10.05.2016, Chelsea, Wien

MUSTASCH & EXILIA

Text: Florian Rosenberger | Fotos: Kalti
Veröffentlicht am 17.05.2016

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Endlich ward der Tag gekommen, an dem MUSTASCH wieder einmal die Bundeshauptstadt beehrten, nachdem der erste Teil ihrer Europatour zum aktuellen Album „Testosterone“ in der Nähe wieder nur München gestreift hatte. Nach meiner ersten Begegnung mit dieser, meiner Meinung nach, coolsten Liveband der Welt 2008 im Rahmen des Metalchamp-Finales im Gasometer musste ich lange fünf Jahre warten, bis ich MUSTASCH am SUMMER BREEZE 2013 als mein persönliches Highlight wieder sehen konnte. Das darauffolgende Club-Konzert im Dezember im „Viper Room“ war definitiv eines der besten, das ich jemals besucht hatte, war ich damals schließlich nicht nur wegen des Alkohols berauscht.

Einen Tag nach dem Show-Overkill von MUSE in der Stadthalle und einen Tag vor dem Arena-Open-Air-Konzert von WOLFMOTHER sollte am 10.05.2016, einem Dienstagabend, das Club-Konzerthighlight im „Chelsea“ stattfinden. An der Performance der Bands gab es nichts zu bekritteln, auch wenn der Support EXILIA musikalisch kaum etwas mit dem Headliner MUSTASCH am Hut hat. Die späten Beginnzeiten von EXILIA um 21:40 Uhr und von MUSTASCH um 23:00 Uhr, Zeiten, an denen die Konzerte von MUSE und WOLFMOTHER schon längst vorbei waren, trübten leider meine Stimmung.

Den Bands kann man das zwar kaum vorwerfen – hatten sie doch gerade eine Anreise von Hannover hinter sich und mussten sie sich doch am nächsten Tag auf den Weg zum weitentfernten Dornbirn machen –, doch eine stressfreie Tourplanung sieht anders aus. Zusätzlich hatten EXILIA auch noch Probleme mit ihrem Tourbus und kaum geschlafen – zumindest Sängerin Masha Mysmane sah ziemlich fertig aus. Wenigstens war meine Anreise aus OÖ stressfrei und es blieb auch noch Zeit, ein paar Worte mit dem Merchandise-Typen zu wechseln, den ich bereits beim „Viper-Room“-Konzert 2013 als Tourmanager kennengelernt hatte.

EXILIA hatten sich in den 2000er Jahren in Österreich vor allem auf Festivals, aber auch als umtriebiger Support-Act von GUANO APES, H-BLOCKX, CLAWFINGER, ILL NINO und RAMMSTEIN einen Namen gemacht. Die hohe Zeit der meisten der genannten Bands ist aber schon lang vorüber und das gilt auch für EXILIA, deren Liebe zur Musik nach wie vor größer ist, als die zum kommerziellen Erfolg. Und so veröffentlicht die italienische Nu-Metal-Band kontinuierlich ihre Alben, die musikalisch wie auch soundtechnisch durchaus noch ihre Berechtigung haben, obwohl das Genre schon sehr ausgelutscht wirkt und somit auch nur mit geringem medialen Echo gerechnet werden kann.

Die Setlist an diesem Abend bestand zu einem guten Teil aus Songs des aktuellen Albums „Purity“, das der nun rothaarigen – die blonden Trademark-Dreadlocks sind verschwunden – Sängerin Masha laut eigener Aussage persönlich sehr viel bedeutet. Aber auch das Vorgänger-Werk „Decode“ war unter anderem mit dem emotional-brachialen „Satellite“ vertreten. Zwischen den engagierten Performances der Songs blieb immer noch kurz Zeit für ehrliche Ansagen, wie jener über die Opfer, die das Musikerleben, vor allem auf Tour, fordert.

Und das sah man vor allem der Sängerin an, die ihre Band um keinen Preis aufgeben würde und mit Carlo Chiarenza an der Gitarre einen kompetenten, wenn auch für die wilde Musik ein wenig zu brav wirkenden, Soundtüftler gefunden hat, der frische Akzente im Bandsound setzt. Bassist Don Privacy war neben dem Spielen der tiefen Töne vor allem fürs Posen zuständig. Aber auch Drummer Marco Campailla trug mit seinem Draufdreschen zu dem fürs „Chelsea“ ungewohnt brachialen Sound bei.

Spätestens als der Hit „Stop playing god” vom Klassiker-Album „Unleashed“ gespielt wurde, hatte EXILIA das anfangs zögerlich verhaltene Publikum im Griff. Zugegebenermaßen freute ich mich schon um einiges mehr auf „meine“ MUSTASCH, weshalb ich nicht so aufmerksam war, und so hoffte ich insgeheim auch schon auf ein baldiges Ende der EXILIA-Show. EXILIA sollten aber definitiv nicht abgeschrieben werden und sie kümmerten sich nach der Show noch mit Autogrammen und Bandfotos, inklusive „Tour-Hund“ von Masha, brav um ihre Fans.


EXILIA

Nach einer unnötig langen Umbaupause – es gab keine Amps auf der Bühne und das E-Drum war bereits im „Nischen-Bogen“ vom „Chelsea“ aufgebaut – betraten MUSTASCH dann endlich um 23:00 Uhr die Bühne. Das reduzierte Equipment mutete erst einmal befremdend an. Die Band spielte komplett mit In-Ear-Monitoring und der Sound kam nur über die P.A. In der ersten Reihe konnte man sogar den Saitenanschlag hören. Laut und fett hört sich anders an, aber genau das zeichnet den Sound von MUSTASCH eigentlich aus. Es ist andererseits durchaus verständlich, dass die Band für ca. 100 Besucher pro Show bei kleinen Clubs mit kleinerer Bühne nicht die komplette Backline quer durch Europa kutschieren möchte  – vor allem nach der fast missglückten Anreise zum „Viper Room“ 2013 (der Tourbus blieb damals bei der Oper stehen) und das Runter- und Raufschleppen über zig Stufen ist schließlich auch kein Spaß.

Ausgeglichen wurde dieser kleine Wermutstropfen durch eine motivierte Band und eine längere Setlist, sodass die Show fast bis 0:30 Uhr dauerte und ich somit gerade noch in die letzte U-Bahn springen konnte. Die „Chelsea“-Bühne besticht ja nicht gerade mit Bewegungsfreiheit. Das ungewohnte E-Drum vom neuen Schlagzeuger Robban Bäck (der auch schon bei SABATON spielte), dessen Double-Bass Drums im Autoreifendesign gehalten waren, passte aber irgendwie perfekt ins Ambiente und erzeugte einen coolen Rhythmussound – eine Mikroabnahme eines richtigen Schlagzeuges ist im „Chelsea“ fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Die coolen Schecter-Gitarren von Ralf und David, die fast nach jedem Song gewechselt wurden, die Lässigkeit, mit der die Band die Bühne betrat, und die Präsenz der Musiker während des Konzerts suchen ihresgleichen. Der Opener „It’s Never Too Late“ vom 2012er Werk „Sounds Like Hell, Looks Like Heaven“ mit seinen eingängigen Lyrics „I like my skeletons…“ ist als einer meiner Lieblingssongs einfach saugeil. Ich liebe es, wenn man die englischen Texte live sofort versteht und beim zweiten Refrain gleich mitsingen kann – das schafften in der Vergangenheit bei mir nur MANOWAR und aktuell GRAND MAGUS.


MUSTASCH

Beim nächsten Song „Down In Black“ wurde in der Diskografie zehn Jahre zurück ins Jahr 2002 zum phänomenalen Debütalbum „Above All“ gegangen, auf das der internationale Erfolg von MUSTASCH aufbaut (ich höre immer wieder Geschichten von Freunden, die damals angeblich MUSTASCH rauf und runter hörten). Leider konzentrierte sich das Management der Band zu sehr auf den schwedischen Markt, wo sie als Superstars gelten. In Österreich aber wurden sie unverständlicherweise nie für Festivals gebucht. MUSTASCH ist die Festivalband schlechthin, die gingen sogar am umstrittenen Frequency bzw. wären für mich ein alleiniger Grund, dorthin zu fahren (bevor ich mir dort wieder LIMP BIZKIT ansehen muss).

Aber zurück zum Konzert: “Mine” vom selbstbetitelten "Mustasch"-Album war als dritter Song der Obergroover schlechthin und bediente mit der Textzeile „Victory is mine” durchaus meine MANOWAR-Affinität. Der neue Track „Be Like A Man“ vom aktuellen Album „Testosterone“ geht in die selbe Richtung weiter und ist live ohne die überfrachteten Soundeffekte der Studioversion um einiges besser. Der Titeltrack des Vorgängeralbums „Thank You For The Demon“ zeichnete sich danach - wie so viele MUSTASCH-Songs - mit einem eingängigen Refrain aus.

Mit “Testosterone” ging es Schlag auf Schlag mit dem Hormonüberschuss weiter und es wurde im Publikum eine Party gefeiert, die sich gewaschen hatte. Schade, dass ich mir unter der Woche die Biere nicht mehr so ohne Rücksicht auf den kommenden Arbeitstag reindreschen kann wie noch in jüngeren Jahren. Einen Gusto darauf hatte ich jedenfalls. Ich ließ es mir aber trotz der Nüchternheit nicht nehmen, die Textzeilen – unter anderem „I’ve always felt rejected" von „Feared and Hated” – lautstark mitzugrölen.


MUSTASCH

Die Klassiker “Double Nature” und vor allem “Bring Me Everyone”, mit der ironischen Zeile ”I need to hurt someone”, vom 2007er Meisterwerk „Latest Verison Of The Truth” waren definitiv Highlights der Show. Die üblichen, oft prolligen Sprüche, meist auf Deutsch wie „Prost ihr Säcke“ von Ralf, kamen erwartungsgemäß gut beim Publikum an. Ebenso der obligatorische Barbesuch des Frontmanns, bei dem er sich seinen Weg durch die Menge bahnte. Die Zeit eines kurzen Drumsolos wurde, wie vom Frontmann angekündigt, zur Rauchpause neben der Bühne genutzt.

Wie auf Speed ging die Metal-Party mit “Speed Metal” weiter und danach gab‘s nur mehr Knüller-Songs wie das atmosphärische “Deep In The Woods” oder das düstere “Heresy Blasphemy”. Es wurden somit einige Publikumsrufe erhört, wie auch das nicht nur von mir geforderte “I Hunt Alone” – ein genialer Song, wie für mich gemacht. Nach dem vermeintlich letzten Song stattete sogar die gesamte Saitenfraktion der Bar einen Besuch ab und kehrte dann noch zu den lässigen Zugaben “Black City” und “Parasite” auf die Bühne zurück.


MUSTASCH

Die Setlist spielte diesmal wirklich alle Stücke, von den neuen Scheiben wurden nur die stärksten Songs, wie eben das erwähnte „Testosterone“, präsentiert – der neue Trademark-Song von einer der coolsten Livebands der Welt. Anscheinend ist eine Reise nach Schweden notwendig, um die Band einmal in einem ihr würdigen Umfeld vor mehr als 100 Fans zu sehen. Zu “Dreamers”, dem Abspannsong, sang Ralf noch die Vocals mit und die gesamte Band bedankte sich beim Publikum, das sich wohl auch bestens bedient fühlen durfte.

Setlist MUSTASCH:

It's Never Too Late
Down in Black
Mine
Be Like a Man
Thank You for the Demon
Testosterone
Borderline
Feared and Hated
Double Nature
Bring Me Everyone
Speed Metal
Down to Earth
Deep in the Woods
Heresy Blasphemy
I Hunt Alone

Encore:
Black City
Parasite


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