17-12-2016, Schwarzwaldhalle, Karlsruhe

Knock Out Festival 2016

Text: Marc Folivora, Anthalerero | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 26.12.2016

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So mancher mag sich fragen – warum schon wieder eine verdammte deutsche Veranstaltung? Nun, zugegebenermaßen, als Österreicher sein zweites Wohnzimmer in einer deutschen Location zu wählen, mag etwas seltsam anmuten. Doch wenn die Weißwurstmetropole näher ist als die eigene Hauptstadt (der Unterschied bewegt sich im dreistelligen Kilometerbereich!), in der ebenfalls so ziemlich jede Band aufschlägt – wer kann es einem verübeln? Wenn dann auch noch quasi ein perfektes Festival-Billing aus dem melodischen Metal-Bereich lockt, welches in dieser Form im stilistisch eher im noch härteren Bereich angesiedelten Heimatland leider nicht oder nur viel zu selten verfügbar ist, dann weiten sich die persönlich gesteckten Grenzen von maximal 200km für eine Fahrtstrecke schnell einmal aus.

Ihr seht also, der Berichterstatter gibt sein Möglichstes, sich dafür zu entschuldigen euch im scheidenden Jahr 2016 schon wieder einen Bericht aus dem Nachbarland vor die Nase zu setzen. Und das auch noch aus dem so gar nicht ums Eck liegenden Karlsruhe – denn in der dortigen Schwarzwaldhalle fand das Knock Out Festival statt, das mit einem fetten Triple-Headliner-Package den kleinen Stormbringer-Schreiberling zum Sabbern brachte. EISBRECHER, SALTATIO MORTIS und DIRKSCHNEIDER ließen die Herzen der quer durch die nicht ganz so harten Stile angesiedelten Festivalbesucher höher schlagen, während auch die Supports J.B.O., ORDEN OGAN und ALMANAC für sich schon Hallen zu füllen vermögen und darob entsprechend Gas gaben.

Trotz etwas enervierender Baustellen rund um die Location, die die Navigation zur Halle und zu den Parkmöglichkeiten (noble Tiefgarage mit angenehm leistbaren 4 Euronen Pauschale) etwas erschwerten – wofür die Veranstalter ja nun nichts können! - präsentierte sich das Knock Out Festival als top-organisierte Veranstaltung. Die vielen Jahre der Erfahrung zahlten sich hier aus (die Inzwischen neunte Auflage des Festivals, bei Ausgabe Nummer Sechs 2013 war Stormbringer bereits vor Ort), funktionierten doch sowohl der Einlass, der aufgrund der Besucheranzahl bereits eineinhalb Stunden vor Beginn startete, und der Programmablauf reibungslos, als auch ausreichendes Platzangebot mit genügend Toiletten, gut dimensionierter Garderobe und umfangreiche Barbereiche vorhanden waren. Ein großes Lob ergeht hier an die separate, großzügig bemessene Food-Area in der Nebenhalle, in der wohl für wirklich Jeden etwas zu finden war, und die mit massig Sitzgelegenheiten und Entertainment-Area (zB Bullriding) punkten konnte. Zusätzliche VIP-Angebote (eigener Chillout-Bereich/Bar, sowie exklusive Area im Wavebreaker), die auch zahlreich genutzt wurden, rundeten das Gesamtpaket ab. Lediglich das Prinzip des One-Way-Tickets für normale Festivalbesucher stieß bei manchen auf eher zwiespältige Meinungen – ansonsten konnten allerdings keinerlei Kritikpunkte gefunden werden.

 


Dreistimmige Power - ALMANAC

Absolut nichts zu meckern gab es dann auch am Programm selbst – bereits die Opener ALMANAC knallten den zahlreichen Besuchern ein amtliches Brett vor die Nase. Wenn Victor Smolski (ex-RAGE) und seine Mitstreiter des ehemaligen LINGUA MORTIS ORCHESTRA loslegen, dann jauchzt das Herz eines jeden Liebhabers melodisch-symphonischer Klänge. Bereits zu früher Stunde mit glasklarer Soundqualität und einer bockstarken Leistung des gesanglichen Dreigestirns, markieren ALMANAC mit der Darbietung der Songs ihres Debütalbums „Tsar“ bereits den ersten Höhepunkt des noch jungen Festivaltags. Selbst wenn vermutlich noch nicht jeder in der Halle die noch nicht allzu lang dienende neue Band Smolskis kannte, zeigten sich die Zuschauer doch sofort begeistert von den Klängen und vor allem den perfekt in Szene gesetzten drei Sängern, wo sich neben Andy B. Frank (BRAINSTORM) und David Readman (VOODOO CIRCLE) auch die Dame im Bunde (Jeannette Marchewka, ebenfalls vom LINGUA MORTIS ORCHESTRA bekannt) hervortun konnte. In dieser bestechenden Form, darf man von ALMANAC für die kürzlich angekündigte erste Headliner-Tour Großes erwarten!

 

 


Überraschend stark: ORDEN OGAN

 

Die nächste melodische Breitseite folgte sodann mit ORDEN OGAN gleich auf dem Fuße! Und eines vorweg: die Truppe rund um den Könner-Produzenten Sebastian „Seeb“ Levermann (veredelte etwa den letzten Dreher von VANISHING POINT) wusste den Berichterstatter äußerst positiv zu überraschen! Hatte man doch in der Vergangenheit des Öfteren mit den Auftritten der auf Konserve großartigen Truppe (siehe das letzte Werk „Ravenhead“) seine liebe Not, da sich die Epik der breitwandigen Kompositionen aufgrund technischer Problemchen live nie so wirklich entfalten konnte. Das lag häufig auch daran, dass gerade Seeb selbst, als Sänger und Gitarrist unter Doppelbelastung, mit selbiger oftmals etwas überfordert zu sein schien. Zwar zeigte sich die Technik zu Beginn des Gigs wieder einmal zickig (Stichwort Mikrofone, die zunächst ihren Dienst verweigerten, was zu einer kleinen Verzögerung des Beginns führte), doch im folgenden Auftritt war von irgendwelchen Schwierigkeiten nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, lieferten ORDEN OGAN an diesem Abend, unterstützt von einem blendend aufgelegten Publikum, den besten Auftritt ab, den der Berichterstatter von dieser Gruppe bislang gesehen hatte – und das waren nun doch schon einige. Es geht also doch, und was auch immer ORDEN OGAN an diesem Abend anders gemacht haben sollten – bitte behaltet diese Form! Denn wenn einem zu Titel wie der Walze „Deaf Among The Blind“ oder dem epischen „The Things We Believe In“ die Gänsehaut über den Rücken läuft, dann merkt man erst welch unheimliches Potenzial doch in dieser Band steckt.

 

 


J.B.O. - ein bißchen Klamauk schadet nie!

 

Nach so viel epischem Ernst tat ein wenig stilistische Auflockerung gut – für diese sorgten am Knock Out Festival die rosa Blödelbarden von J.B.O.. Der Berichterstatter ist bekanntlich, trotz Hang zu klischeehaften und selbstironischen Bands und auch einiger Spaßfraktionen, kein großer Freund des rosaroten Metal-Schlachtschiffs aus Erlangen. Auch mit diesem Auftritt sollte sich das kaum ändern – zum einen sorgte der zum Auftakt geschwenkte Weihrauch für Kopfschmerzen (und ausgerechnet der Teil des Stormbringer-Duos der ihn nicht vertrug, befand sich im Fotograben besonders nah am Geschehen...) und zum Anderen mochte auch das Geblödel erneut nicht wirklich den persönlichen Geschmack erreichen. Zwar war die Bühnenshow durchaus unterhaltsam (nebst den beiden abrockenden Priestern konnte auch ein überdrehtes Trachtenpärchen für ein wenig Schmunzeln sorgen), doch das quietschrosa Spektakel lief ansonsten weitestgehend am Berichterstatter vorbei. Nun gut, zu „Ein guter Tag zum Sterben“ sang man dann doch überraschend textsicher mit – ist ja trotz Allem ein Klassiker. Zum Glück waren die Besucher des Festivals gänzlich anderer Meinung als die Stormbringer-Abordnung – diese gingen nämlich zu J.B.O. ab wie ein Zäpfchen. Denn von einem nüchternen Standpunkt aus (ja, für die Erlanger Edelblödler braucht man normalerweise vermutlich einen gewissen Alkoholpegel – die haben nicht umsonst ihr eigenes Bier!) lieferten J.B.O. einen ebenso starken Auftritt ab, wie bereits die beiden Bands zuvor, entsprechender Jubel der Zuseher inklusive!

 

 


DIRKSCHNEIDER blastbeateten einige Besucher zu Tode

 

Zur Eröffnung des dreifachen Headliner-Reigens schlug die Stunde des Kuttenvolkes. Dass der alte Knacker Udo Dirkschneider es mit den alten ACCEPT-Hadern noch einmal wissen wollte, das pfiffen die Spatzen ja schon etwas länger von den Dächern – denn zuletzt zerlegte der German Tank unter dem schlichten Banner DIRKSCHNEIDER mitsamt seinen U.D.O.-Mitstreitern reihenweise die ausverkauften Hallen in Europa. Auch das Backstage in München musste dieses Jahr schon die „Back To The Roots“-Sauna des unkaputtbaren Metal-Urgesteins überstehen und darob war es abzusehen, dass es auch hier in Karlsruhe heiß hergehen würde. Für die geneigten Schwermetaller hieß es also einfach, etwas mehr als eine Stunde lang die Welt auszuknipsen und die sattsam bekannten Songs voller Inbrunst mitzugrölen. Es stellte sich sich bald heraus, dass DIRKSCHNEIDER an diesem Abend wohl der so ziemlich härteste Act des Billings war – zumindest waren die nahezu entsetzten Mienen einiger Besucher jüngeren Semesters durchaus unterhaltsam, als sie von dem alten Herrn auf der Bühne mit Titeln wie „Breaker“ oder „Fast As A Shark“ (nach obligatem Heidi-Heido-Chor)  beinahe zu Tode geblastbeatet wurden [hält halt nix mehr aus, die Jugend; Anm.d.Korr.]. Auch die Reaktionen auf ultra-stumpfe Songs wie den Mitsing-Klassiker „Princess Of The Dawn“ sprachen für sich, als der Großteil des Publikums abging wie ein Zäpfchen, und einige sich dazwischen befindliche absolut keine Ahnung hatten was hier gerade vor sich ging. Auch der künstlich in die Länge gezogene Schluss von „Burning“, inklusive Vokalimprovisation und so manches ausufernde Gitarrengegniedel ließen Fragezeichen über den Köpfen des Nachwuchses aufsteigen, während so ziemlich jeder Anwesende jenseits der - sagen wir mal - 30 Jahren, sich auf die fette Packung an Klassikern, die da geboten wurde, einen runterhol... ähm... gepflegt abrockte. Beim Über-Hit „Balls To The Wall“ konnten dann sogar die Jüngeren ihr gesangliches Scherflein beisteuern, womit der Chor aus tausenden Kehlen doch tatsächlich fast die amtlich lärmende Anlage übertönte. Was für ein verdammter Abriss!

 


Bei SALTATIO MORTIS kam keinerlei Langeweile auf!

 

An das was der German Tank auf der Bühne vorlegte, bemühten sich SALTATIO MORTIS redlich anzuschließen. Ganz konnten sie die überwältigende Atmosphäre des Klassiker-Sets zuvor nicht erreichen, dennoch ließ sich das Publikum zu den Lokalmatadoren (kürzeste Anreise, gerade mal ein paar Minuten...) wieder gewaltig mitreißen. Wie schon 2013, als sich die Spielleute noch mit einem deutlich früheren Slot zufrieden geben mussten, ließen sich die Besucher vom wie immer Gummiballartig über die Bühne hüpfenden Alea immer wieder motivieren und mitreißen. Die auf Eingängigkeit und Mitsingfaktor getrimmte Setlist tat ihr übriges dazu, dass die Stimmung auf einem hohen Level blieb. Da wurde gesungen und geklatscht, und so manche im weiten Publikumsrund schwangen sogar das Tanzbein zu SALTATIO MORTIS – schmissige Songs wie der Klassiker „Prometheus“ machten es einem natürlich auch leicht. Als Höhepunkt der Show erweist sich wieder einmal der Ausflug des Fronters ins Publikum, der sich, ganz und gar nicht kontaktscheu, auf Händen der Fans quer durch die große Halle tragen ließ. Zwischen „Willkommen in der Weihnachtszeit“ und „Früher war alles besser“ setzten sich die Spielleute augenzwinkernd und mitsingtauglich mit Dauerbrenner-Themen auseinander, während zum nachdenklichen „Nachts weinen die Soldaten“ auch ein wenig ernstere Gedanken auf dem Plan standen. Dazu passend, entwickelte der im Beginn auch mit Klavier intonierte Titel live eine äußerst starke, beklemmende Atmosphäre. Bis auf die Soundqualität, die in den instrumentenreicheren Passagen ein wenig verwaschen wirkte und ein paar stimmliche Ausrutscher Aleas (das sei ihm bei diesem Fitnessprogramm auf der Bühne aber verziehen!) gab es bei SALTATIO MORTIS ansonsten nichts zu bemäkeln – eine wirklich starke Vorstellung, trotz des stilistischen Unterschiedes die DIRKSCHNEIDERsche Stimmung fast nahtlos weiterzutragen!

 

 


Eine Machtdemonstration von EISBRECHER setzte den Schlusspunkt

 

Für den dritten und letzten Headliner wurde also ordentlich vorgelegt – doch EISBRECHER wären nicht EISBRECHER, wenn sie die Erwartungen nicht mit lockerer Hand erfüllen könnten. Denn ein Publikum wie jenes in der Schwarzwaldhalle, einige tausende stark, das sind die inzwischen fast schon NDH-Veteranen (darf man nach bald 15 Jahren schon einmal sagen, oder? [jepp!; d.Korr..]) sogar im Alleingang imstande zu mobilisieren. Wenn also Fronter Alex Wesselsky und seine Mannen, umrandet von spektakulärer Lichtshow, die sogleich den Unterschied der Produktionsgröße zu den vorhergehenden Headlinern aufzeigt, auf die Bühne schreiten, dann weiß man, was man zu erwarten hat. „Zum Glück seid ihr verrückt“ deklarierte die Gestalt gewordene Frontsau Alex auf der Bühne, während der Sound kristallklar durch die Halle stampfte und wummerte. „So oder so“, die Hände gen Hallendecke gereckt, wurde zu groovig-schmissigen Titeln aus vollem Halse mitgegrölt – trotz fortgeschrittener Stunde und schweißtreibendem, stilistisch recht abwechslungsreichem Programm zuvor, ließen sich die quasi vollzählig verbliebenen Besucher von EISBRECHER genauso mitreißen wie von allen Acts zuvor. Auch die Stormbringer-Abordnung groovte zu Gassenhauern wie „Himmel Arsch und Zwirn“ oder „1000 Narben“ mit, und sang laut, falsch und voller Begeisterung im Publikumschor zum Klassiker „Miststück“. Alex hatte, dank gekonnter Publikumsinteraktion und so mancher eingebauter Späßchen, die Zuseher voll im Griff und konnte sie immer wieder zu Höchstleistungen animieren. Der Spaß – mit Hintergedanken – kam zum Abschluss des Festivals somit nicht zu kurz – die zu „This Is Deutsch“ hochgehaltenen Schildern mit bekannten Zitaten wie „Worum geht’s?“, „Dafür Dagegen!“ und „Hey, Hey Wickie“ (letzteres ist der persönliche Favorit des Berichterstatters) konnten den Anwesenden so manches Schmunzeln entlocken. Somit ging mit wackelnden Wänden und vibrierendem Boden ein großartiges Festival zu Ende, mit einem zu recht umjubelten Schlusspunkt von EISBRECHER.

Knock Out, wenn ihr nächstes Jahr wieder mit so einem Lineup auftrumpfen könnt, sehen wir uns selbstverständlich wieder! Aber jetzt heißt es erst einmal, die geschundenen Stimmbänder zu regenerieren...


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