01.10.2015, HARLY Coffee Bar, Innsbruck

ECLIPSE, REACH

Veröffentlicht am 07.10.2015

Der Abend stand eigentlich unter keinem guten Stern, gastierte doch heute auch die tolle JEX THOTH in Innsbruck und beim Betreten des Ha-Ly-Parkplatzes wurde man zuallererst von einem Spruch empfangen, den wahrscheinlich fast jeder Leser dieser Zeilen schon einmal vernommen hat. “Excuse Me, Do You Speak English?” schallte es in mein Ohr. Ja, die Truppe, die früher als DEFRAGE ihre zweifelhaften Spuren durch´s Land zog, setzt ihre Keilertätigkeit nunmehr munter unter dem ILLUMENIUM-Deckmäntelchen fort und labert an diversen Hotspots alle an, die Ohren am Kopf haben. Viele der Leser haben den Esten mit dem Erwerb eines Tonträgers vermutlich einen passablen Lebensunterhalt sowie CD-Absatzzahlen ermöglicht, von denen wahrscheinlich 95% der brav musizierenden Bands nur träumen können. Mehr dazu und zu den Methoden der Band könnt ihr in unserem ausführlichen Artikel von Kollegin Anthalerero lesen! Es hieß jedoch die lästigen Keiler eiligst abzuwimmeln, schließlich galt die eigentliche Aufmerksamkeit den wirklich guten Music-Acts, die heute Innsbruck beehren sollten! Doch bevor die Melodic-Durchstarter der Stunde die Bühne entern durften, gehörte die Stage den schwedischen Youngsters REACH. Nach einer ausgiebigen Background-Beschallung mit W.A.S.P. kündigte Resident DJ Tito kurz vor 21 Uhr den ersten Act der heutigen Hardrocknacht Deluxe an, die (zum wiederholten Male) bei freiem Eintritt stattfand!

Full House schon bei REACH

Full House schon beim Support REACH

REACH

Die Schweden REACH ließen sich nicht lange bitten und gingen gleich von Beginn an in die Vollen. “You Called My Name” vom heuer veröffentlichten Debutalbum schallte als erstes Sahnestück durch die Ha-Ly-Anlage. Ein sehr gelungener Opener, dem noch weitere kleine Perlen melodischer Hardrockkunst folgen sollten, von denen sich vor allem tolle Cremeschnitten wie “Black Lady” und “Looking For Love” im Ohr festfraßen. Sänger Alex Waghorn kämpfte heute ein wenig auf verlorenem Posten. Das Publikum war noch zu wenig warm, um seinen Mitklatschaufforderungen nachzukommen, seinen adoleszenten Charme konnte der Feschak auch nicht an die (zahlreich anwesende) Frau bringen und auch stimmlich konnte er heute (vor allem aufgrund der Abmischung) nicht alle Trümpfe ausspielen. Dennoch spendete das Auditorium der Performance der jungen Skandinavier auffallend lauten Applaus. Nicht schlecht dabei der Ausflug von Gitarrist Ludvig Turner, der auch die eigentliche Ha-Ly-Bar als Bühnenbretter mißbrauchte und hoch über den Köpfen der erstaunten Zuschauer einige Riffs zum Besten gab. REACH spielten heute wohl nicht den besten Gig ihrer Laufbahn, empfahlen sich mit ihrem 45minütigen Gig aber nachdrücklich für höhere Weihen. Zu stark sind die Titel ihres kürzlich erschienen Debutalbums "Reach Out To Rock. Dank Faserschmeichlern wie „Tell Me“ sollte die Platte eine verdammt gute Basis für eine erfolgreiche Genrekarriere sein. Am Setende wurde noch die AVICII-Coverversion „Wake me up“ platziert, welche ein wahrer Türöffner für die Band war, knackte der Titel auf YouTube doch schon längst die 1,6 Mio.-Views-Marke und ließ heute auch jene hinhören, die ansonsten noch nicht so vertraut mit der Band waren.


Große Melodic Hardrock-Hoffnung: ECLIPSE aus Schweden

ECLIPSE

Nach dieser lässigen Aufwärmrunde kam es allerdings noch besser. Nach den grandiosen H.E.A.T (zum Livereport) sollte uns die Innsbrucker Rock-Kneipe mit echten Hoffnungträgern auf dem Melodic Hardrock-Markt überraschen. Fachkundig ausgewählt und gebucht, durfte Innsbruck der Ort sein, an dem die Schweden ECLIPSE (wie auch REACH zuvor) ihr erstes Österreich-Konzert überhaupt absolvieren durften. Für die Ö-Premiere zeigte sich das Ha-Ly von seiner besten Seite und bot teils weitgereiste Gäste im Publikum auf (Wien, München, Ungarn etc.), welche die Qualitäten des heutigen Headliners zu schätzen wußten. Ein recht voll gepacktes Lokal bereitete dem jungen Quartett einen gebührenden Empfang. Von Anfang an war der Klassenunterschied zum Support bemerkbar, der sich auch in zumindest den letzten beiden Studioalben unüberhörbar manifestierte. Vor allem "Armageddonize" ist für mich im heurigen Jahr das Nonplusultra was den Melodic-Sektor betrifft. Matchten sich letztjährig noch BROTHER FIRETRIBE "Diamond In The Firepit" und H.E.A.T "Tearing Down The Walls" um diesen Titel, so ziehen heuer ECLIPSE mit Riesenvorsprung durch die Ziellinie. Und genau mit dem überaus knackigen „Armageddonize“-Eröffnungsdouble zeigten die Schweden von Beginn an musikalische und vor allem kompositorische Muskeln. „I Don´t Wanna Say I´m Sorry“ ist ein fetziger Smasher vor dem Herrn, der jeden Fan geschmeidiger und packender Melodien sowie Stromgitarren in seinen Bann ziehen muß. „Stand On Your Feet“ sorgte dafür, dass das tolle Einstiegsfeeling beibehalten wurde, bevor „Wake Me Up“ eine Rückschau auf das ebenfalls großformatige “Bleed And Scream" bot. Auch das famose „Battlegrounds“, eine echte Hommage an den verstorbenen GARY MOORE, unterstrich die Klasse des Vorgängeralbums.

ECLIPSE-Fronter Erik Martensson ließ nichts anbrennen

Die Show war voll in Fahrt, Gitarrist Magnus Henriksson und auch Sänger Erik Martensson unternahmen immer wieder „Höhenflüge“ beim Erklimmen der balkonartigen Absperrungen (um den doch etwas eingeschränkten Spielraum auf der kleinen Bühne zu erweitern) und punkteten mit Sympathie, spritziger Bühnenpower und fehlenden Berührungsängsten. Der mit Unterbrechungen schon über 15 Jahre umtriebige Stockholm-Vierer (insgesamt fünf Studioalben) konnte dank der immens flockigen Granaten, die sie im Talon haben, zurecht völlig befreit und der Gewißheit der Erstklassigkeit aufspielen. Gut geölt und eingespielt waren die Jungs ja ohnehin, absolvierte man vor der Innsbruck-Show doch schon 12 Konzerte auf der laufenden, 15 Gigs umfassenden Tour. Im Vergleich zu ihren schier übermächtigen Landsmännern H.E.A.T samt ihrer Ausnahme-Rampensau Erik Grönwall überzeugten ECLIPSE als Einheit und mit ihrem zwingenden Songmaterial. „Breakdown“ und das überragende „Blood Of The Enemies“ leiteten schließlich in ein Drumsolo (Zeugler Robban Bäck spielte u.a. auch schon bei SABATON) sowie eine kleine Jam über, die Gelegenheit für Fronter Erik, ein wenig Luft zu schnappen. Zeit für´s Grande Finale, das von einer Coverversion von W.E.T. eingeläutet wurde. Kenner wissen, dass der ECLIPSE-Sänger ja auch Mitglied und tragende Säule dieser von JEFF SCOTT SOTO angeführten Truppe ist, die zuletzt mit einem Livealbum (zum Review) am Start war. Das starke „One Love“ wurde erwartungsgemäß stilecht und hingebungsvoll interpretiert. Ein Ausflug in ältere Gefilde unternahm „To Mend A Broken Heart“, bevor das treibende „Ain´t Dead Yet“ und der „Bleed & Scream“-Titeltrack mit ihrer Cremigkeit und einschmeichelnden Intensität fesselten.

Auch Gitarrist Magnus Henriksson wollte hoch hinaus

ECLIPSE ließen sich nicht lange bitten und feuerten noch das geschmeidige „S.O.S.“ und die Achtziger-Reminiszenz „Breaking My Heart Again“ (vom 2008er "Are You Ready To Rock"-Album) nach, bevor sich die Jungs unter gebührendem Applaus zum Signieren und Plaudern an den Merchandise-Stand verabschiedeten. Innsbruck erlebte wiederum eine Machtdemonstration melodiösen Hardrocks in heimeliger Atmosphäre. Dort, wo der echte, authentische Rock seinen Ursprung findet, nämlich in der Club-Atmosphäre, wo man die Befindlichkeiten der Musiker noch aus ihren Augen ablesen kann, Rockgeschehen hautnah greifbar ist, aufgesogen und gelebt werden kann, während sich andere eher an Wacken-Live-Übertragungen ergötzen. Ob ECLIPSE den Sprung auf die ganz, ganz großen Bühnen schaffen werden, bleibt zu hoffen, denn sie sind eine unglaublich tolle Band, die hoffentlich einen Erfolgsweg einschlagen wird können, der ihren über die Jahre und Alben gesteigerten Qualitäten gerecht wird. Auch wenn die Zeiten der immensen Charterfolge von Acts wie EUROPE samt Rockstarleben, Groupies und Geldscheffeln längst vorbei sind, und vor allem die Melodic-Szene kleine(re) Brötchen backen muß, gibt es eine vitale Hardrock/Melodic-Szene in Ikea-Country (W.E.T., NUBIAN ROSE, HOUSTON, CRAZY LIXX etc.), die mit viel Euphorie und Herzblut in die Fußstapfen von TREAT oder TALISMAN treten (wollen). All diesen “Sweden Rocks”-Combos ziehen jedoch H.E.A.T und auch ECLIPSE im Eiltempo davon und schlagen in der Melodic-Königsklasse in der Tradition der ganz Großen mächtig Alarm! Dank (auch für die Pics) gebührt einmal mehr Tito, der den anwesenden Melodic Hardrock-Freunden nach diversen Hochkarätern einen weiteren musikalischen Hochgenuß der Extraklasse bescherte!

Setlist:

  • I Don't Wanna Say I'm Sorry
  • Stand On Your Feet
  • Wake Me Up
  • The Storm
  • Battlegrounds
  • Breakdown
  • Love Bites
  • A Bitter Taste
  • Blood Enemies
  • Drum Solo/Instrumental Medley
  • One Love (W.E.T.-Cover)
  • To Mend A Broken Heart
  • Ain't Dead Yet
  • Bleed & Scream
  • S.O.S.
  • Breaking My Heart Again

 

 


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