10.2.2018, British Rock Stars, Bratislava 1
ZORNHEYM & DEHYDRATED & ZRIEBÄDLO & GHUSA
Das „British Rock Stars“ in Bratislava ist echt eine feine Location. Oben die eher chillige Bar, unten ein Konzertraum in der Größe etwa des Wiener Escape-Clubs und ein weiterer Bereich zum gepflegten abhängen auf gemütlichen Couches, die ein wenig an ein amerikanisches Diner erinnern. Musik gibt’s – richtig geraten – hauptsächlich aus dem UK, dafür in jeder Coleur von DEPECHE MODE über DURAN DURAN bis zu THE WHO. Natürlich gibt’s auch Metal, allem voran IRON MAIDEN. Und ab und zu, da rumpelt’s im Keller. Und zwar so heftig, dass in der oben erwähnten, chilligen Bar, die Biergläser am Tisch zu hüpfen beginnen. So auch an diesem Samstagabend, an dem ein gar feines Package die Venue in der Innenstadt, rund 20 Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, zum Erbeben brachte. Da die Sause mit 19 Uhr bereits relativ früh losging, kam ich leider nur noch in den Genuss exakt eines Songs der Opener GHUSA, womit eine objektive Beurteilung des Gigs zwar flachfällt, aber ich kann zumindest sagen: die Franzosen hatten einen – im Vergleich des weiteren Abends – eher bescheidenen, weil zu dünnen Sound. Witzig auch die Tatsache, dass das Todesbattalion aus Paris, das ja zusammen mit ZORNHEYM auf Tour ist, den Opener gibt, und die beiden Local Supports quasi als Sandwich mitten rein gequetscht werden. Auch mal ein netter Ansatz, und großzügig den Lokalmatadoren gegenüber.
(Der kuschelige British Rock Stars-Keller)
Diese manifestieren sich heute zu allererst in Form der (zumindest für einen Österreicher) unaussprechlichen ŽRIEBÄDLO. Der Fünfer aus dem etwas weiter östlich gelegenen Städchen Sered‘ hat mit „Najsamprv“ vor zwei Jahren einen recht bemerkenswerten Schwarzmetall-Bolzen auf die Menschheit losgelassen und macht seitdem vor allem im Heimatland vermehrt live auf sich aufmerksam. Anfangs noch etwas uninspiriert, spielen sich die optisch mehr an Death- als an Black Metal erinnernden Jungs in einen wahren musikalischen Blutrausch, und können sogar mich dunkelbunten Skeptiker schlussendlich für sich gewinnen. Vor allem Drummer Tomas wird im Laufe des fünfzigminütigen Sets zum sprichwörtlichen Viech. Shouter Mato, bloßfüssig – es wäre wegen dem Bühnenfeeling – glänzt mit herrlich rotzigen Death Grunts ebenso wie mit herzallerfiesesten, eiskalt-nordischen Plärrlauten fast jenseits der hörbaren Frequenz, die die Sache oft gefährlich nahe an alte MAYHEM oder DARK FUNERAL rücken, ohne jedoch die Death Metal-Vibes auszusparen. Lernt also schon mal den Namen auswendig: ŽRIEBÄDLO. Denn ich hoffe, das Quintett lässt sich live auch mal bei uns sehen, so weit ist es ja nun auch wieder nicht.
(ŽRIEBÄDLO)
Aus dem auch nicht so weit entfernten Städchen Piestany stammen DEHYDRATED, deren Bandbiografie nach zwei Split-CDs, zwei Demos und einem Langspielteil irgendwann Ende der Neunziger endet. Wirklich weg waren die Herren aber nie, die Band lag lange auf Eis und gilt trotz der etwas wackeligen Historie mit bloß zwei Full Length-Teilen (das aktuelle „Resurrection“ kam 2017 raus und der Name ist hier ziemlich Programm!) als eines der Aushängeschilder der slowakischen Todesblei-Szene. Sie aber alte Hasen zu nennen, wäre trotzdem etwas verwegen. Obwohl seit 1991 musikalisch zugange, ist heute lediglich Sänger Brano Jurak von der Ur-Formation übrig. Der Rest wurde hauptsächlich bei der ebenso langdienenden Combo DEPRESY rekrutiert und ist technisch überaus versiert unterwegs. Das stellt man auch heute hier bei dem rund einstündigen Auftritt ausreichend zur Schau. Genau wie bei ZORNHEYM muss man aber momentan auf den Bassisten verzichten, egal – werden die Klampfen halt einfach um fünf Halbtöne tiefer gestimmt. DEHYDRATED bringen relativ viel vom aktuellen Album, gegen Ende hin dann ein, zwei Schmankerl aus grauer Vorzeit, ein wenig aufpoliert. Insgesamt klingen die Burschen wie DEATH zu „Spiritual Healing“-Zeiten, mit etwas ATHEIST zum proggy Drüberstreuen. Also nur was für die Frickel-Fraktion? Mitnichten. Zwar zupfen Brano und Pepe ihre Äxte immer in Konservatoriums-artiger Schräghaltung, sie könnten mit dem Mund gar die Gitarrenwirbel verzwirbeln. Aber dafür fahren sie einem mit Riffbrettern um die Ohren, die das Reinigen derselben auf längere Zeit überflüssig machen. Dazu spielt auch noch Drummer Roman an seinem „weniger ist mehr“-Kit fast schon um sein Leben. Wahnsinn, wie viele Geräusche man aus so wenig Kessel rauskloppen kann! Ich verneige mein Haupt in Ehrfurcht ob dieser rundherum unbekrittelbaren Performance und fürchte schon für die ZORNHEYMer, dass sie das heute nicht mehr toppen können.
(DEHYDRATED)
Aber auf die Schweden ist halt Verlass. Sie toppen nicht nur die Vorbands, sondern blasen alles weg, was nicht bei drei draußen an der Bar ist. Da sollte man aber jetzt ohnehin nicht sein, denn man musste eh lange warten, bis sich die Burschen mal aus dem Stockholmer Umland zu uns herunter wagen. Das äußerst gelungene Debut „Where Hatred Dwells And Darkness Reigns“ (HIER geht’s zum Review!) wird natürlich live komplett umgesetzt, und das in einer Intensität, die jene auf der schon sehr intensiven Platte mindestens ums Doppelte übertrifft. Vor allem Sänger Bendler macht einen Gutteil davon aus, die komplexe Story des Albums (mehr dazu HIER in unserem Interview mit Mastermind Tomas Nilsson!) auch authentisch auf die Bühne zu bekommen. Er ist in dieser Stunde nicht ein Sänger, nein er ist mindestens drei oder sogar sieben davon. Der sympathische Muskelprotz ist echt ein Hingucker und bringt die Charaktere des Albums in all ihrem Wahnsinn optimal auf einen Nenner.
(Tomas, Angst & Bendler - ZORNHEYM)
Musikalisch unterstützt vom absoluten Irrsinn Joakim „Angst“ Steven an den Drums (man kann unmöglich so überirdisch spielen und dabei noch so gut aussehen!), und dem infamen Gitarren-Doppel Alan „Scucca“ McCahey und Tomas Nilsson wird die Irrenanstalt aus dem auch als Comic erhältlichen Konzeptwerk plötzlich real, die Leiber zucken vor der Bühne in Ekstase, die relativ zugängliche Chose irgendwo im Spannungsfeld von MOONSPELL, DIMMU BORGIR und ein bisserl BEHEMOTH bekommt live so viel Drall, dass es schwer ist, sie zu stoppen. Aber das will ja eh keiner, und somit wird bis zum finalen „Hestia“ mit der Band gelitten und gefeiert, jede Fratze von Bendler ist beängstigender als noch die vorhergehende, das Publikum kann sich seinem Bann und der unbändigen Kompromisslosigkeit von ZORNHEYM nicht entziehen. Einziger Wermutstropfen: Da die Band außer ihrem Debut noch nicht viel Material parat hat, ist die Show leider viel zu kurz. Aber dabei so intensiv, dass es ungefähr für drei „normale“ Abende reicht. Und in Bratislava – das muss leider gesagt werden – weiß man auch, wie man spontan mal aus sich rausgeht und auch bei Bands, die man nicht kennt, ordentlich abfeiert. Hier hat die Stadt an der Donau das Attribut „Party-Slava“ wieder mal gekonnt verteidigen können. Daumen hoch für alle Beteiligten, an Loudfarm Booking und Non Serviam Records, und ich hoffe, ZORNHEYM schaffen es demnächst auch mal nach ein bisserl weiter westlich …
(Drummer Angst, der Verfasser dieser Zeilen, ŽRIEBÄDLO-Gitarrero Ivan und "Das Tier" Bendler beim After-Work-Umtrunk)