09.10.2013, ((szene)) Wien

THE DILLINGER ESCAPE PLAN

Veröffentlicht am 16.10.2013

Chaotisch, grell, wüst und laut. Dies sind nur einige Aspekte die den Sound der Mathcore-Pioniere THE DILLINGER ESCAPE PLAN ausmachen. Heute gastieren die Jungs aus New Jersey in der Szene Wien und mit im Tumult des Live-Settings sind MAYBESHEWILL sowie die Australier CIRCLES. Während letztere den Abend mit progressiv-melodischen Metal-Elementen eröffnen, setzen MAYBESHEWILL auf Post-Rock. Dass die Bands grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen von Harmonie und Instrumentalisierung haben ist für das Sounderlebnis des Abends keinesfalls hinderlich. Vielmehr sorgt der Mix für ein abwechslungsreiches Set, welches im Chaos gipfeln wird.

Während im Hintergrund schon das DILLINGER Drumset in mysteriöser Verhüllung bereit steht, beziehen MAYBESHEWILL auf der Bühne Stellung. Viel Platz bleibt der englischen Post-Rock Band dabei nicht, dennoch gibt sich das Quintett äußerst dynamisch. Die Band, welche sich selbst gerne als DYI- Kollektiv darstellt, existiert bereits seit 2006. Drei selbst aufgenommene Alben und etliche Tourneen in Europa, Russland und Asien können die Jungs, die dieser Orts noch noch eher unbekannt sind, bereits vorweisen. Das ruhige Intro verspicht ein düsteres Set. Der melancholische Strudel aus flächigen Gitarren und synthetischen Keyboard Klängen ist allerdings erst der Anfang. Die Instrumentalisierung wird zunehmend drückender, der Sound beklemmend und löst sich irgendwann in Wohlklang auf. Im Vordergrund steht Keyboarder Matthew Daly, welcher durch geschickt eingesetzte Sounds die Atmosphäre der einzelnen Songs aufzuwerten weiß. Das Post-Rock Kollektiv kommt außerdem gänzlich ohne SängerIn aus, wodurch der Akzent voll und ganz auf den musikalischen Figuren liegt. Nur gelegentlich werden Monologe oder Gesprächsfetzen aus bekannten Filmen eingebaut und über die erzählerischen Klänge gesampelt. Wilde Jumps und eine ergiegeladene Darbietung sorgen zusätzlich für Anklang im Publikum. So zurückhaltend der Post-Rock von MAYBESHEWILL beginnt, so kraftvoll entwickelt er sich.

Eine halbe Stunde lang darf das Publikum noch frische Luft schnappen bevor THE DILLINGER ESCAPE PLAN vor das selbige treten. Bei den Temperaturen, die bereits jetzt in der Szene herrschen ist das auch bitter notwendig. Als „Prancer“ das Set um 22.00 Uhr eröffnet ist es sogar noch recht angenehm im Konzertsaal. Die vorderen Reihen sind in Bewegung, nach Hinten ist noch einiges an Platz und die Luft schmeckt noch nach Sauerstoff. Spätestens „Farewell Mona Lisa“ lockt dann aber auch die letzten Fans von Raucherhof oder Bar in den Konzertsaal und die Weichen für den Moshpit sind bereits gestellt. Spätestens zu „Black Bubblegum“ hat man, dank Crowdsufer, schon die ersten Turnschuhe im Gesicht und fühlt sich von Scheitel bis Fußsohle durchnässt.

DILLINGER setzten wie erwartete auf Chaos und fordern das Publikum mit grellem Gegenlicht. Die Band ist dank Reflexreaktion der Pupillen erst kaum zu erkennen, mit der Zeit gewöhnen sich aber Auge und Verstand an die Umstände und lernen das flatterhafte Setting gar zu schätzen. Die fünf Jungs aus New Jersey sind gut drauf und nutzen Boxen und Bühnenelemente für knifflige Jumps. Greg –the Tank- Puciato gibt sich publikumsnahe und bringt die konfusen Songs stimmlich einwandfrei rüber. Der muskelbepackte Sänger wechselt dabei problemlos zwischen aggressivem Gekrächze, cleanem Gesang und beweist rhythmische Genauigkeit. Auch beim Rest der Truppe sind sowohl die dystopisch-wütenden Nummern als auch die teils ruhigeren Tracks wie „Nothings Funny“ niet- und nagelfest. Nach den euphorischen Strapazen von „Sunshine The Werewolf“, vom 2004er Album Miss Machine, verschwinden DILLINGER kurz hinter den Kulissen. Gleichzeitig animieren Licht- und Videoinstallationen das Publikum in einen „We want more“-Chorus einzusteigen. Der Encore birgt schließlich nicht nur „Gold Teeth On A Bum“ sondern auch eine Cover-Version des unbehaglichen „Come To Daddy“ von elektronik-Akrobaten APHEX TWIN. Das fordernde Set endet mit „43% Burnt“ und die kräftig beklatschten Musiker versorgen das Publikum noch mit Drumsticks, Plektren und -unüblicherweise- Schwarzbrotscheiben. Die Menge bleibt mit Stirnrunzeln und Hochgefühl zurück. Die Bands des heutigen Abends waren im musikalischen Ansatz grundverschieden, konnten aber gerade deswegen jede auf ihre Weise begeistern. THE DILLINGER ESCAPE PLAN erfüllten zudem jegliche Erwartungen und entführte das Publikum für gute 75 Minuten in eine Welt, in welcher Chaos und Perfektion keine Gegensätze sind.


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