02.12.2013, Arena Dreiraum

Naam

Veröffentlicht am 08.12.2013

Während es draußen zwar schon überall nach klebrigem Punsch riecht und in Kaufhäusern ohrenbetäubende Konsumparolen laufen, gibt es für Advent-Verweigerer dennoch Hoffnung. Glücklicherweise öffnet die Arena auch im letzten Kapitel des Jahres ihre Tore, um Genregänger unter dem Motto „Roadtrip To Outta Space“ in einer musikalischen Zusammenkunft zu vereinen. An diesem Montag spielen NAAM und AQUA NEBULA OSCILLATOR gegen die Weihnachtsstimmung an. Die doomige Atmosphäre lässt das Publikum dabei nicht nur vergessen, welchen Monat wir haben, sondern auch das Jahrzehnt verschwimmt zusehends und verliert jegliche Bedeutung.

Um punkt neun und mit gut 20 Minuten Verspätung starten

AQUA NEBULA OSCILLATOR

endlich mit dem drone-igen Intro zu „Spiritus Mundi“. Neben den mächtigen Synthesizern und Boxen voller Bodeneffektgeräte bleibt den Franzosen zwar kaum Platz im Dreiraum, dennoch verzichtet das Quartett nicht auf zusätzliche mystisch-dekorative Elemente auf der Bühne. Die bunten Pfauenfedern, das DIY- Banner und die Fransenlederjacken bewirken, dass man sich in eine Zeit zurückversetzt fühlt, die man aufgrund von Filmen wie „Forrest Gump“ oder „Cheech & Chong“ zu kennen glaubt. Aber wer den Schein erst einmal akzeptiert hat, weiß ihn schließlich zu genießen. Weder der schräge Gesang, bei dem Sprache und Melodie völlig nebensächlich sind, noch die hippiesken Sitar-Klänge vermögen dann beim Zuhörer ein Gefühl von Klischeehaftigkeit zu erzeugen. Für ein simples 70s Plagiat klingen AQUA NEBULA OSCILLATOR ohnehin viel zu rüpelhaft. Die Performance ist kantig, die Musik wirr und düster. Die französischen Psychedelic-Rocker kümmern sich wenig um Struktur und Kontext sondern legen sich lieber an den jeweiligen Instrumenten ins Zeug. Die Liebhaberei fürs Detail lässt sich dabei nicht nur an den Eigenbau-Retro Gitarren erkennen, sondern auch an der Vielfalt von Trommeln, Flöten, Synths und Gitarren die live zum Einsatz kommen. Was dabei herauskommt ist wild, ungezwungen und manchmal ein bisschen zu ungestüm. Nichtsdestotrotz ist das Set kurzweilig und stellt eine nahezu perfekte Vorstufe für die kommende Show von NAAM dar.

Auch die spacigen Psychedelic-Rocker

NAAM

aus Brooklyn, New York, lassen etwas auf sich warten. Ab 22:25 steht das Quartett aber topmotiviert vorm Publikum und im Begriff die Menge an- und aufzuheizen. Da es draußen nur knapp über Null Grad hat und der Dreiraum anscheinend mit einer hervorragenden Lüftung jedoch fehlender Isolierung ausgestattet ist, trägt die ZuhörerInnenschaft einstimmig Winterjacken, Handschuhe und auch ein paar Hauben und Kapuzen wurden einfach aufbehalten. Doch bereits die ersten Takte von NAAM versprechen Bewegungsdrang und Wärme. Der zurückhaltende aber energische Sound wird von einer ausgefeilten Performance begleitet. So ist zum Beispiel John Bundy nur als grauer Schatten mit Longscale-Fortsatz zu erkennen, wenn ihm Haare und Bart bei den dröhnenden Bass-Einlagen um die Ohren fliegen. Bemerkenswert ist die Intensität der Stimme des Bassisten, denn selbst schwierige Intervalle, bei denen man schon um die Live-Qualität bangte, werden souverän ins Mikrophon geplärrt. Sänger Ryan Lugar hingegen sieht aus, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan als betrübte Songs zu singen und schwarze Karottenhosen zu tragen. Über den langen, dünnen Beinchen tanzt elegant die rein-weiße E-Gitarre und darüber schmiegt sich ein gepflegter Oberlippenbart ganz nahe ans Mikrophon. Visuelle sowie musikalische Darbietung wirken penibelst durchdacht und überzeugen schlichtweg durch Hingabe.

Obwohl die Combo aus Brooklyn erst zwei Alben und einige EPs veröffentlicht hat, ist das Programm abwechslungsreich und beweist Vielfalt im Retro-Repertoire. Klares Highlight ist dabei ”The Starchild” von der 2012er EP, welches das Publikum noch tiefer in den psychedelischen Strudel von NAAM hineinzieht. Es scheint sogar, als wären die etwa 50 Besucher des Dreiraums gerade ein Stückchen näher zusammengerückt. Spätestens zu „Kingdom“ findet man sich bereits in einer fast heimeligen Atmosphäre wieder, in der sich alle gemeinsam zu den dumpfen Rhythmen wiegen. Die Übergänge zwischen den Songs sind dabei unwichtig. Sie tangieren das Bewusstsein meist nur am Rande. Zu gleichmäßig und stetig fließen die Retro Klänge und Orgelelemente über das Publikum hinweg als dass man sagen könnte wo ein Song aufhört und eine andere Welt anfängt.

Allzu bald verklingt leider auch das letzte Echo der maultrommelartigen Stimme und die Band ist bereits im Begriff die Bühne zu räumen. Nach kurzem Zögern und anhaltenden Beifallschören aus dem Publikum greifen die Jungs schließlich doch nochmal zu den Instrumenten, und was da jetzt kommen sollte, das erhöht nicht nur den Adrenalinspiegel sondern auch die Wertschätzung für NAAM. „Drain You“, der mürrisch-affektierte Song vom legendären "Nevermind"-Album, dröhnt mit ohrenbetäubender Lautstärke aus den Boxen und lädt zu einer alternativen Hörweise der Grunge-Ikonen NIRVANA ein. Ein energiegeladenes Schlussspektakel! Wer also keine Lust auf Lebkuchen-Gemampfe und Glühweintrauma hat, hat im Dezember noch einige Möglichkeiten sich auf einen “Roadtrip To Outta Space“ zu begeben. AQUA NEBULA OSCILLATOR und NAAM stellten sich jedenfalls als optimale Alternative zu Christkindlmarkt & Co heraus. Realitätsflucht - garantiert!


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