21.08.2013, Festivalgelände Übersee am Chiemsee

CHIEMSEE ROCKS (DIE ÄRZTE,DEFTONES)

Veröffentlicht am 29.08.2013



Same Procedure As Every Year?

Die CHIEMSEE ROCKS-Macher haben quasi perfektes Wetter abonniert, Gelände und Infrastruktur (in Vorbereitung auf das Hauptevent, den CHIEMSEE REGGAE SUMMER) waren ohnehin schon bestens ins Schuß und startklar. Ein Händchen für den Soundtrack des Lebens der jungen Generation haben die CHIEMSEE ROCKS-Verantwortlichen sowieso und sind so eigentlich immer am Puls der Zeit, gastierten hier doch letztes Jahr u.a. die BEATSTEAKS und DEICHKIND (zum LIVEREPORT), eine Gesamtübersicht über die bereits aufgetretenen Acts findet ihr hier. Das heurige Jahr wartete mit einem Novum auf. Erstmals fand das Eintagesfestival auf zwei Bühnen statt. Auf der kleineren Zeltbühne gastierten neben den Hauptacts noch vier weitere Bands. Einem idealen Tag (im immerhin bereits vierten Festivaljahr in Folge) im Zeichen von Sonne, geiler Rockmusik und Party stand für die laut Medienberichten rund 10.000 Besucher folglich nichts im Wege.

SICK OF IT ALL

Die deutschen Metalcorler

CALLEJON

hatten die Aufgabe, das noch vor Energie und Feierlaune strotzende Publikum anzuheizen, während sich unsere Reisegruppe noch um Parkplatz und Einlaß bzw. die flüssige Erstverpflegung vor Ort zu kümmern hatte. Die nachfolgenden New Yorker Hardcore-Routiniers von SICK OF IT ALL fackelten nicht lange und legten um 16:15 Uhr gleich Vollgas los. Recht kurzweilige 45 Minuten Marke „Dicke Hose“ standen dem Publikum bevor. Ziemlich kompromißlos, trocken und auf den Punkt gespielt walzten die Amis über die tendenziell jüngere Zuschauerschaft hinweg und machten das eine oder andere unbedarfte Ohrenpaar platt. So richtig Fahrt nahm der Gig mit dem Genre-Hit „Just Look Around“ auf, ansonsten wurde der über die Bühne polternde Pete Koller nicht müde zu betonen, dass sie keine Mainstream/Teenie-Band seien, sondern Oldschool und wollte auch nicht aufhören zu fragen, ob das Publikum was Altes bzw. was Schnelles hören wollte. Kann auf Dauer auch nerven, sowas. Gitarrist Lou Koller steppte derweil genretreu auf der Bühne und mimte den Hüpfball, die Rhythmusfraktion der seit ewigen Zeiten in dieser Konstellation zockenden Combo legte inzwischen einen dichten Soundteppich. Recht derbe und schnell knallten Titel wie „Death Or Jail“, „World Full Of Hate”, ein energetisches “Machete” und ein einprägsam-melodisches „Sanctuary“ über das Gelände in der Nähe des Chiemsees. Nach „Scratch The Surface“ war mit dem Evergreen „Step Down“ Schluß mit Hardcore-Gepose. SICK OF IT ALL dürfen das aber, schließlich sind sie „trve“ und eine Konstante im Genre.



NOFX

Korrekt adjustiert mit kurzer Hose, Sonnenbrille und ausreichend Flüssigkeitsversorgung in der rechten Hand (die in Deutschland üblichen 0,4 Liter) konnte man sich an diesem herrlichen Tag kaum einen besseren Soundtrack als die Skate/Punkrocker vorstellen. Und die tätowierte Meute enttäuschte auch nicht wirklich. Sie punkten und rockten, prollten und juxten sich durch das Set. Das ein wenig aufgesetzt und pseudocool wirkende Gelaber von Fronter Fat Mike zwischen den Songs vermochte zwar teils durchaus zu amüsieren, teils wusste man allerdings nicht was man mit den Meldungen anfangen sollte. Immerhin war dem Guten klar, dass er diesem Szenario schon letztes Jahr als Basser der ME FIRST AND THE GIMME GIMMES beiwohnen durfte. Der leichte Schrammel-Punkrock der optisch genreadäquat reichlich kaputt wirkenden NOFX fönte gemächlich über das gut gelaunte Publikum hinweg, die Ska- und Reggaeeinsprengsel vermochten das Tanzbein zu motivieren (man erinnere sich…am folgenden Wochenende sollte hier das berühmte CHIEMSEE REGGAE OPEN AIR stattfinden und viele dürften bereits verfrüht angereist sein, um das Ganze - campenderweise - mit dem CHIEMSEE ROCKS einzuläuten!). Die von Gitarrist „El Hefe“ immer wieder zum Einsatz gebrachte Trompete sorgte ebenso wie das eine oder andere eingestreute deutsche Wort für zusätzliche Stimmung. Ihre Attitüde unterstrich das Quartett (plus Keyboarder) durch den Support von „Viva Con Agua“, die Geld für einen guten Zweck aufbrachten, indem das Pfand für nicht retournierte Pfandbecher für diverse Trinkwasserinitiativen gespendet wurde. Musikalisch blieb „Franco Un-American“ und „Mattersfield“ im Ohr, „Kill All The White Man“ markierte schließlich den Schlusspunkt dieser einstündigen, flockigen und ideal passenden Nachmittagsmette. Setlist: 60% Dinosaurs Will Die Bob Murder The Government (Cover Mark Curry) What's The Matter With Parents Today? 72 Hookers Creeping Out Sara Mattersville Fuck The Kids Franco Un-American Stickin' In My Eye Seeing Double At The Triple Rock What Now Herb? Leave It Alone I Believe In Goddess Linoleum Quart In Session Eat The Meek Champs Elysées (Cover Joe Dassin) Bottles To The Ground Kill All The White Man



WE CAME AS ROMANS

Der Abstecher in die Zeltbühne, die heuer erstmals schon zum CR zum Einsatz kam, hatte sich gelohnt. Die vorher gastierenden Local Heroes

VAIT

, die ich bereits im Vorprogramm des FOREIGNER-Konzerts erlebt hatte, hatten wir leider verpasst. Die Kulisse mit dem Zelthimmel war recht cool geraten, auf der Bühne buhlten die sechs tätowierten Jungspunde aus Amiland um die Gunst des Publikums. Augenscheinlich war ihnen dies gelungen, die Fans vor der Bühne, darunter zahlreiche weibliche, ähnelten auch optisch ihren Idolen, flotte Scheitel, Piercings, Fleshtunnels und Tattoos ließen Stars und Fans verschmelzen. Actiontechnisch ließen die agilen Youngsters mit den beiden Frontleuten nichts anbrennen, und auch das Songmaterial der bei Nuclear Blast unter Vertrag stehenden Jungs aus Michigan wurde bestens aufgenommen. Herausragend hier vor allem „Hope“, das sich als massiver Hit herausstellte, der live in 30 SECONDS TO MARS-Manier einfach funktionieren muss. Der Refrain „We are the one true hope…so give me an answer“ hallte nicht nur mir noch recht lang im Kopf nach. Die perfekte Band für die Zeltbühne für das am CR anwesende Publikum, Daumen nach oben!

DEFTONES

Die DEFTONES galten ja schon immer als eine atmosphärisch sehr dichte und vereinnahmende Band. Das Gedenken an den kürzlich verstorbenen Basser Chi Cheng, der das Soundbild und die Band generell wesentlich mitprägte, vermag dieser Eindringlichkeit noch eine weitere Nuance hinzugefügt haben. Die Amerikaner kamen und waren voll intensiv und depri…zu depri für das auch zahlreich anwesende „Normalhörerpublikum“. Es war deutlich zu merken, wie sich der „ernsthafte“ Teil von Musikfans dem rund 75minütigen „ohralen“ Genuß hingab und sich auf das durchdringende Material des Fünfers unter der Ägide von Sänger Chino Moreno einließen, der Rest frequentierte lieber die zahlreichen und kulinarischen vielseitigen Stände. Bewegung war auf der Bühne auch eher in Maßen registrierbar, dafür wurde man das Gefühl nicht los, dass die DEFTONES wie immer Problemaufarbeitung und On Stage – Therapie gleichzeitig betrieben. Dass es um ca. 20 Uhr merklich diffuser und düsterer wurde, mag den Effekt zusätzlich gesteigert haben. Die hypnotische Lichtshow tat ein übriges, um diesen Auftritt als einen sehr reifen und auch guten in die Annalen des CR eingehen zu lassen. Wohltuend die im Vergleich zur Vorband deutlich reduzierteren Ansagen, über Hits wie „My Own Summer (Shove It)“ oder etwa das baßlastige “Diamond Eyes” braucht eh nichts weiter ausgeführt zu werden, die Songs der aus dem sonnigen Kalifornien stammenden New Metal-Pioniere wurden von den Fans intensiv aufgesogen, jedoch großteils eher introvertiert gefeiert, während sich auf der Bühne im Zelt inzwischen

ZEBRAHEAD

und die

MAD CADDIES

um die musikalische Stärkung ihrer Popularität kümmerten. Setlist: Swerve City Poltergeist Rosemary Tempest Be Quiet And Drive (Far Away) My Own Summer (Shove It) Diamond Eyes Rocket Skates You've Seen The Butcher Sextape Change (In The House Of Flies) 7 Words Engine No. 9



DIE ÄRZTE

Die ÄRZTE waren ja nach 2008 schon zum zweiten Mal am Chiemsee zu Gast und klopften sich durch rund 30 Jahre deutsche Punkrockgeschichte Der Bogen spannte sich über fast das gesamte Repertoire, unter Hits neuerer Machart („Junge“, „Ist das noch Punkrock?“) und massive Radiosmasher wie „Lasse Reden“ streuten sie geschickt immer wieder Fixstarter wie „Schrei nach Liebe“ oder „2000 Mädchen“ und live überraschend lässige Titel wie „Waldspaziergang mit Folgen“ o.ä. Ein Ärzte-Konzert ist aufgrund der Trio-Besetzung naturgemäß kein Bühnen-Action-Spektakel…das Manko der gezwungenermaßen statischen Performance machten die Drei allerdings mit einer satten Lichtshow, einer unterhaltsamen Videoprojektion hinter der Bühne und einer mit Witz und Charme aufgepeppten Show wieder wett. Vor allem der stehende Drummer Bela B. bewegte seinen Allerwertesten des Öfteren in Richtung Bühnenrand, um mit dem Publikum zu kommunizieren, der Rest erledigte Frontmann Farin Urlaub, der für meinen persönlichen Geschmack doch recht gekünstelt laberte. Mit Ausführungen über die verschiedenen Arten des Applaus („Die Essentials des Rocks“), des Punkrock generell, Seitenhieben auf die anderen auftretenden Bands etc. konnte zumindest das Publikum eingebunden und animiert werden, auch der Aufforderung, mit diversen Dingen durch die Luft zu wedeln, wurde nur zu gern nachgekommen. Diese Art der Animation war bei den Die-Hard-ÄRZTE-Fans aber sowieso nicht nötig, denn die schrien sich die Seele aus dem Leib und konnten jede Textzeile mitsingen. Nach den zuletzt erlebten kürzeren Headlinershows warf sich angesichts der 135 Minuten-Show die Frage auf, ob Rockshows auch mal zu lange dauern können. Dies muss im heutigen Falle leider mit „Ja“ beantwortet werden. Zu wenige zwingende Hits am Setende („Zu Spät“ und „Westerland“ mal ausgenommen – vielleicht bin ich aber auch einfach nur zuwenig ÄRZTE-Insider), eine insgesamt zu statische Performance und kleine Abnützungserscheinungen in Puncto Songs und Witz ließen zumindest mich recht hart auf das Ende der Show um 23 Uhr warten, die zahlreichen und fanatischen Fans werden das allerdings sicher anders gesehen und erlebt haben.

Trotz des – im Vergleich zu den Vorbands – fehlenden „Stroms“, sprich der fehlenden Härte und Rockigkeit, waren die ÄRZTE würdige Headliner eines wiederum perfekten Festivals, dies bestätigte der Applaus der Tausenden Fans. Die Drei boten den Anwesenden viel Konzert für ihr Geld, dennoch erschien vielen die lange Spielzeit dann doch übertrieben. Was bei einem Single-Konzert Sinn macht und „Value For Money“ bietet, kann an einem vollgepackten Festivaltag dann doch auch irgendwann ermüdend werden. Egal, die Fans feierten ihre Helden, dennoch zieht die „Beste Band der Welt“ gerade in Bezug auf ihre direkten deutschen Mitbewerber Die TOTEN HOSEN (zum Livebericht) doch den kürzeren. Setlist: Wie Es Geht 2000 Mädchen Bettmagnet Hurra Tamagotchi Lasse Redn Ist Das Noch Punkrock? Nie Wieder Krieg, Nie Mehr Las Vegas! Perfekt Waldspaziergang Mit Folgen Lied Vom Scheitern Die Besten Lady 1/2 Lovesong Sohn Der Leere Zeidverschwändung Deine Schuld Fiasko Himmelblau Heulerei Ignorama Rebell Junge Schrei Nach Liebe Unrockbar TCR Der Graf Westerland Zu Spät Madonnas Dickdarm Frank'n'stein Roter Minirock Ekelpack Dauerwelle Vs. Minipli Monsterparty Alles – Wetter, Acts, Party, Organisation, Timetable, Sound & Co. - am heutigen Tage war im grünen Bereich, ein weiteres tolles Festival am Chiemsee zum absoluten Schlagerpreis von 39 Euro im VVK war zu Ende gegangen, man darf gespannt sein, welche Acts die Veranstalter nächstes Jahr verpflichten werden, die logischen Headliner nächstes Jahr sollten somit die HOSEN sein, VOLBEAT würden auch perfekt passen, aber insgeheim erhoffen wir uns schon lange GREEN DAY! @Setlists: Keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit


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