03.07.2013, Planet.tt, Bank Austria Halle, Gasometer, Wien

JOE SATRIANI

Veröffentlicht am 13.07.2013

Der Gitarrengott ist in Wien gelandet

Zum Toursupport der OLI BROWN BAND ist mein Urteil wenig aussagekräftig, da ich mich im Vorfeld nicht mit diesem britischen Blues Gitarristen beschäftigt habe. Da er schon mehrere British Blues Awards gewonnen hatte, schraubte dies die Erwartungshaltung naturgemäß sehr hoch hinauf. Und auch wenn ich mit Blues durchaus viel anzufangen weiß, ist mir während seines Gigs außer seiner technischen Fähigkeiten und durchaus viel Spielgefühl nicht viel von seinen Songs hängen geblieben. Er konnte zwar auch durch seinen Gesang überzeugen und vielleicht einige Fans für sich gewinnen, doch vor JOE SATRIANI zu spielen war keine leichte Aufgabe.

Sicher meistere Oli Brown diese in seinem Metier bravourös, aber ich muss sagen, dass mich Blues-Kollegen wie JOE BONAMASSA mehr begeistern. Ich war in meinen Gedanken wahrscheinlich schon bei dem Konzert, das folgen sollte. Ich konnte mich nach zweieinhalb Jahren nicht mehr so genau an das letzte JOE SATRIANI Konzert im Gasometer erinnern, außer daran, dass ich sehr begeistert und voller Bewunderung war, den Gitarrengott meiner Dekade zum ersten Mal zu sehen. Der Sound war damals außergewöhnlich gut für das Gasometer, was vielleicht auch daran gelegen haben mag, dass die Setlist durchwegs – bis auf eine Ausnahme – instrumental war.

Einige Leute haben damit vielleicht ein Problem, wenn ein Sänger fehlt, ich dagegen bin ein Verfechter der guten Instrumentalkunst, besonders wenn JOE SATRIANI der Künstler ist. Und dieses Mal ließ der Meister bis auf ein paar wenige kurze Ansagen nur seine Gitarre sprechen. Und wie er dies tat, ließ so manche Kinnladen nach unten klappen. Es war schon sehr erstaunlich, dass jeder Song vor Kreativität nur so sprühte und ich wie bei so vielen Konzerten hier nie das Gefühl hatte, dass sich nach einer Zeit vieles gleich anhört. Das ist aber einfach oft der zu geringen Beschäftigung mit dem Werk der Musiker zuzuschreiben.

Die Stilvielfalt, die JOE SATRIANI in seinen Songs unterbringt, sucht seinesgleichen. Ich habe noch keinen Musiker gehört, der die Grenzen der Rockmusik, über Blues, Funk, Jazz, Metal usw. in seiner Karriere so ausgereizt hat wie er. Sicher ist ein STEVE VAI Vai experimentieller und ein YNGWIE MALMSTEEN klassischer, auch seine anderen G3 Partner sind Meister ihres Faches, bei JOE SATRIANI fühle ich mich aber am wohlsten und das Gefühl hatte ich das ganze Konzert über.

Am Platz links vorne, drei Reihen direkt vor Joe’s Hauptstandplatz, war die Sicht einfach ein Traum und der Sound wieder einmal perfekt. Die projizierten Videos waren sehr passend gewählt und speziell zur instrumentalen Darbietung eine sehr gute Ergänzung – sie drücken die Emotionen aus, die Joe bei seinem Spiel in Musik fasst. Die Melodien waren genial, das Spielgefühl und somit der Sound überwältigend. Ich bin mir wirklich wie ein Kind, das zu Weihnachten vor dem Christbaum steht, vorgekommen. Es war einfach ergreifend, was in diesen zwei Stunden geboten wurde.

Da ich mich hauptsächlich auf das Spiel von Joe konzentrierte nur ein paar kurze Worte zu seiner Band. Die Drums von Marco Minnemann, der 2010 zu den Auditions als Nachfolger des Dream Theater-Schlagzeugers Mike Portnoy eingeladen wurde, habe ich als sehr wuchtig empfunden. Der Bassist Bryan Beller, der unter anderem mit Steve Vai seit 1999 sämtliche Alben einspielte, erledigte seine Parts sauber. Und Keyborder Mike Keneally, der unter anderem durch Mitwirken bei Frank Zappas 1988er Tourneeband bekannt wurde, war für mich die meiste Zeit gut versteckt. Bei einigen Songs jedoch bekam Joe dann auch gitarrentechnisch Unterstützung von eben jenem Keyboarder. Das ist aus musikalischer Sicht durchaus nachvollziehbar und auch das Solo-Duell machte showtechnisch durchaus Sinn, aber – ohne beleidigend sein zu wollen – passte optisch Mike Keneally im Opa-Look mit grauem Bart und Brille und mit T-Shirt und offenen Hemd so überhaupt nicht zu Satrianis abgespactem Glatzkopf-Sonnenbrillen-Look. Das war mir bei dieser perfekt inszenierten Show der einzige Dorn im Auge. Sei’s drum, er ging dann wieder hinter seinem Keyboard in Deckung.

Die Setlist trieb den Fans Freudentränen in die Augen, quer durch seine komplette Diskografie spendierte uns Joe einige der besten Songs seiner fast 30-jährigen Karriere. Wie bei der letzen Wormhole-Tour kommt verständlicherweise sein aktuelles Album "Unstoppable Momentum" auch nicht zu kurz, dessen Songs aber gut zwischen die übrigen Klassiker eingefügt wurden. War bereits beim letzten Konzert damals das Album "Black Swans and Wormhole Wizards" schon sehr stark mit sieben Songs vertreten, hatte er diesmal sogar neun Songs der aktuellen Platte am Start.

Und so ging es gleich los mit dem neuen Song "Jumpin’In", der so richtig geil losfetzte, dass meine Freude keine Grenzen kannte. Dann folgte das elektronisch beeinflusste "Devil’s Slide" vom 2000er "Engines of Creations"-Album, das sich ekstatisch zum Solo steigerte. Der erste Klassiker "Flying in a Blue Dream" vom gleichnamigen 1989er Album ließ dann keinen langjährigen Fan gefühlsmäßig kalt. Gefolgt wurde dieser unglaublich emotionale Moment von dem Titelsong des neuen Albums "Unstoppable Momentum" und immer wenn ich diese genialen Melodien höre, die einfach unbeschreiblich sind, gehe ich fast auf die Knie und muss die Melodielinie mitsingen.

Nächstes Highlight war "Ice 9" vom bekanntesten 1987er Album "Surfing with the Alien", das an diesem Abend gleich vier Mal zum Zug kam. "The Crush of Love" vom 1988er Album "Dreaming #11" war dann noch eine Draufgabe. Dann folgten drei Songs vom aktuellen Album, bevor Joe mit seinem "Satch Boogie" so richtig Gas gab. Dann wieder zwei aktuelle Songs, bevor "Crying" von "The Extremist" (1992) wieder einmal zu Freudentränen rührte. Und nach einem kurzen Drum-Solo, setzte Joe schon mit "Cool #9" ein, was ihn immer sehr zum Improvisieren einladet.

Das Finale des Konzerts wurde dann passend zum Titel des Songs mit "Jumping Out" eingeleitet. "Always with Me, Always with you" bekommt kein Mensch mehr aus dem Gedächtnis, wenn er diese Melodien einmal in seinem Leben gehört hat, das Gitarrenthema ist mehr als großartig, das Solo einfach nur überwältigend. Mit "Surfing with the Alien" wurde dann für viele sicher als letzter Song des regulären Sets die Erfüllung eines Traumes wahr – der perfekte instrumentale Partysong, der einfach nach mehr verlangt.

Und da ließ sich Joe nicht lange bitten und startete mit "Crowd Chant" vom 2006er Album "Super Colossal" den nächsten Party-Song, der alle Anwesenden zum Mitsingen und Klatschen animierte und mich damit vollkommen durchdrehen ließ. Sein "Summer Song" passte Anfang Juli wie die Faust auf’s Auge, und mit "Rubina" von seinem 1985er Debüt-Album "Not Of This Earth" hinterließ er mich mit einem Gefühl, dass dieser Ausnahmekünstler wirklich nicht von dieser Welt sein kann. Dieser Abend war ein Geschenk unsterblicher Musik eines Gitarrengottes an uns sterbliche Musikliebhaber!


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