30-12-2015, Rockhouse-Bar, Salzburg

Raunächte 2015 - FINSTERFORST & DREAD SOVEREIGN & BIFRÖST & ANOMALIE

Text: Anthalerero | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 02.01.2016

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Der Abschluss des Stormbringer'schen Konzertjahres fand dieses Jahr in Salzburg statt, wo in der Rockhouse-Bar zum Jahreswechsel den Gebräuchen der Raunacht gefrönt wurde. Welch fast pathetische Einleitung möchte man meinen, doch ausnahmsweise findet diesbezüglich keine Übertreibung statt - den Titel "Raunächte" trug die Tour nämlich keinesfalls zu Unrecht. Zum einen versinnbildlichten die teilnehmenden Bands - die da waren FINSTERFORST, DREAD SOVEREIGN, BIFRÖST und ANOMALIE - die wilde Jagd, die zur Mitte der Raunächte (oder auch Zwölfnächte genannt) aufbricht, wenn die Tore zum Geisterreich offen stehen, die Geister und Seelen der Verstorbenen ausziehen und die Dämonen durch die Lande streifen. Zum anderen gilt als traditionelles Brauchtum der Raunächte auch das Beräuchern von Ställen und Wohnräumen zum Schutz und zur rituellen Reinigung, welches in Form einer Räucherkünstlerin, die ihre rauchenden Schalen in der Bar verteilte, ebenfalls an diesem Abend Anwendung fand. Es blieb die Frage ob man damit tatsächlich Dämonen fernhalten wollte, oder nicht doch eher allzu normale Personen, die von der dargebotenen klanglichen Kunst verschreckt werden hätten könnten? Man weiß es nicht, dennoch rümpften einige Besucher ein wenig die Nase ob der kunstvollen Räucherei, und fragten gar "was stinkt denn hier so?". Gut, über Geschmack kann man sich streiten (der Verfasser beispielsweise verabscheut Weihrauch, etwaige Zusammenhänge mit dämonischer Präsenz und kirchlicher Verwendung des Räuchergutes sind selbstverständlich nicht beabsichtigt und rein zufällig!), aber immerhin haben wir es hier nicht mit WATAIN zu tun, die bekannterweise gerne angegammelte Schweinshaxen oder ähnliche halbverwesende Dinge zur Stimmungserzeugung unter Bühnen und Equipment verstecken - der Verfasser muss dies wissen, durfte er doch in der Vergangenheit bereits zurückgelassene Stinkbomben angesprochener schwedischer Schwarzwurzeln entsorgen.

Das härtet ab. Allerdings nur gegen den Geruch, nicht gegen dauernörgelnde Konzertbesucher, die anscheinend zum einzigen Zwecke auf Konzerten erscheinen, um sich darüber aufzuregen, dass ja doch alles scheiße ist. Die Bands sind scheiße, der Sound ist scheiße, die Leute sind scheiße, auch das Wetter ist dauernd scheiße, genauso wie die eigene Wohnsituation scheiße ist und es überhaupt scheiße ist, dass das Geld dauernd zu wenig ist. Wie es eben so ist, bleiben manche Leute einfach im Gedächtnis haften - vor allem dann, wenn sie einem mehrmals über den Weg laufen und jedes Mal so - Nomen est omen! - scheiße drauf sind. Wenn der Konzertabend dann alles andere als scheiße war, dann gibt es eigentlich nur noch eines zu sagen... DANN BLEIB HALT ZUHAUSE UND NERV UNS NICHT, VERDAMMT! @$$"($/%"/§(§$%!!! *rest zensiert* *schnaub*

Nachdem wir nun darüber zum bevorstehenden Jahreswechsel auch noch einmal gesprochen haben, da man ja nicht belastet ins neue Jahr starten sollte, können wir uns nun unbelastet der wilden Jagd aus Bands widmen, die durch den Stollen der Rockhouse-Bar tobten.


Vergleichsweise früh starteten ANOMALIE in die Nacht. Als Soloprojekt von Marrok (SELBSTENTLEIBUNG, HARAKIRI FOR THE SKY) gegründet, fand man sogleich einige bekannte Gesichter von erwähnten beiden Bands auf der Bühne wieder - und einige davon sollte man kurz darauf gleich noch einmal sehen, da sie sich überdies mit der Besetzung von BIFRÖST überschnitten. Doch halten wir uns nicht damit auf, zu fabulieren wer wann und wo wie lange mit welcher Band trommelte, die Gitarre würgte oder ins Mikro hustete - konzentrieren wir uns auf den musikalischen Aspekt. Dieser stellte sich nämlich für den Berichterstatter, der bekanntlich nebst zuckrigem Songmaterial auch melodisch-atmosphärischen Klängen aus dem Universum der Schreihälse sehr zugetan ist, als handfeste Überraschung heraus.

Getragene, ausladende Kompositionen mit klanglicher Tiefe wurden dem Publikum kredenzt, dargereicht in ausnehmend guter Soundqualität. Melodische Gitarrenläufe kreierten eine dichte, melancholische Atmosphäre, die die Türen zur Welt eines apokalyptischen Soundtracks weit aufstieß. Kippen wir doch einmal sämtliche Schublädchen über Bord und werfen die Genre-Scheuklappen in die Ecke - so klingt ein symphonischer Soundtrack, der ohne Orchester auskommt. In diesem archaischen Universum aus Tönen gingen die Musiker voll auf und verzichteten bewusst auf pathosschwangeres Stageacting, zeigten sich vielmehr minimalistisch und zurückhaltend, was diese faszinierende, dichte Atmosphäre kreierte, die einen unweigerlich in seinen Bann zog. Allerdings zeigten sich so einige der bereits zahlreich anwesenden Zuschauer von den langen, komplexen Songbrocken überfordert und wussten nicht so recht, was sie damit anfangen sollten. Es sei ihnen verziehen, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Für den Berichterstatter gab es jedenfalls ganz großes musikalisches Kino zu hören, das bei weitem nicht ausreichend laut beklatscht wurde.


Die Umbaupause hin zu BIFRÖST hielt sich sodann in Grenzen, stand doch bereits beim Opener die halbe Mannschaft der heimatlichen Pagan-Metaller auf der Bühne. Für den bereits bei den Blastbeats von ANOMALIE ordentlich ins Schwitzen gekommenen Drummer ging es quasi nahtlos im Up-Tempo weiter - und auch das Publikum wachte bei BIFRÖST schnell auf. Da wurden in den vorderen Reihen der etwa halb vollen Bar gleich einmal die Haarpropeller angeworfen und so mancher grölte herzhaft mit. Erste Versuche eines Moshpits waren auszumachen und einige Reihen aus gen die Decke gereckten Fäusten spornten die Band an. Dennoch war bei BIFRÖST an diesem Abend ein wenig der Wurm drin.

Durch den Zeitdruck und die Doppelbelastung der Musiker wollte die Performance nicht so stimmig rüberkommen, wie man das von BIFRÖST ansonsten gewohnt war. Wenige Ansagen, kaum Kommunikation mit dem Publikum und überdies sehr leise eingestellte Vocals trübten das Vergnügen der schwungvollen Pagan-Kost, da war die gebrochene Fußmaschine nur noch ein weiterer Puzzlestein im Mosaik des etwas durchwachsenen Gigs. Nicht dass man die Show von BIFRÖST als schlecht bezeichnen hätte können, beileibe nicht! Die in den vorderen Reihen so richtig abschädelnden Zuschauer legten ein Zeugnis davon ab, dass hier eine richtig starke Live-Band am Werke war - aber man kam als aufmerksamer Beobachter nicht umhin zu bemerken, dass das Zusammenspiel an diesem Abend nicht so ganz harmonisch war. Der solide Auftritt fiel aber beim Publikum auf fruchtbaren Boden und wurde mit ansprechendem Applaus belohnt.


Mit den irischen DREAD SOVEREIGN kam dann der nächste Brocken auf das Publikum zu und es zeigte sich sehr schnell - der Großteil der Besucher an diesem Abend war für das Nebenprojekt von PRIMORDIALs Alan Nemtheanga im Rockhouse erschienen. Spannung flirrte in der Luft, als der Dreier mit souveränem Auftreten die Bühne für sich in Beschlag nahm. Nemtheangas B.C.-Rich-Axt vielleicht einen kleinen Zacken zu laut aufgerissen, wurde die Bar von einer Doom-Walze sondergleichen überrollt. Atmosphärisch. Unheimlich. Bedrohlich. Das sind nur einige der Attribute die einem in den Sinn kamen, bei dieser musikalischen Lava, die sich ihren Weg durch die Eingeweide der Zuschauer bahnte, von dort die Wirbelsäule entlang kratzte und schließlich einmal quer durchs Stammhirn waberte und wummernd vom Schädelknochen widerhallte.

Knackige, rotzfreche Ansagen sorgten für die richtige Stimmung, die Bassdrum bäumte sich unter den kraftvollen Tritten des geradezu manisch agierenden Sol Dubh (PRIMORDIAL) auf, und man musste geradezu Angst haben, dass dieses Tier das Teil quer über die Bühne mitten ins Publikum tritt. Mächtige Riffs des außer Rand und Band geratenen Gitarristen Bones hämmerten auf die Besucher ein, die ihre Matten hypnotisch im Takt kreisen ließen. Was für eine Vorstellung - selbst wenn man mit Doom-Klängen ansonsten wenig am Hut hat, dieser Sound packte einen einfach direkt bei den Eiern. (Einmal kräftig zudrücken, dann hätte die gequälte Miene des dauernörgelnden Besuchers endlich mal Sinn ergeben!) Neben bleischwerem Doom, unterbrochen von Nemtheangas charismatischer Stimme, war aber immer noch Zeit der kürzlich überraschend verstorbenen Legende Lemmy zu huldigen - mit lässig eingewobenen Tribute-Riffs, locker von der Hand heruntergezockt und ohne in Konflikt mit dem eigenen Material zu kommen. Verständlich, dass das Publikum nach ausgefüllter Spielzeit von DREAD SOVEREIGN lauten Applaus spendete und hartnäckig nach einer Zugabe verlangte. Nach kurzer Nachfrage beim Veranstalter und der nachfolgenden Band wurde der Wunsch des Publikums erfüllt - die bereits im Abbau begriffenen Musiker stöpselten ihre Instrumente kurzerhand noch einmal ein und walzten mit einem weiteren Brocken über die Zuschauer in der Bar hinweg. Der heimliche Headliner hatte seinen Status amtlich bestätigt, ein unheimlich starker Auftritt!


Egal was FINSTERFORST danach auch machten - die Atmosphäre ihrer Vorgänger auf der Bühne konnten sie nicht mehr erreichen. Aber das wollten sie auch nicht, denn die sieben Deutschen hatten sich gänzlich andere Präferenzen auf die Fahnen geschrieben. Mit folkigen Klängen (Keyboard und Akkordeon inklusive) wurde eher die Party-Fraktion angesprochen, während sich die Liebhaber schwermütiger Klänge, durch die Soundwand der Vorgängerband ausreichend bedient, nobel zurückzogen. Übrig blieb ein vergleichsweise kleines Häufchen an Besuchern, das die Deutschen dafür aber umso härter abfeierte. Und diese wussten auch ganz genau was sie ihren Fans schuldig waren - eine energiegeladene Show, die ordentlich Dampf in den Gassen, pardon, der Bar machte. Und das sogar im wahrsten Sinne des Wortes, hatten FINSTERFORST doch zwei Nebelwerfer mitgebracht, die stimmungsvoll beleuchtete Dampfsäulen gen Decke jagten. Dazu gab es noch sympathische Ansagen von Fronter Oliver, der immer wieder die Kommunikation mit dem Publikum suchte, Zwischenrufe aufgriff, humorig konterte und auch die Gesangskünste der Besucher austestete, in dem er reihum jedem in der ersten Reihe einmal das Mikrofon unter die Nase hielt.

Schwachpunkt der Show war leider der Sound, der sich bei FINSTERFORST ausnehmend matschig präsentierte - die breit aufgestellte Instrumentierung war für die zu fortgeschrittener Stunde eindeutig einen Zacken zu laut aufgerissene Anlage wohl zu viel. Die Zuschauer störte es nicht, die ersten Reihen gingen einfach nur brutal ab und peitschten sich gegenseitig mit ihrem Haupthaar aus. So mancher schwankte danach nicht wegen übermäßigem Alkoholkonsum, sondern aufgrund eines leichten Schleudertraumas der gründlich durchgebeutelten Gehirnwindungen. Ein Lob an dieser Stelle an die Band - so eine energiegeladene Performance hinzulegen, und das ohne größere Unfälle auf der für sieben Leute eindeutig zu kleinen Bühne in der Bar, nötigt schon Respekt ab. (Der Rezensent erinnert sich an dieser Stelle an die ebenfalls überfüllte Bühne bei TUXEDOO einige Wochen zuvor, oder die letztjährige Musiker-Stapelei, als an gleicher Stelle TROLLFEST das Kunststück vollbrachten, sich zu acht auf der Bühne häuslich einzurichten.)

Sei es wie es sei, FINSTERFORST lieferten eine coole Show ab, die einen würdigen Abschluss unter das Konzertjahr 2015 setzte - auch wenn es nach dem ersten Abgang der Musiker von der Bühne ein wenig dauert, bis die Besucher sich erbarmen endlich nach einer Zugabe zu brüllen, die es selbstverständlich auch noch auf die Mütze gibt. Der Schlussapplaus fällt dem Zuschauerschwund entsprechend etwas leiser aus als bei DREAD SOVEREIGN - aber das lag keinesfalls an der beherzten Show von FINSTERFORST, sondern vielmehr am persönlichen Geschmack der Zuseher.

Jetzt heißt es erst einmal die Eindrücke der Raunächte 2015 zu verdauen, dessen vier Bands sowohl Liebhaber der ausladenden und schwermütigen Klänge, als auch der heidnisch-folkigen Partyfraktion ansprachen. Ein würdiger Ausklang, kann man da nur sagen. 2015 wäre dann einmal abgehakt - 2016 steht bereits in den Startlöchern und der Konzertkalender ist bereits jetzt wieder ziemlich dicht gefüllt!


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