25.10.2009, Rockhouse

DREDG

Text: PMH
Veröffentlicht am 27.10.2009

Das Rockhouse rockt ! Zwar an diesem Sonntag etwas ruhiger und besonnener als üblich - aber die Spielfreude der drei Acts übertrug sich langsam, dafür sicher auf die rund 300 bis 350 Nasen die sich einen Clubgig der stilübergreifenden

Dredg

nicht entgehen lassen wollten. Zuvor schon auf einigen Festivals gesichtet, war der intime Salzburger Rahmen sicherlich ein besserer Ort für die oftmals zarten Gewächse die aus der Bay Area über den großen Teich wucherten … Doch alles der Reihe nach: hatte man noch bis zuletzt auf einen adäquaten Supportact hoffen dürfen, war gegen halb9 die Bühne frei für den österreichischen Nachwuchs in Form von ACROSS THE DELTA - frei nach dem Motto „… und plötzlich waren sie da“ begann diese halbe Stunde eher gelassen und introvertiert, da gab sich Alternativerock ohne allzugroßen Pomp und Frickelwerk in getragen wirkenden Songs die Ehre. Die Niederösterreicher wussten mit einfachen Mitteln zu … überzeugen (?) , auch wenn längst nicht alles Gold war was glänzte – irgendwo zwischen uralten Pearl Jam, Incubus (gesanglich) und den noch kommenden Dredg wuselte Fronter Alex wie ein abgespacter Jarvis Cocker auf der Bühne herum, fuhr sich in den stillen Momenten durch sein Haar nur um im nächsten Moment wieder auf MySpace & Co. hinzuweisen. Immerhin gab es schon einen neuen Song des kommenden Albums „Passports & Souvenirs“ zu beklatschen, und auch wenn die Temperaturunterschiede auf der Bühne gewaltig schienen (der Drummer im Feinripp-Unterleibchen, Sänger Alex in Jacke & Schal gewandet), so brodelte die Stimmung VOR der Bühne nicht so wirklich über. Mag vielleicht auch am etwas konturlosen Sound gelegen haben … Talent haben die Jungs, nur an der Präsentation müssen die vier noch dringend feilen.

Eine Spur internationaler, dazu (personell) reduzierter präsentierte sich im Anschluss das zumindest mir total unbekannte Trio JUDGEMENT DAY . Auch wenn deren Netslogan was von „String Metal“ erzählte, war das was in den ebenfalls ausreichenden dreißig Minuten auf der Bühne aus den Bögen rauschte eine keineswegs neuartige Kombination von Klassik und forschem Rock´n´Metal. Nicht nur einmal machte sich hier – schon aufgrund der Instrumentiertung (E-Violine / Cello / Drums) der wohlklingende Name Apocalyptica im Raum breit: doch anstatt auf allzuviele Worte zu setzen, zockten die Amis rein instrumentelle Stücke welche anfangs mit viel Schmackes und Speed aus den Boxen rauschten – und der Aha-Effekt war so zumindest in den ersten zehn Minuten spürbar. Spannender wurde die Kombination dann für wenige Minuten, als Mike Portnoy-lookalike & Drumderwisch Jon Bush (nein, nicht DER !) seinen beiden Vordermännern den Platz für ein sehenswertes Duell überliess und sich so manche Altvorderen der modernen Klassik in die Gedankenwelt des Zuhörers schob. Die Aufregung verflog jedoch bei dem gespielten Restprogramm schnell wieder, zu relaxt und ausschweifend machte die Anspannung nach und nach dem Sandmännchen Platz - und einmal mehr geleitete ein gezupfter Ausstiegstrack den Dreier in die Umkleidekabinen … zumindest zwei von Ihnen waren nicht mehr gesehen.

Ein gänzlich anderes Bild bot sich um Punkt 22:15 dem Innenraum der Salzburger Rockhouseröhre: war bei den Vorbands nach vorne hin noch reichlich Beinfreiheit, so klammerte schon zeitig vor Beginn der Fanclub an der Absperrung, welche diesmal den Raum noch eine Spur kleiner & gleichzeitig etwas distanzierter wirken ließ. Nun also DREDG , deren vier bisher veröffentlichten Longplayer sich stetig vom Vorgänger unterschieden und auch sonst keine Vergleiche zu den Big Playern im Rockbereich bemühen mussten. Eigenständigkeit nennt man das wohl - und eigen klingen DREDG sowohl auf Konserve als auch auf der Bühne: schon von der ersten Sekunde an war man inmitten des aktuellen Werkes gefangen, der sperrige Auftaktsdreier machte schon klar warum diese Band kein Thema für die vorderen Chartsplätze war und ist: hier gibt’s keine schöngeistigen Arenafeger oder triviale Mitsummer ; zwar unterfüttert man die etwas leichter verdaulichen Stücke immer wieder mal mit eingängigen Refrains – aber unterm Strich ist der leicht gegen den Strich gebürstete Psychedelic/Progrock nix für schlichtere Gemüter. Oder gefüllte Bierzelte auf OpenAirs. Man muss sich die nötige Zeit nehmen um mit dem speziellen Sound warm zu werden. Dafür bekommt man im Gegenzug auch keine beliebige Stangenware vorgesetzt ...

Abrocken kann man bei Stücken wie „Pariah“, „Drunk Slide“ oder dem sanftmütigen „Ireland“ zwar meist weniger, aber dafür durchlebt Fronter Gavin seine Stücke mit einer Inbrunst die heutzutage nur mehr selten angetroffen werden kann – schliesst man die Augen so hat man eine Schar von Vokalisten im Sinn, und dennoch ist dieser zerbrechliche, manchmal sehr hymnisch wirkende Engelsgesang meist nur von einer / dieser Person zu vernehmen. Multitaskingfähig müssen trotzdem alle Protagonisten sein, schliesslich übernimmt jedes Bandmitglied zusätzlich noch eine zweite Position – egal ob wirkungsvolle Programmingeinlagen in den sehr kurzen Songpausen, eine gehauchte zweite Stimme, eine weitere Gitarre oder gelegentliche Pianoeinlagen. Und diese kamen vom wohl agilsten, oder sollte ich sagen, craziesten (!) Mann on Stage, namentlich Drummer Dino … ein angeschossener Henry Rollins könnte nicht schöner leiden : aber nicht nur beim sehr poppigen, schon als Single bekannten „Information“ wirken die Tastentöne ebenso wohlklingend wie medikamentös auf den Erzeuger – ist wohl eine Art Balsam für die geschundene Drummerseele. Nachdem man sich in einem Rutsch durch die ersten Songs von „The Pariah, the Parrot, the Delusion“ gekämpft hatte, war die Zeit reif für einen Ausflug in die Vergangenheit ... stürmisch beklatscht trafen das „Catch without Arms“ Doppel „Bug Eyes“ & „Ode to the Sun“ - und natürlich der harmonische Titelsong - mitten ins Herz. Perfekt umgesetzt, mit einem sauberen wie dennoch dynamisch wirkenden P.A.-Sound vorgestellt wurde hier auf ganzer Strecke bezaubert, wenn auch nicht ganz verzaubert: Stücke vom Erstling „Leitmotif“ blieben aussen vor, dafür gab es reichlichen Einsatz von Judgement Day – Violisten Patzner: dieser unterstrich die ausdrucksstarken, wenngleich meist ruhigen Songs optimal und machte nicht nur beim härteren „The Tanbark is Hot Lava“ Platz für Gitarrist & Vollbartträger Engles , der meist mit sehr atmosphärischen Licks in Richtung Postrock abbog, ohne jedoch den Track an sich aus den Augen zu verlieren. Nach neueren Schwebebalken wie dem präzisen „I don´t Know“ wurde auch Anhänger der „El Cielo“-Phase bedient; „Same ol´ Road“ war ebenso ein Fest wie das etwas beschwingtere, fast schon klassikerverdächtige „Sanzen“.

Nach eineinhalb Stunden intensiver Kost (bei dem das Publikum eher außen vor gelassen wurde) wurde aber wieder flugs zurück in die Gegenwart geswitcht - schon nach wenigen Takten des „Cartoon Showroom´s" montierte die halbe Band die Drums vom völlig gelassen wirkenden Dino ab; dieser begleitete das Publikum auf seinem Piano noch durch die letzten Momente einer Show die durchaus reich an Höhepunkten und dennoch kurzweilig auf der Heimfahrt nachwirkte. Zugaben ? Gabs keine. Wozu auch ? Hätte irgendwie das Gesamtbild gestört … so wie die etwas happigen (oder heutzutage normalen) Merchpreise; 20€ war mir dann ein Shirt nicht wirklich wert. Aber das wars auch schon mit Rumjammern - alles andere (egal ob Bands, Publikum, oder die feine Location) war die Reise definitiv wert.


ANZEIGE
ANZEIGE