23.07.2010 - 24.07.2010, Festung Kniepass

RUBBERFRESHTIVAL 2010

Text: chris | Fotos: chris
Veröffentlicht am 01.08.2010

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Was kann einem das Wetter nicht alles vermiesen. Gerade die Sommermonate sind doch dafür prädestiniert, dass man sich an bestimmten Tagen etwas vornimmt und fix der Überzeugung ist, da wird die Sonne schon Mitleid mit uns haben und vom Himmel lachen. Dass die Jungs von RUBBERFRESH nicht ganz so blauäugig sind wie der Rest von uns, zeigt schon der Hinweis auf der Website ihres Freshtivals „…auch bei Schönwetter ;)“. Aber leider, leider reichte die Tatsache, dass diese ominöse Veranstaltung im schönen Salzburgerland 2010 zum letzten Mal stattfand nicht dazu aus, Petrus zum Verschluss seiner Wasserschleusen zu bewegen. Deshalb durfte die Band plus unzähliger Helfer in der Woche vorm Ereignis selbst zwar schwitzen während sie Bühne, Kabel und Co. auf die Festung Kniepass bei Unken hievten, pünktlich am ersten Tag aber waren dann eher Regenschirm und Wollhaube angesagt. Das

Rubberfreshtival 2010

konnte somit starten.

Tag 1 – Freitag, 23. Juli

Eröffnet wurde das feuchtfröhliche (in jeder Hinsicht, wohlgemerkt) Wochenende von

7 DIALS MYSTERY

, die das noch sehr magere Publikum mit rockigen und punkigen Klängen zu animieren versuchten. Danach gab es mit

HELLO ELECTRIC

aus Portland gleich mal den ersten Höhepunkt des zehnten und letzten Freshtivals. Die Band, die aus einem Soloprojekt von Kirk William Ohnstad entstanden ist und neben ihm mittlerweile noch mit den Bartträgern Zachary Thomas Bendt sowie Henry Maxwell Gibson aufwarten kann, muss man wohl oder übel als sehr eigenartige Mischung aus Elektronik, sludigen bis doomigen Gitarren und sehr eigenwilligen Songkonstruktionen beschreiben. Hauptaugenmerk lag auf dem aktuellen Release „Skychief“, das im April dieses Jahres das Licht der Welt erblickte und von niemand geringerem als PORTUGAL.THE MAN-Mastermind John Baldwin Gourley produziert wurde. Vielleicht ist dessen Band auch ein guter Referenzpunkt, nicht was den Vergleich des Sounds betrifft, sondern die Herangehensweise. Ähnlich wie bei PORTUGAL.THE MAN wechseln die Bandmitglieder von HELLO ELECTRIC nach belieben die Instrumente. Bezieht man den Liveauftritt darüber hinaus auf die Songs, die man sich (vielleicht) vorher bei MySpace reingezogen hat, so muss man gestehen, dass die Energie dieser drei Jungs Anfang 20 nicht auf Konserve gebannt werden kann. Live wird da schon mal ordentlich die Dampfkeule geschwungen und Vergleiche zu Bands wie KYLESA oder MASTODON drängen sich zumindest indirekt auf. Aber auch das Indie-Klientel wird nicht außer Acht gelassen, wofür verquere aber eingängige Melodiebögen sorgen. Alles in allem ein Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird, leider aber zu früh an diesem Abend stattfand.

Um kurz vor neun gab es dann wieder heimische Kost:

THE ALCHEMIST HERITAGE

präsentierten Metalcore der anständigen, aber leider zu vorhersehbaren Sorte. Da sitzen die Breaks und passte auch das Stageacting, aber leider wird im Jahr 2010 immer deutlicher, dass man in diesem Genre schon etwas mehr zu bieten haben muss, um noch jemanden hinter dem Ofen hervorzuholen. Den Leuten, die sowieso für diese Musikrichtung schwärmen, hat es sicherlich gefallen und dieser Auftritt darüber hinaus gezeigt, dass man nicht unbedingt große Namen auf einem Freshtival braucht, um die Festung ordentlich zum wackeln zu bringen. Für Österreich wird das Songmaterial reichen, der große Wurf dürfte allerdings (noch) nicht gelingen.

NORTHERN COMFORT

aus den Niederlanden gehören schon zu den alten Bekannten des Freshtivals (von denen man am zweiten Tag noch einige Mehr begutachten durfte) und machten einen soliden, wenn auch etwas zu gemütlichen Eindruck. Bluesige und rockige Klängen und klassisches Songwriting fesselten den Autor dieser Zeilen nur kurz, bevor dann doch die Gelegenheit genutzt wurde, mit HELLO ELECTRIC ein sehr ausführliches Gespräch zu führen, von dem hier bald mehr zu lesen sein wird. Als vorletzter Act des Abends standen

STEAMING SATELLITES

am Programm. Die Band, die ich nun über die Jahre schon mehrmals live hören durfte, hat meines Erachtens einen markanten Wandel in dieser Zeit vollzogen. Auch wenn nicht wirklich artikulierbar ist, was nun genau den Unterschied zu früher ausmacht, so ist mittlerweile mehr als deutlich, dass diese Jungs einen ernstzunehmenden Alternative Sound auf die Beine gestellt haben, der auch internationale Vergleiche keineswegs zu scheuen braucht. Da passt alles, von der stimmigen Lichtshow bis zu der perfekten Songreihenfolge. Ein Sog wurde hier erzeugt, der keinen der mittlerweile knapp 300 Besucher an diesem Tag kalt gelassen haben dürfte – mal abgesehen von jenen, die gerade den Weg vom Barzelt zur Bühne nicht als Aufgabe Nummer Eins ansahen. Jedenfalls konnte man zu diesem Zeitpunkt kaum glauben, dass das Nachfolgende die Show der STEAMING SATELLITES noch toppen sollte. Ein Hip-Hop-Act als Headliner am Fresthival? Nun gut, letztes Jahr haben wir ja mit dem Voice Artist FII schon mehr als gute Erfahrungen gemacht, aber so wirklich etwas vorstellen konnten sich (glaube ich) nur die Wenigstens unter dem Namen

DOPE SAGITTARIUS

. Das änderte sich kurz nach Mitternacht aber ganz schnell. Bestehend aus Luqman aka Mc Whistler am Mikrofon und der Gitarre, dem Brigader an den Drums, Legba am Bass sowie dem DJ Ill Phill wurde da alles gehalten, was Organisator Mascht in der Ankündigung versprochen hatte. Ein treibendes Schlagzeug, teils sehr abgespacte Soundcollagen und ein wahnsinnig agiler Legba, der seinen Bass eher als Metal-Gitarre verstand, leisteten den Background zur irren Performance von Fronter Luqman, den einige Besucher schon früher an diesem Nachmittag kennen lernen durften, leerte er doch das eine oder andere Glas mit dem Freshtival-Publikum (weshalb er auch von meiner Freshtival-Berichterstattungs-Unterstützerin liebevoll als „Mister Rum“ tituliert wurde). Der Hinweis auf der MySpace-Seite der Band, dass man sich irgendwo zwischen den BAD BRAINS, BLACK FLAG, RAGE AGAINST THE MACHINE und TRICKY befinde, kann man wohl erst nachvollziehen, wenn man diese Party live miterlebt hat. Crossover der besten Sorte und in dieser Hinsicht mehr als geeignet, um Rocker und Rapper zu vereinen. Dass der Abend nach Ende des Sets gegen zwei Uhr früh für die meisten Freshtival-Besucher keineswegs vorbei sein sollte, versteht sich wahrscheinlich von selbst.



Tag 2 – Samstag, 24. Juli

Hatte man am ersten Tag mit dem relativ leichten Regen, der zwischen acht und ein Uhr früh sogar beinahe komplett ausblieb, noch einigermaßen Glück, gab es am zweiten Tag wettertechnisch kein halten mehr. Beinahe durchwegs kübelte es was das Zeug hält und man muss schon zweimal hinhören/hinschauen, will man verstehen, dass es wirklich knapp 500 Leutchen auf die Festung geschafft haben. Hut ab! Eröffnet wurde der letzte Freshtival Tag ever standesgemäß von

JOHNNY GAS

, der wieder mal das Partyzelt rockte. Die markante Wollmütze von Johnny (der ganz nebenbei mittlerweile auch bei der Rock/Metal-Coverband SENSIBILITY am Mic steht) konnte man auch beim Gig von

SYGNUM

ausmachen. Im strömenden Regen legte der wahrscheinlich gut geölte Johnny nicht nur die Kopfbedeckung, sondern auch gleich sein T-Shirt ab und zeigte, wie man als Freshtival-Veteran mit Regenwetter umgeht. Vor SYGNUM waren noch

FEINMOTORIK

auf der großen Bühne zu sehen, die meines Wissens auch schon ihren dritten Fresthivalauftritt absolvierten. Und wie weiter oben erwähnt gab es noch mehr alte Bekannte. Kurz vor neun Uhr gab es den immer wieder als Pflichttermin zu titulierenden Auftritt von

HOG MEETS FROG

. Da traf Metal auf Funk und kabarettreife Geschichten. So erfuhr das Publikum, dass man sich auch mit menschlichen Gasen in ein ordentliches Delirium bringen kann, während dem Mann mittleren Alters mit schütterem Haar empfohlen wurde, doch einfach mal ein Huhn am Haupt als Alternative zu versuchen. Auch eine Hommage an die Vikinger durfte im besten Viking Metal-Style nicht fehlen, bevor „Heavy Metal“ der Schlusspunkt wie auch das Highlight war. Gebrochenes, mit breitem Wiener Dialekt gesungenes Englisch und – eben – harte Metal Gitarren. Beziehungsweise besser gesagt Gitarre (Singular!), immerhin schaffen es HOG MEETS FROG in einer Dreierbesetzung eine Soundwand aufzufahren, die so einige Bands der härteren Fraktion in größeren Besetzungen den Neid ins Gesicht treiben dürfte – auch vom technischen Standpunkt her. Warum diese Band zumindest in Österreich nicht größer und erfolgreicher ist, erschließt sich mir bis heute nicht. Auch

CROSSROAD

aus Saalfelden waren schon mal Gast beim Freshtival, allerdings ist das schon ein paar Jahre her. Die Band um Leadgitarrist und Sänger Tom Jelinek hat im Herbst 2009 das 30-jährige Bestehen (!) gefeiert und präsentierte Rock’n’Roll der klassischen Sorte. Dass Songs wie „Sink or Swim“ sowie die eine oder andere Perle des großartigen Albums „Step Ahead“ live noch um einiges druckvoller und bisweilen auch härter um die Ecke kommen als auf Konserve, merkte man auch bei diesem Gig. Technisch kann man den Rock-Veteranen sowieso nichts vormachen, da stimmt jeder Break und es fliegen die Finger nur so über die Gitarrenhälse, dass es eine Freude ist. Als gegen Ende dann auch noch „Whole Lotta Love“ von the one and only LED ZEPPLIN intoniert wurde, gab es im Publikum kein Halten mehr. Da soll noch einer sagen, dass die Jugend – immerhin war doch sehr, sehr viel junges Publikum vor Ort – die Classics nicht zu schätzen weiß.



LOXODROME

aus Oberösterreich haben irgendwie immer etwas besonders fürs Freshtival im Petto – meist in Form eines neuen Gitarristen. Vor drei Jahren war Martin Ryzy „relativ“ neu in der Band und hatte erst einige Wochen respektive Monate mit dem Rest auf dem Buckel. 2010 gab’s gar eine Premiere mit Gregor an der Gitarre. Hätte man es vor dem Auftritt nicht gewusst, man wäre nicht wirklich auf die Idee gekommen, dass da keine zu einhundert Prozent eingespielte Band auf der Bühne steht. Vielleicht kommt’s aber auch daher, dass die Generalprobe laut Sänger Michi in die Hose gegangen ist, was ja immer ein gutes Zeichen für einen Auftritt darstellt. Leider, leider meinte es aber Fortuna wettertechnisch wieder weniger gut mit den Vieren, begann es doch kurz vor ihrem Auftritt wieder mehr zu regnen. RUBBERFRESH-Chef Mascht hatte aber auch dafür eine zumindest kurzfristige Lösung und lockte das Publikum mit Skateschuhen und anderen Goddies, die er verteilte, vor die Bühne. Und passend zum Wetter gab es von LOXODROME in der ersten Hälfte ihres Konzerts auch gleich „In The Rain“. Der Sound war, wie bei beiden vorangegangenen Bands, mehr als gut und kam druckvoll rüber. Ein wesentlicher Bestandteil der Live-Energie und Härte der LOXOS ist auch im Jahr 2010 das Spiel von Drummer Christoph, der den ordentlichen Albumsound live noch um einiges nach oben drückt. Und wieder war mein persönliches Highlight „The Fire“ – einfach ein großartiger Song. Nachdem mir der beste Merchandize-Mann der Welt noch einige LOXODROME-Artikel andrehen konnte, ging’s auch schon wieder in Richtung Bühne, denn eine Band fehlte ja noch an diesem Abend.

RUBBERFRESH

konnten auch bei ihrem letzten Freshtival-Auftritt überzeugen. Von den alten und neuen Hits wurden beinahe alle gespielt, für die romantischen Momente sorgten die Duette mit Julie und auch die alten/neuen/crazy Freunde von DOPE SAGITTARIUS statteten der Bühne einen Besuch ab und erwiesen den Namensgebern dieses Festivals die Ehre. Als besonderes Special wurde ein Medley niemand geringerem als David „Don’t Hassel With The Hoff“ Hasselhoff gewidmet, bestehend aus dessen Partykrachern „Looking for Freedom“, „Crazy for you“, „Limbo Dance“ und „Jump in my car“. Und da es von oben so nass daher kam, gab es eben Feuer von unten: Feuerspucken auf der Bühne war angesagt. Als schließlich gegen zwei Uhr früh mit „Ines Got A Penis“ der letzte Freshtival-Song angestimmt wurde, gab es einerseits sentimentale Momente, andererseits ordentlich Action im Pit und die Band wurde somit standesgemäß gefeiert für das, was sie in diesem Jahr und natürlich in den neun davor alles auf die Beine gestellt hatte. Lange und ausgiebig (und das zu Recht) dankten RUBBERFRESH allen Menschen, Firmen und Vereinen, die über die Jahre hinweg das Freshtival ermöglicht haben und verteilten wieder massig Zeug an das Publikum. Aufgrund des Wetters (habe ich schon erwähnt, dass es regnete?) verzogen sich die Meisten dann recht schnell in Richtung Partyzelt, während von der schon fast leeren Bühne „The End“ von THE DOORS aus den Boxen kam. Passend irgendwie, aber für einen alten Fresthival-Besucher wie mich dann beinahe zu traurig.

Was soll man da noch großartig hinzufügen? RUBBERFRESH haben auch 2010 alles in ihrer Macht stehende unternommen, um ein kleines aber eigentlich ganz großes Festival auf der Festung am Kniepass auf die Beine zu stellen und es ist ihnen wieder gelungen. Von der Musik über die Bar hinzu Sissi’s & Franzl’s Imbissstube hat wieder alles gepasst. Dass das Wetter scheiße war hat schlussendlich doch niemanden daran gehindert, sich diesen Spass zu gönnen. Die Anmerkung der Jungs, dass das Freshtival aufgrund der eigentlich immer zuverlässigen Wettervorhersage in den Bauernkalender aufgenommen werden sollte, möchte ich hiermit vehement unterstützen. Wenn dafür dann das Freshtival auch weiterhin stattfinden würde, wäre ich natürlich noch glücklicher. Aber man kann nicht alles haben.


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