20.07.2013 - 24.07.2013, Tolmin

Metaldays 2013 - Part 1

Veröffentlicht am 12.08.2013

Sonne, Strand und Heavy Metal. Nirgends sonst lässt sich neben der Festivalstimmung so sehr die Landschaft genießen wie im slowenischen Tolmin. Zum zehnten Mal findet heuer das Metalcamp statt, welches u.a. wegen wechselnder Veranstalter, heuer auf den weniger prägnanten Namen

Metaldays

getauft wurde. Das Setting ist und bleibt glücklicherweise dasselbe. Tage 0: 20.7. - 21.7.2013 Am Samstag, dem inoffiziellen Anreisetag, haben sich erst wenige Metalcamper in der slowenischen Ortschaft, welche sich in den nächsten Tagen zum Metaltown auf Zeit entwickeln wird, eingefunden. Hier werden Zelte aufgestellt, dort Benzingeneratoren angeworfen und von irgendwo her riecht es bereits nach brutzelndem Grillgut. Die Sonne zeigt sich bei milden Abendtemperaturen von ihrer freundlichsten Seite, und verschwindet zu verwaschenen Pantera-Riffs, die aus einem entfernten Autoradio dröhnen, hinter den Bergen die das Campinggelände umgeben. Oh süßes Festivalleben.

Auf zum Wurmen!

Auch wenn sich am Sonntag der Campingbereich bereits füllt wird es auf dem Areal mitten in der Natur nicht eng. Ob zwischen Bäumen, Wurzeln und Wichteln im Wald oder auf der weitläufigen Wiese, nirgends muss man Zelt-Terrain mit Ellbogen verteidigen. Während man den Neuankömmlingen beim Zeltaufbau zuprostet, werden schon die musikalsichen Vorhaben für die kommende Woche geschmiedet. An fünf Tagen bietet das Festival, eine denkbar große Fülle an Bands aus zahlreichen Sparten des Heavy Metal. So sind KING DIAMOND, IN FLAMES, ICED EARTH, MESHUGGAH, PENTAGRAM oder CANDLEMASS nur einige der Höhepunkte, die in der kommenden Woche auf die Besucher zukommen werden. Doch noch ist Sonntag, also heißt es entweder ab zur „WORM UP“ (sic!) Party inmitten der Kleinstadt oder im Campingsessel zurücklehnen und Kräfte sammeln.

Tag 1: Montag, 22.7.2013 Am ersten Tag der Metaldays 2013 betreten BLAAKYUM aus dem Libanon die MainStage. Die vier Herren aus dem krisengeschüttelten Gebiet Südwestasiens machten bereits gestern, bei einem Streifzug durch die Camping-Area, mit einem provokanten Flyer auf sich aufmerksam. Auf der Bühne mischen BLAAKYUM Heavy und Thrash Metal mit Einflüssen libanesischen Folks, der sich in ruhigen Passagen vor allem in der Basslinie und im Gesang äußert. Die letzte Nummer gestaltet sich als Gegenteil des versprochenen ruhigen Liebesliedes. Geboten wird ein schneller, fast klassischer Thrash-Song, der jedoch durch klangliche Undifferenziertheit während komplexer Rhythmen etwas an Durchschlagskraft verliert. (MS) SOILWORK starten um 18.40 auf der Hauptbühne. Der pralle Sonnenscheint macht die lebendige Lichtshow der Schweden leider unbrauchbar, aber zum Glück dreht sich hier ja alles um die melodiöse Akustik. Mit „The Momentary Bliss“ starten SOILWORK direkt vom aktuellen Album „The Living Infite“, welches der begeisterten Meute unter anderem auch durch „Tongue“, „Spectrum Of Eternity“, oder dem feindseligen „Parasite Blues“ präsentiert wird. Verspielte Gitarren- und Keyboardläufe werden dabei mit teils harten, teils hohen Vocals gemischt und kreieren so den charakteristischen SOILWORK-Sound. Nur eine knappe Stunde verweilt der zeitweise handzahme und nahezu liebliche Klang des schwedischen Death-Metal auf der Bühne, denn auch den zahlreichen weiteren Bands des ersten Festival Tages muss Spielzeit gewährt werden.

Zeitreise in die Zukunft des DOOM

Nachdem die Sonne endlich die Sicht auf den zunehmenden Mond freigegeben hat, wird es Zeit für die ersten offiziellen Hauptacts. Und damit sich die Headliner der MainStage und SecondStage nicht gegenseitig übertönen haben sich die Veranstalter der

Metaldays

etwas einfallen lassen. So wird jeden Abend auf der kleineren Bühne ein mehr oder weniger zum Musikgenre passender Film gezeigt, der aber eigentlich nur die Leere der Bühne im Wald füllt. Während also IN FLAMES ab 23.15 Uhr ihren immer melodischer werdenden Death Metal zum Besten geben, läuft auf der SecondStage ein trashiger Actionfilm aus den 70ern der sich „Tarkan vs. The Vikings“ nennt. Der klischeehafte Kriegermythos wird zum Glück vorzeitig abgebrochen denn ab 00.45 Uhr ist es Zeit für PENTAGRAM. Als Sänger Bobby Liebling die Bühne betritt und „Sign Of The Wolf“ vom 1982 erschienenen „Relentless“ erklingt, ist die Festivalmeute bereits Feuer und Flamme. Mit dem derzeitigen Doom-Hype des Metalgenres klingen PENTAGRAM anno 2013 zwar um eine Spur weniger underground, dennoch legen sich die Musiker für eine authentische Bühnenperformance ordentlich ins Zeug. Die vergleichsweise junge Saitenfraktion (mit Gitarristen Matt Goldborough, welcher Victor Griffin vorübergehend auf Europatour ersetzt, und Basser Greg Turley) fungiert zwar eher als Rahmen für die Kultfigur Liebling, beweist sich musikalisch aber als durchweg professionell. Der nicht ganz so jung gebliebene 60 jährige bemüht sich dabei sichtlich Bewegung hinters Mikrofon zu bringen. Für Liebling bedeutet das konkret: eine etwas verkrampfte Luftgitarre spielen, Hintern rausstrecken, abwechselnd mit den Beinen zucken, und noch einmal die Aufmerksamkeit auf das Gesäß lenken. Das Konzept funktioniert einwandfrei und so sorgt Bobby bei Songs wie „Wheel Of Fortune“, „Petrified“ oder „Relentless“ bis zwei Uhr morgens für Bombenstimmung.



Harmonie als Handwerk

Tag 2: Dienstag, 23.7.2013 Der Himmel erbarmt sich einiger Regengüsse und kühlt das Wetter durch starke Windböen sogar einige Grade zu viel herunter. Der Auftritt der Stoner Metaller TORCHE auf der SecondStage ist so von feuchter Fröhlichkeit gezeichnet. Die Amerikaner offenbarten mit ihrem letzten Album „Harmonicraft“ ihren Hang zum Kitsch, welcher musikalisch allerdings auf brillanter Ebene Ausdruck findet. Flächige Sounds und einfache Songstrukturen sorgen für ein Easy-Listening, welches nur zu den passendsten Stellen von den Klängen lauter, tiefer Gitarrensaiten durchbrochen wird. So bereitet „Kicking“ vom aktuellen Album beispielsweise die optimale Wohlfühlstimmung, ohne dabei zu schnell langweilig und verbraucht zu klingen. Die viel zu kurze Spielzeit erlaubt leider nur eine halbe Stunde der angenehm betäubenden Schwere, die sich dank TORCHE in jeder einzelnen Muskelfaser festsetzt. Einer der heutigen Headliner steht mit EYEHATEGOD auf der SecondStage. Als eine der ersten Sludge-Formationen war der dreckige Sound der US-Amerikaner Inspirationsquelle für zahlreiche jüngere Bands des Genres. Aussagen wie „Fuck the police“ sind zwar in etwa so innovativ wie die Punkattitüde aus den 90ern, aber eine nostalgische Reflexion der Aufbruchsstimmung vergangener Tage war ja für Metalheads noch nie ein Grund sich von Musik abzuwenden. Die Band um Sänger Mike Williams gibt sich also aufrührerisch und stellt mit der aufmüpfig-aggressiven Bühnenperformance ihre Devil-May-Care Attitüde unter Beweis. „White Nigger“ vom Vorzeige-Album in Sachen Sludge „Take As Needed For Pain“(1993) ist beispielsweise einer dieser nihilistischen Wirklichkeitsreflexionen, die sich gerne gegen Alles und Jeden wenden will - sich selbst ausgenommen. Während diese Weltanschauung wahrscheinlich nur wenig Potential hat glücklich zu machen, sind es die Zuseher allemal. Die Hingabe der Musiker sowie die tief dröhnende Klangkulisse reißt das Publikum schlichtweg mit, und die Tatsache, dass hier fast schon musikalische Wegbereiter auf der Bühne stehen, fördert das Konzert-High gewaltig.



Mit Schwammerl auf Reisen

Tag 3: Mittwoch, 24.7.2013 Trotz des heftigen Regengusses mit Sturmböen formieren sich PARASOL CARAVAN furchtlos auf der 2nd Stage. Kurz vor 14.00 h nieselt es nur noch und die österreichische Band legt gut gelaunt los. Das teils abgehakte teils langgezogene Gitarrenspiel erinnert unweigerlich an TOOL und auch sonst sind PARASOL CARAVAN im Stoner Rock zu verorten. Sobald die Klänge ein wenig auf das Festivalvolk gewirkt haben, wird es sogar ein bisschen voller in den ersten Reihen. Songs wie „Chinese Eyes“ oder „Barbers Snake“ kommen gut an und machen Lust auf mehr. Nach einer knappen Stunde müssen die Österreicher leider schon die Bühne räumen. Schade, denn genau jetzt wird einem klar: Eigentlich könnte das Festival mehr Stoner-Rock vertragen. Gegen 17.35 Uhr machen sich die Horrorfilm-Fanatiker ORANGE GOBLIN schon auf der Mainstage breit. Leider läuft beim Einspielen des Intro irgendetwas gar nicht rund und verärgerte Blicke wandern Richtung Mischpult. Nach der ersten Minute dieser lauter-leiser Sound-Kulisse reißen die Musiker aber schon die erste Nummer an, als wär Nichts gewesen. Die sympathischen Engländer witzeln ob ihrer Herkunft und den Schlechtwetterverhältnissen am heutigen Tag und legen sich bei „Filthy And The Few“ ordentlich ins Zeug. Große Bühnenshows haben die Goblins nicht notwendig, denn sobald Frontmann Ben Ward seine Bärenpranke gen Himmel streckt frisst ihm das Publikum bereits aus selbiger. „Some You Win, Some You Lose“ sorgt für zusätzliche Publikumsaktivität, denn der Refrain spricht für sich selbst. Nach viel zu knappen 45 Minuten schließt „Red Tide Rising“ vom 2012er Album „A Eulogy For The Damned“ das Set auch schon wieder ab.

Die Schwere der Hitze, die sich bis zum Abend wieder eingestellt hat, lässt sich langsam aber sicher nicht mehr mit der reinen Zufuhr von Flüssigkeit bekämpfen also hilft nur der ganzheitliche Sprung ins kühle Nass. So wandert man in den Umbaupausen ständig zwischen Strand und Bühne hin und her, nur um bereits beim ersten Song der Folgeband festzustellen, dass man eigentlich schon wieder eine Abkühlung in der gebirgsbachkalten Soca nötig hätte. Der Weg führt vorbei an den zahlreichen Merchandise-Ständen und hinein in den Wald, wo sich auch die kleinere der beiden Bühnen befindet. Plötzlich dringt eine vertraute Tonfolge ans Ohr der Vorbeigehenden, welche sich anfangs noch nicht ganz zuordnen lässt. Bei der Annäherung an die SecondStage wird aber klar, das sind SABBATH JUDAS SABBATH mit ihrer Hommage an, wie könnte es anders sein, BLACK SABBATH und JUDAS PRIEST. Auch wenn „Nightcrawler“ klarerweise nicht so hoch gekreischt werden kann und „Neon Knights“ nur für eine gute Karaokeversion von Dio ausreicht, hat das Publikum sichtlich Spaß an den alten Klassikern und stimmt mit den Amerikanern um Sänger James Rivera (HELSTAR, ex-SEVEN WITCHES) in die allseits bekannten Lyrics mit ein.

Meschugge Listening Comprehension

Beim Auftritt von MESHUGGAH geschehen merkwürdige Dinge. Weniger die Geschehnisse an sich sind sonderbar, sondern eher das Fehlen von ereignisreichtum, was das Publikum betrifft. Kaum ist die Begeisterung der die ersten Gitarrenriffs von „Swarm“ etwas abgeklungen, stehen die Fans wie angewurzelt auf ihren Plätzen und lauschen der bombastischen Performance geradeso, als wollten sie ein bisher verborgenes Klangmuster entdeckten oder um keinen Preis auch nur den unbedeutendsten Rhythmuswechsel versäumen. Die Eins im Taktgefüge sucht man bei MESHUGGAH übrigens auch live vergebens. Die Schweden, deren Musik derzeit als Tempel der Technik verhert wird, bieten auf der Bühne absolute Präzision, oder bauen Makel nur in einer Form ein, in der sie ohnehin Keiner als fehlerhaft empfindet. Das 2012er Album „Koloss“ stellt einen Großteil der Setlist dar und so kommt das Publikum auch in den Genuss von Songs wie „I Am Collosus“ oder „Demiurge“. Die 8-Saitige Gitarrenfraktion sowie die technischen Spielereien (Stichwort: Vocoder) erzeugen Spannung bis zur letzten Sekunde. Die eindrucksvolle Darbietung rechtfertigt also zu einem gewissen Maß das höchst sonderbare, weil ruhige, Crowdverhalten.


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