26.08.16 - 27.08.16, L.A. Cham, Cham

Mosh Club on Holidays

Text: Lora
Veröffentlicht am 05.09.2016

Gefühlte 50 Grad brennen in meinem Nacken, als ich beim L.A. in Cham ankomme – eindeutig zu warm für mich, aber perfekt für ein Festivalwochenende! Der Parkplatz wurde für die nächsten zwei Tage in einen Biergarten verwandelt, mit Foodtrucks, Grillständen und Bars; und, nicht zu vergessen, einer Bühne, die am Samstag von lokalen Rock-Bands bespielt wird – kostenlos für die, die gerade Lust auf Sommer, Sonne und gute Musik haben. Drinnen in der Halle des L.A. steht für Freitag und Samstag ein hörenswertes Programm auf dem Plan: Bands wie DEBAUCHERY, RAGE und TUXEDOO spielen, und das sogar für einen guten Zweck. Es ist das Wochenende des Mosh Club on Holidays im L.A. Cham, also ein Festivalwochenende voller Konzerte zugunsten Opfer rechter Gewalt und zur Völkerverständigung.

Schon bevor das Festival in der Halle eröffnet wird, zeigt sich, dass man einen ziemlich bunten Abend erwarten kann: Komplett (hoffentlich nicht von der Mama) bestickte Kutten mischen sich unter Basecaps und Turnbeutel, aber auch (Steam-)Punk-Outfits finden sich in der Menge. Es liegt ein Gefühl von „daheim sein“ in der Luft, so trifft man als mehr oder weniger regelmäßiger L.A.-Besucher hier prinzipiell Freunde oder Bekannte, unterhält sich über die Konzerte der letzten Jahre, lernt neue Leute kennen. Nicht umsonst ist das L.A. als „zweites Wohnzimmer“ derer bekannt, die sich in der Roadbar gerne Burger gönnen oder die Clubkonzerte besuchen.

Eröffnet wird das Festival von MEAN MACHINE, einer jungen Hard Rock-Band aus dem Landkreis, die sich als ganz angenehmes Warm-up erweisen. Man muss ja nicht immer direkt zu Beginn die härtesten Geschütze auffahren. Dreckig aber eingängig geht’s bei MEAN MACHINE zu, gespielt werden sowohl Cover von Hard Rock-Klassikern, aber auch eigene Songs hat die Band aus Regensburg mitgebracht.

MEAN MACHINE musste ich leider früher verlassen, weil ich mir das Phänomen „Alpencore“, das mich im Laufe des Abends noch erwarten wird, näher anschauen wollte. Wie sich TUXEDOO ihren Weg in Lederhosen durch Österreich und Deutschland bahnen und wer später noch von der Bühne fallen wird, gibt’s ab Mittwoch (7.9.2016) HIER im Interview zu lesen.

Zwischenzeitlich haben sich VIRUS 41 schon warm gemacht, die als nächstes auf der Bühne stehen. Die fünf Jungs aus dem Nachbarort Roding spielen Deathcore, und das nicht nur ein bisschen. Tiefe Gitarren und ein ständiger Wechsel zwischen Shouts und Growls zeigen die Kreativität der Band. Textmäßig zeigen VIRUS 41, dass Deathcore nicht nur gewaltiger Ernst sein kann, sondern auch Spaß machen kann: sie präsentieren nicht nur Ereignisse aus dem Alltag sondern schreiben auch gerne mal Songs über „Promis“ wie Jogi Löw und Reiner Calmund und punkten prinzipiell mit ihren Songs „Hansdampfi“ und „O.P.A.“. VIRUS 41 überzeugen in ihrer Rolle als Lokalmatadoren des Abends und regen ihre Fans nicht nur zum mitgrölen und moshen an - das Workout des Auftritts besteht aus Kniebeugen, die traditionell zu jedem Auftritt der Band gehören. Nach so vielen Kniebeugen gilt es erstmal, die angespannten Muskeln in der Pause zu entspannen. Am besten bei einem kleinen Spaziergang über den Open-Air-Bereich des Festivals, der allerdings erst am Samstag voll in Betrieb genommen wird.

Der Abend bleibt in der heißen Phase - nicht nur die gefühlt 50 Grad in der Halle, sondern auch die Vorfreude auf das, was der Abend noch zu bieten hat, heizen ganz schön ein. Immerhin sind jetzt TUXEDOO an der Reihe. Im Vergleich zu ihrem letzten Auftritt im L.A. verzichten sie diesmal etwas auf die Deko. Milchkannen, Lederhosen und Percussion sind aber dennoch einfach Pflicht. Die Jungs aus Mattighofen spielen Alpencore und mischen immer wieder zünftige „Rum-Ta-Ta“-Musik dazwischen. Ebenso zünftig getanzt wird allerdings weniger, denn TUXEDOO teilen sich zu siebt drei Mikros, zwei Percussion-Sets, zwei Gitarren, einen Bass und ein Schlagzeug und ballern das Publikum damit regelrecht an die Wand. Man wird nicht nur akustisch derartig umfassend versorgt, TUXEDOO haben auch noch was für die Augen auf Lager: ihr Baywatch-Cover mit dem bandeigenen „Mitch Buchannon“, der in roten Badeshorts sein rotes Schwimmbrett schwingt, bevor er sich stagedivend von der Menge durch die Halle tragen lässt. Seit dem neuen Album „Tales From the Rock Mass“ bekommt „Mitch“ auch einen zweiten Auftritt: zum Scooter Cover „How Much Is The Fish“ steht er im knallengen Netzshirt und neongrüner Hose auf der Bühne - und fällt dabei prompt in den Bühnengraben. Die Show von TUXEDOO beansprucht nicht nur bei mir vollste Kondition, ein erschöpftes Keuchen zieht durch die Halle, als das Licht langsam wieder angeht. Ich brauch `ne Pause…vielleicht weiß ja jemand am Burrito-Stand, was der Fisch kostet.

Die Sitzgelegenheiten im Biergarten kommen wirklich gelegen, um in den Umbaupausen neue Kraft im Freien zu schöpfen. Immerhin wird der nächste Auftritt nicht nur gewaltig sondern auch blutig. Stichwort blutig: wer während des Festivals noch eine kleine Mutprobe suchte oder einfach nur was Gutes tun wollte, konnte am benachbarten Technologie-Campus Blut spenden. Das hat aber jetzt nichts mit dem folgenden Auftritt zu tun…

Mit vollem Magen zurück vor die Bühne. Anscheinend haben die nächsten auf der Bühne auch gerade erst gegessen, allerdings eher rohes Fleisch. Headliner des Abends: DEBAUCHERY vs. BLOOD GOD. In gewohnt blutiger Manier präsentierte die dreiköpfige Band aus Stuttgart ihre „tote“ Kulisse. Mit Kunstblut beschmierte Fans drängten Basecaps und Turnbeutel aus den ersten Reihen, denn es ist Splatter-Zeit! DEBAUCHERY polarisieren definitiv mit ihren blutbesudelten Kostümen, die mich aufgrund der Tatsache, dass an der gleichen Stelle vor einer Stunde noch Lederhosen waren, im ersten Moment verunsichern. Doch sie präsentieren sich so einzigartig wie sie eben sind: Death Metal voll auf die Fresse. Und routiniert sind sie dabei definitiv! Sänger Thomas zeigt, wo der Fleischerhaken hängt: DAS sind definitiv tiefe Growls! Dem Publikum gefällt’s sichtlich. Während die Leute aus dem Moshpit von TUXEDOO noch verschnaufen, lässt der Rest die Haare beim Headbangen fliegen, was mich dazu verleitet, den letzten Friseurbesuch zu bereuen. DEBAUCHERY liefern eine absolut überzeugende Show ab, hier ist Erfahrung am Werk.

Tag zwei im L.A.

Heute ist schon nachmittags mehr los, im kleinen Biergarten vor dem Lifestyle Café. Immerhin wird heute auch die Open Air Bühne bespielt. Wie schon am Freitag sorgt das Wetter am Samstag für Sonnenbrand und viel Durst - ideal um in der Zeit vor den Konzerten im Biergarten die Ruhe vor dem Sturm zu genießen.

Auftakt des Abends sind die Lokalmatadoren ROGUES. Holla die Waldfee, das nennt sich Dampf hinter einer Show - und das schon als Opener des Abends! ROGUES spielen Hardcore und das einfach ohne Wenn und Aber. Für die Band ist das L.A. sozusagen das zweite Wohnzimmer, so ist es auch nicht verwunderlich, dass die ersten Reihen inklusive Moshpit Fans erster Stunde sind und nicht nur feiern sondern auch kräftig mitsingen. Breakdowns treffen auf schnelle Riffs und schon dreht das Mikro seine Runde durch das Moshpit: hier werden noch die Fans zum Duett gebeten. Auf jeden Fall geben ROGUES direkt richtig Gas und machen mit ihrem druckvollen Sound ordentlich Stimmung - auch im Publikum fehlt jede Spur von der „Ist ja erst die erste Band“-Zurückhaltung. Genau das ist aber auch das Motto von ROGUES, gekuschelt wird später, hier gibt‘s auf die Zwölf. Man kann nicht leugnen, dass man merkt, wie gerne ROGUES auf der Bühne stehen und ihre Songs präsentieren, die von Emotionen und dem Weg durchs Leben handeln. Die Band ist jung und hat viel zu sagen - man kann gespannt auf die nächste Zeit sein.

Core-mäßig geht’s auch direkt weiter. STONEM stehen auf der Bühne und spielen irgendwas zwischen Metalcore und Alternative Metal, was aber überraschend gut! Die „Boyband“, wie sie sich selbst beschreiben, sind noch relativ jung, geben sich dennoch aber erfahren und sie wissen, wohin sie wollen. Nach den ersten Songs war ich noch etwas wenig orientiert, dann zogen mich die Jungs aus Landsberg aber in ihren Bann: hier ein bisschen Synthie, da ein bisschen Clear Voice wenn sich Sänger Domme nicht gerade die Seele aus dem Leib growlt, Vollgas an Saiten und Trommelfellen. Kann ich bitte mehr davon haben? Würden die Freunde aus dem Moshpit von ROGUES nicht noch keuchend am Wellenbrecher hängen, wäre hier einiges los. Vom „Gebt mir ein Feuerzeug zum Hochhalten“-Moment bis zum „Kann nicht stillhalten“-Breakdown ist bei STONEM alles mit dabei. Die Band sucht ohne Ängste nach dem Tellerrand, aber nicht um stehenzubleiben, sondern um einen Blick darüber hinaus zu wagen. Apropos Tellerrand, hat hier jemand Burger gesagt?

Thrash Metal soll äußert gut für die Verdauung sein, da kommen FINAL DEPRAVITY ganz gelegen. Aggressiv und bedrohend prügeln die Jungs aus dem Ruhrpott drauf los. Von Hardcore bei ROGUES über Metalcore bei STONEM geht’s weiter zu Thrash - wie auch Völkerverständigung kann Musik auf einer Ebene funktionieren, wenn sie auch noch so unterschiedlich ist. Auch wenn viele in der Halle die 80er nie wirklich erlebt haben - die Thrash-Keule macht vor keinem Halt und FINAL DEPRAVITY steigern Stimmung und Hitze. Mal langsamer und groovig, dann wieder schneller und härter und fast schon ohne erkennbaren Übergang dazwischen. Wirklich im puren Thrash-Bereich bleiben FINAL DEPRAVITY allerdings nicht, kurze Ausflüge in andere Genres verleihen dem Auftritt Abwechslung.

Nach ein paar Songs von FINAL DEPRAVITY war es für mich Zeit, mit RAGE, die im Anschluss auf der Bühne stehen werden, zu plaudern. Wieso sich RAGE seit dem neuen Album wieder nach „pur RAGE“ und somit wie zu Beginn der Band anhören, und wieso Peavy, Lucky und Marcos unglaublich viel Spaß zusammen haben, kann man HIER im Interview erfahren!

Nach dem Interview ist direkt Zeit für den Headliner des Abends, RAGE, die ein neues Album in einer 2/3-Neubesetzung mit im Gepäck haben. Das, was RAGE in ihrem 1.5-stündigen Set um die Ohren schmeißen zeigt: für Musik ist man nie zu alt. Die aktuelleren Alben geben einem das Gefühl, dass Rage in den letzten 32 Jahren nie wirklich „alt“ geworden sind, auch wenn abgesehen von Peavy die Originalbesetzung schon längst Geschichte ist - Musik kennt wohl, wie auch Völkerverständigung, kein Alter. RAGE nehmen das Publikum mit auf eine Zeitreise durch die Alben der Bandgeschichte, Peavy hat prinzipiell Storys oder Kommentare zu den Songs und Alben auf Lager. Die Show ist gefüllt mit Leidenschaft, sowohl auf der Bühne, bei einer vor Energie strahlenden Band, als auch im völlig eskalierenden, headbangenden Publikum. RAGE in ihrer neuen Besetzung ergänzen sich nahezu perfekt und durch die jahrelange Erfahrung war es nur eine Frage von Sekunden, bis sie das L.A. in ihren Bann gezogen haben. Zum Abschluss (also vor einer ausgiebigen Zugabe, eh klar!) feuern RAGE „Higher Than The Sky“, gemischt mit einem „Holy Diver“-DIO-Cover und ein bisschen „Sweet Home Alabama“ in die Runde, ideal um kurz vor Ende des Abends noch einmal die Stimmung zu genießen - hier hat jemand ordentlich Spaß auf der Bühne!


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