13.08.2014 - 16.08.2014, Green Park St. Pölten

FM4 Frequency

Text: Suzy
Veröffentlicht am 20.08.2014

Vier Tage

FM4 Frequency

in St. Pölten - sowieso der Ausnahmezustand. Begonnen hat die Festival Madness bereits am Montag Abend, als die ersten Unerschrockenen am Hauptbahnhof ankamen und mitten rein in das Fan-Matchen zwischen SKN St. Pölten und dem LASK aus Linz geworfen wurden … massives Polizeiaufgebot wegen „Risikospiel“ inklusive. Der SKN hat 1:0 gewonnen und wo die ersten Festivalbesucher geschlafen haben, kann ich leider nicht beantworten, wurde doch der Campingplatz erst Dienstag mittag gegen einen „kleinen“ Obolus von € 20,— geöffnet. Die erste Künstlerin der knapp 100 Acts, die wunderbare und gewitzte

CHLOE HOWL

musste ob eines Flugzeugdefekts absagen und so durften die Salzburger

OLYMPIQUE

ran. Die darbten der wenig vorhandenen Aufmerksamkeit, da die kolportierten 40.000 BesucherInnen (in your face, Gabalier! Ich gendere!) im aufkommenden Regen in der Bandausgabe-Schlange standen und es dort weder ein Vor noch ein Zurück gab. Irgendwas lief da schief 2014. Bei

CONOR OBERST

, der dylan-esken Pop zum Besten gab, hielten die Wolken ihre Tränen noch zurück um bei

BIFFY CLYRO

dann die Schleusen zu öffnen. Schottischer Alternativrock von stark tätowierten Männern. Schön, hart und gut. Danke! Der Cut danach war ein bisschen heftig -

BASTILLE

(die von der Autowerbung) boten netten Pop. Aber bei nett blieb’s dann auch.

MACKLEMORE

, das derzeitige hippe Weißbrot unter den schwarzen Rappern, zog seine Hip Hop-Show zu seinem Debutalbum „The Heist“ ab. Hip Hop für die Massen - was hier geboten wurde, war ein Register aus Entertainment- und Show-Qualitäten, made in the USA, made for everybody.

Tag zwei begann mit einer zweiten Absage. Einer Absage, derer viele eh schon gewartet haben: die

BABYSHAMBLES

rund um Pete Doherty cancelten ihren Auftritt, was zu Slotverschiebungen auf der Green Stage führte. Die deutschen Retro-Rocker

KADAVER

trotzten dem Wind und den dadurch verursachten Soundschwierigkeiten. Die Coolness, die da von der Bühne runtersprühte, sprang aber leider kaum auf die bereits vor der Bühne versammelten Menschen über; lediglich ein paar QOTSA-beshirtete Menschen konnotierten die Songs mit wohlwollendem Kopfnicken. Danach folgt Alternative Rock-Ausschussware:

JIMMY EAT WORLD

, damalige Emo-Aushängeschilder (als Emo noch cool und kein Schimpfwort war), spielen ihre Hits. Diese Hits funktionieren bei den damaligen Kids, die heute mitten im Leben stehen, noch immer gut. Das Frequency hat es sich mittlerweile zur Tradition gemacht, kleinere hochkarätige Acts auf der Weekender Stage zu verstecken. So geschah’s auch mit

BRODY DALLE

, der wunderschönen und wunderbaren Ex-Distillers und Ex-Spinnerette und Gemahlin Josh Hommes. Die bot in der knappen Stunde den motivierten Fans ein kunterbuntes Potpourri aus oben genannten Bands und ihrem eigenen Solomaterial. Knochentrocken, rumpelnd und und hart - so funktioniert Punkrock. Frau Dalle zelebriert ihre Punkrock-Attitüde mit wenig Ansagen, lässt die Musik sprechen. Danke. Später am Abend fällt eine schwerwiegende Entscheidung -

SNOOP LION

oder

BLINK 182

? Die Wahl fällt auf SNOOP LION vulgo. SNOOP DOGG. Das Reggae-Alter Ego gleich mal nach einem Song verabschiedet, gibts danach das gesamte Westcoast Hip Hop ABC in einem Konzert; von A wie Ärsche bis Z wie Zündung (von sündteuren Autos) wird alles geboten. Das nenn ich Vergangenheitsbewältigung.

QUEENS OF THE STONE AGE

. Die haben schon immer gut am FQ funktioniert, sind tun’s auch heute. Knochentrocken, vielleicht sogar ein bisschen gelangweilt, aber dennoch hochfunktional bieten die Königinnen einen Querschnitt aus ihren Oeuvre. Homme entschuldigt sein Nicht-Sprechen mit „sorry for not talking but I’m enjoying the shit out of myself“. Und prostet den Fans zu. Speaking of Fans: die waren - wo eigentlich? Wenige fanden sich ein, um den Steinzeitköniginnen zu lauschen. Denen, die da waren, hat’s aber gefallen.

Wenn beim freitäglichen Nachmittagsact

MARTERIA

auf der Space Stage mehr Menschen anwesend sind als beim gestrigen Headliner, nennt man das entweder Fehlplanung oder nicht vorhandenes Trendgespür. Spätestens jetzt ist es offiziell: die Hipster von heute halten wenig von Genregrenzen, die hören, was ihnen gefällt. Oder was gerade der neueste big shit ist.

BELA B

war auch da. Der findet mit seinem Country nicht den Zugang zum Publikum, obwohl er immer wieder versucht, mit dem Publikum zu kommunizieren. Letztendlich schafft er’s doch, und zwar mit der „Ihr habt ein FPÖ-Problem, wir haben andere Probleme“-Tour. Sprach’s und coverte Jimmy Cliff. Die

CRYSTAL FIGHTERS

und

LILY ALLEN

heizen dem Publikum auf der Space Stage ordentlich ein, während auf der Green Stage dem Punk gehuldigt wird. Soll heißen:

MILLENCOLIN

sind da,

SKA-P

heizen den Fans mit Antifaschista! und Antiracista!-Rufen ein und machen schlussendlich Platz für NO FX. Die haben’s ganz schön schwer, mit ihrem überhöht lustigen Punk (we’re not here to insult you, we’re here to play music!) gegen den skurrilen

SKRILLEX

anzukämpfen. Auf der Weekender tobte ein anderer Orkan, und zwar der der

ROYAL BLOOD

s. Die Briten funktionieren nach dem folgenden, sehr einfachen Prinzip: (Wolfmother + White Stripes) / Airbourne. Kerr und Thatcher rumpeln sich herrlich schwerfällig durch ihr Set, scheissegal, ob da draussen der Skrillex-Orkan bebt. So soll es sein.

Tag vier beginnt mit einer neuerlichen schweren Entscheidung: BO NINGEN und GUIDA spielen zeitgleich - ich entscheide mich für die unbekannteren der beiden: für die Japaner BO NINGEN. Die kennt mal wieder kein Mensch, spielen somit vor nicht so vielen Menschen.Aber: großes großes Kino! Die mittlerweile in London ansässigen Tokioter spielen sich selbstvergessen durch ihr psychedelisches Set, vermischen Noise und Punk und sind sich selbst genug. Kann Musik bitte immer so sein?

GLORIA

, das ist die Band von Klaas Heufer-Umlauf (das ist wiederum der kleinere von Yoko & Klaas), haben Herbert-Grönemeyer-esken Deutschrock im Gepäck, der ein bisschen zu sehr wie vom Reissbrett klang. Das war zu glatt und zu schön. Wie der Heufer-Umlauf halt.

KYLE GASS

, der stellt unter anderem die musikalisch talentiertere Hälfte von Tenacious D dar, präsentierte Rock zur Kaffeejausenzeit. GASS machte sein Auftritt unheimlich viel Spaß, er erwähnte einige Male, dass er gerne wiederkommen möchte. Dem Publikum im Wavebreaker machte es Spaß, draussen war der Jubel eher verhalten. Der Jubel brandete aber bei den

SUBWAYS

auf; die sind zum gefühlten tausendsten Mal auf der FQ-Stage und vermutlich zum dreieinhalbtausendsten Mal in Österreich. Und dennoch - das Duo funktioniert nach wie vor als Stimmungsmacher und Publikumsmagnet.

HELGE SCHNEIDER

auf der LOL-Stage war für zwei Premieren am Frequency verantwortlich: Erstens flog bei ihm der einzigste BH auf die Bühne und zweitens musste er nach knapp 90 Minuten Spielzeit abbrechen, weil seine Bühne gestürmt wurde. Chapeau, Monsieur Schneider - du bist mehr Punk als 95% der Bands zusammengenommen. Der Headliner am Samstag - und somit Abschlussact - sorgte zwei Jahre zuvor für die wohl spontanste Konzertabsage in der Geschichte des Frequency:

PLACEBO

. Im Jahr 2014 spielten die Mannen um Brian Molko zwar ihren Gig, Stimmung kam aber außerhalb des Wavebreakers kaum eine auf.

Summa Summarum bleibt dennoch sowas wie ein schaler Nachgeschmack, der allerdings nichts mit dem Festival an sich zu tun hat. Dieses war - bis auf den Mittwoch - wie immer sehr gut organisiert, durchdacht und gebookt. Der Nachgeschmack, der wie eine alte Socke im Mund schmeckt und nicht weggeht, hat mehr was mit den Festival-BesucherInnen zu tun: Dass am Festival und gerade am Campingplatz nicht unbedingt ein hoher Hygienestandard herrscht, ist mir klar. Aber: muss man deswegen wirklich alles, und zwar wirklich alles, neben die riesigen, unübersehbaren Mistkübel schmeissen? Und: Der Großteil scheint sich wenig bis gar nicht für die Acts zu interessieren („wos? Die Ärzte spielen ned? Nur der Bela? Oida ….“), sondern mehr Interesse an der Kopulation zu haben und sogleich das Festival mit einer Art zweiten Maturareise zu verwechseln. Festivals müssen als Massenware funktionieren, sie müssen unter den Stern der Gewinnmaximierung so viele Menschen als möglich anziehen - aber die Qualität der gebuchten Acts darf darunter nicht leiden!


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