und das wäre der finnische Spaßexpress

KORPIKLAANI

. Über die Rechtfertigung dieses Status könnte wohl für längere Zeit gestritten werden, zumindest die kommerziellen Erfolge der letzten Jahre sprechen für die Bärtigen aus dem Land der 1000 Seen. So richtig verdient haben die Nordländer den Headlinerposten aber nicht. Zu statisch und abgebrüht wirkt der emotionslose Auftritt des vielfältigen Sextetts. Waldschrat und Rastaträger Jonne Järvelä wirkt desinteressiert oder einfach nur berauscht, die energetischen Schübe samt Bewegungsfähigkeiten bleiben enttäuschender weise im Hintergrund, der Barde wirkt wie ein Fremdkörper hinter dem Mikro. Höhepunkte des sind das grandiose Geigenspiel von Jaakko Lemmetty und die inspirierend-irische Folkausrichtung: Metal läuft bei KORPIKLAANI ja schon seit längerem nur mehr im Hintergrund. Bassist und Altmeister Jarkko Aaltonen weiß die steinerne Routine mit schmunzelndem Gesicht und sichtlicher Spielfreude aufzulockern, im Großen und Ganzen bleiben die Bier vernichtenden Naturfetischisten weit unter dem Bühnenlevel der letzten Auftritte. An die explosiven und stimmungsfördernden Shows der REITER oder ALESTORM kommen die Geschichtenerzähler heute keinesfalls heran. Das PAGANFEST 2009 erweist sich für den Veranstalter fraglos als kommerzieller Erfolg, mit überdurchschnittlich starkem Fan-Catering (Kornspitz, Cappuccino, Toastkreationen) und einer bunt durchgemischten Genrekompilation. Weniger positiv waren die Unfreundlichkeit an der Kassa (samt Fotopass-Verweigerung für Digitalkameras) und der etwas schale Sound, der aber nicht vom Tontechniker fabriziert wird, sondern einfach durch die Halle entsteht, die wenig an Breite dafür umso mehr an Länge besitzt. Alles in allem eine sympathische Veranstaltung, die gut organisiert wurde und den zahlreichen Metalfans kaum Wünsche offen ließ. Für die teils öden Vorstellungen der Livebands kann niemand was – bleibt nur noch die unumstößliche Frage, warum man sich mit diesem Billing immer noch PAGANFEST nennt?


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