11.08.2010, Arena

THEATRE OF DEATH TOUR feat. ALICE COOPER

Text: Robert Fröwein | Fotos: Reini
Veröffentlicht am 12.08.2010

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Aufziehende Gewitterwolken mit darauffolgendem Prasselregen – die Fahrt von der Steiermark nach Wien verheißt auf der Autobahn an diesem mildtemperierten Augustfrühabend nichts Gutes. Die zuvor gecheckte Wettervorhersage brabbelte irgendwas von einem milden, aber nicht allzu warmen Abend, was sich in der Bundeshauptstadt glücklicherweise doch noch bewahrheitet. Wenn Rock-Opa ALICE COOPER mit seinem mehraktigen Programm aus tiefsitzender Dramaturgie und offen zur Schau gestellter Theatralik nach Österreich kommt, löst das natürlich eine Völkerwanderung aus. So verwundert es auch wenig, wenn nach Ankunft bei der altehrwürdigen Arena eine Menschenschlange von mehreren hundert Metern auf den Einlass wartet. Derart gewaltiges Interesse verwundert bei einem Wucherpreis von 50 Euro an der Abendkassa, für diesen Betrag hätten die lieben Herren Veranstalter zumindest ein bis zwei Supportacts mehr engagieren können. Als Einheizer blieben im Endeffekt aber nur die Wiener Psychobilly-Senkrechtstarter

BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE

übrig, die aufgrund der horrenden Menschenmassen vor den beiden Eingangsbereichen vom stormbringer-Duo nicht gesehen wurden und in diesem Bericht ausgeklammert werden müssen. Die launige Horrorpunk-Mannschaft dürfte, Publikumsstimmen zufolge, mit ihrem Cooper-ähnlichen Style und einer flotten Rock’n’Roll Show durchaus positiv in Erscheinung getreten sein. Zumindest der Merchandise Stand wurde nach Ende der Veranstaltung von Fans und Interessierten belagert – die teils 40 Euro für ein Cooper-Shirt am Nebentisch war den meisten wohl doch zu viel des Guten.

Das Wetter hält, die Begeisterung der ca. 3000 bis 4000 Anwesenden im ausverkauften Open Air Gelände der Arena ist langsam aber sicher spürbar und der Riesenbanner der „Theatre Of Death Tour“ hüllt die gesamte Bühne ein.

ALICE COOPER

, Pate des Shock Rock und Vorbild für mehr (MARILYN MANSON) oder weniger (OZZY OSBOURNE) halbseidene Kommerzweichspüler lässt sich nicht lange bitten und entert um 21:09 Uhr mit nur geringer Verspätung die Bühne. Schockierend ist in erster Linie aber nicht der 62-jährige Großmeister selbst, sondern die furchtbar kitschigen, in glitzerndem Rot von der Decke baumelnden ALICE-Buchstaben, die dem einen oder anderen möglicherweise Fremdschämgedanken in den Kopf pflanzen. Sei’s drum. Mit dem programmatischen Megaseller „School’s Out“ startet der passionierte Golfspieler feurig in die Show, das 2010er Line-Up sei kurz erklärt: an der ersten Gitarre ist der bereits länger bekannte Keri Kelli am Werk, ein optischer Hybrid aus Nikki Sixx und der DEATHSTARS-Besetzung, der auch für die Soloeinlagen sorgt. Ihm zur Seite steht der noch aus COOPERs „Dirty Diamonds“ Zeiten bekannte Damon Johnson, den Bass zupft der immens nervende, stets wie ein aufgeplusterter Pfau durch die Gegend posende Chuck Garric. Absolute High Quality bringt dafür Ex-MEGADETH Drummer Jimmy DeGrasso, den man aufgrund des „hohen C“ des ALICE-Schriftzugs anfangs nur spärlich zu Gesicht bekommt.

Die Show an sich lässt erwartungsgemäß wenig zu wünschen übrig – überraschend ist lediglich, dass COOPER bereits zu Beginn einen Megahit nach dem anderen aus dem Köcher zieht. Dem Beginn folgt „No More Mr. Nice Guy“, bei „I’m Eighteen“ packt der gläubige Oldie paradoxerweise erstmals seine berühmte Knochenkrücke aus. Den Leuten scheint’s zu gefallen, auch wenn eine Wayne’s World-artige „Wir sind unwürdig“ Verbeugung in Wien leider ausbleibt. Nach den Hitsalven rückt COOPER mit „Wicked Young Man“ kurz ins neue Jahrtausend, bevor er beim göttlichen „Ballad Of Dwight Fry“ in die (diesmal rote) Zwangsjacke gesteckt wird und durch die Guillotine seinen ersten und wohl berühmtesten Tod stirbt. Dem Publikum gefällt’s, die Mucker sind bestens aufgelegt und was Mr. COOPER mit seinem Großvater-Alter an Energie und Vitalität aufwendet, ist sowieso unfassbar. Die Bühnenkulisse wirkt insgesamt dennoch etwas durchschnittlich und unausgegoren. Von krabbelnden Menschen in Spinnenkostümen oder riesigen Totenkopfskulpturen ist nichts zu sehen – ob es jetzt am fehlenden Platz in der Arena liegt oder schlichtweg daran, dass COOPER sich auf seine alten Tage lieber zurückhaltend präsentiert kann hier nicht exakt beantwortet werden.

Auch die Songauswahl 2010 kann nicht kritiklos hingenommen werden. Neben Superkrachern der Marke „Poison“ (lautstarkes Mitgrölen aus tausenden Kehlen, ergo Gänsehautgarantie), „Billion Dollar Babies“ (ein Old-School Klassiker vor dem Herrn) und dem ausgedehnten, instrumental top vorgeführten „Black Widow“, fehlen All-Time Klassiker wie „Hey Stupid“, „Fire In The House“ oder die Radiohymne „Bed Of Nails“, was das ganze Vergnügen natürlich etwas trübt. COOPER verzichtet auch auf jegliche Zwischenansagen, Interaktion mit dem Publikum würde der in vier Akte aufgeteilten Horrorshow allerdings auch viel an Magie und Mystik nehmen. So konzentriert sich Vincent Damon Furnier auf die wirklich wichtigen Dinge – Inszenierung und Selbstzelebration. Das Programm spielt das Bühnen-Quintett fast in einem Guss herunter, ein Zugabenblock im klassischen Sinne ist nicht erkennbar. Mit dem Abschlussfeuerwerk „Feed My Frankenstein“, „Under My Wheels“, „Elected“ und – weil’s so schön war – noch einmal „School’s Out“ versetzt der geläuterte Ex-Alkoholiker die Zuseher – die österreichische Fahne schwingend – noch ein letztes Mal in Ekstase, bevor die Show mit platzenden Glitzer-Luftballons nach viel zu kurzen 75 Minuten zu Ende geht. Eine tadellose Show mit wenig wirklichen Highlights, die in punkto Spielzeit/Preis-Verhältnis einen etwas bitteren Beigeschmack hinterlässt, im Großen und Ganzen aber durchaus zu überzeugen wusste. Und seien wir uns ehrlich – wie oft wird man ALICE COOPER schon noch live in Österreich sehen?



Setlist

(ohne Gewähr auf Reihenfolge und Vollständigkeit): School's Out No More Mr. Nice Guy I'm Eighteen Wicked Young Man Ballad Of Dwight Fry Go To Hell Guilty Cold Ethyl Poison Black Widow Vengeance Is Mine Dirty Diamonds Billion Dollar Babies Killer I Love The Dead Feed My Frankenstein Under My Wheels Elected School's Out


WERBUNG: Hard
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