19.04.2018, Tilburg,

Roadburn Festival 2018 Tilburg Tag 1 & 2

Text: Werner Nowak | Fotos: Werner Nowak
Veröffentlicht am 09.05.2018

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Wer ein Festival der etwas anderen Art sucht, sollte auf jeden Fall mal das Roadburn in Holland auf seine To-Do-Liste setzen. Bereits seit 1995 treffen sich hier Metal-Freaks, die mit Vorliebe tief im Underground wühlen, die gerne Neues entdecken und auch keine Berührungsängste mit “szenefremden” Acts haben. Waren es zu Beginn nur ein paar hundert Besucher, so hat sich die Zahl der Roadburner über die Jahre kontinuierlich gesteigert und mit dem Wechsel des Veranstaltungsortes nach Tilburg liegen die Ticketverkaufszahlen bei über 4000 Stück, und Metalheads aus der ganzen Welt bevölkern nun das kleine Städtchen. Daher ist auch rechtzeitiger Ticketkauf angeraten, denn die 4-Tagestickets und auch die Tagestickets sind meist lange vor Festivalstart bereits ausverkauft!

Die Konzerte finden in mehreren Locations im Stadtzentrum statt und sind alle zu Fuß in ein paar Minuten erreichbar. Diese Jahr gab’s mit der Koepelhal neben der Main Stage “013” noch eine weitere Halle mit größerem Fassungsvermögen, und daneben noch die kleinere Venue “Hall of Fame”. Mit “Cul de Sac”, einem kleineren Undergroundclub, der “Green Stage” und dem ehemaligen Klostergebäude “Het Patronaat” standen somit insgesamt sechs Bühnen zur Verfügung. Klar wird hier auch fett Party gemacht, aber in erster Linie geht’s den Besuchern um die Musik, und nicht darum, am Nachmittag schon besinnungslos in einer Ecke zu landen.

Musikalisch steht natürlich in erster Linie harte Gitarrenmusik aus den Genres  Death, Black, Doom, Post-Metal, Stoner, Post-, Psychedelic- und Punk-Rock und mehr am Programm. Aber auch elektronische Beats dröhnen ab und an aus den Boxen und man kann auch mal über das eine oder andere akustische Set aus dem Dark Folk oder dem Country stolpern. Und diese Vielfältigkeit ist zugleich Segen als auch Fluch. Denn man muss sich schon eine ausgeklügelte Strategie zurechtlegen und vorab recherchieren, welche der Bands man wann und wo sehen möchte.

Denn es geht bereits am frühen Nachmittag mit den ersten Bands los. Und dann geben sich in jeder Location nahtlos die Bands das Mikro in die Hand. Die kleineren Venues sind meist rasch gut gefüllt und vor dem Kloster bildet sich auch regelmäßig eine längere Schlange, wenn der Einlassstopp erreicht wird. Nun noch ein paar Worte zum Programm: Es ist auch Tradition, dass Künstler der auftretenden Bands einen Abend kuratieren. Dieses Jahr war dies der Converge-Frontman Jacob Bannon, der für den Freitag auf der Main Stage und den Samstag im Het Patronaat verantwortlich zeichnete.

Zusätzlich gibt es jedes Jahr auch thematische Musik-Specials. Unter dem Titel “San Diego Takeover” gab es diesmal US-Bands mit reichlich Stoner-, Sludge- und Psychedelic-Klängen, sowie “The Japanese Psyche Experience” mit ebensolchen Sounds. Bereits am Vorabend stand das  “Hardrock Hideout” im Cul de Sac am Programm, das haben wir aber noch ausgelassen und nur so mal den “Weirdo Canyon” erkundet. Das ist die Fußgängerzone mit reichlich Kneipen und Restaurants gleich neben der Main Stage, und hier treffen sich die Roadburner vor, während und nach dem täglichen Konzertmarathon.

 

Tag 1

Am Donnerstag ging’s dann aber endlich richtig los! Um 15:00 Uhr waren SANNHET für mich der Opening-Act und die Band bot nach einigen technischen Startschwierigkeiten druckvollen Post-Metal. Optisch beeindruckend war auch das transparente und von hinten beleuchtete Drumset.

 

Waste of Space Orchestra

 

Im Anschluss folgte gleich der erste Besuch der Main-Stage, hier fand eine Premiere statt: erstmalig haben Künstler ein eigens für das Roadburn kommissioniertes Stück performt. Unter dem Titel “Waste Of Space Orchestra” haben die Bands DARK BUDDHA RISING und ORANSSI PAZUZU ein neues Werk geschaffen und mit 10 Musikern live auf der Bühne dargeboten. Unterstützt durch Visuals bündelten somit beide Acts für über eine Stunde ihre musikalischen Kräfte und entführen die Zuhörer in die Geschichte dreier Wesen auf der Suche nach der tieferen Wahrheit…

Ein deutliches Kontrastprogramm mit leisen Tönen gab’s nebenan bei TOBY DRIVER. Der sympathische Künstler (und auch Frontman bei KAYO DOT and MAUDLIN OF THE WELL) gab solo auf seiner Akustik-Gitarre dunkle Folksongs zum Besten. Ein Europa-Debüt folgte anschließend mit KHEMMIS. Die Amerikaner boten dann auch gute Doom-Dark-Metal-Kost im bereits gut gefüllten Het Patronaat.Am Weg zurück zur Main-Stage hab ich dann noch die ersten Takte von UNIFORM mitgenommen. Der brachiale Industrial-Punk gepaart mit einem manisch auf der Bühne herumtobenden Sänger hat definitiv Spaß gemacht!

Aber es war nur ein kurzes Vergnügen, denn auf der Main-Stage stand schon die nächste Band in den Startlöchern: EARTHLESS aus San Diego, die dieses Jahr “Artist in residence” waren und somit auch mehrere Auftritte hatten. Heavy Psychedelic Sound wurde nun kredenzt, auf der Leinwand gab’s passend dazu 70s-Liquid-Light-Visuals.

ÅRABROT standen als nächste auf meinem Timetable und das war auch gleich mein erstes kleines Highlight. Der Stil der Norweger lässt sich schwer schubladisieren, Noise, Dark Folk, Doom, Post Punk und mehr ergeben ein düsteres Konglomerat, dem Sänger Kjetil Nernes mit seiner Stimme auch noch zusätzlich einen Stempel aufdrückt. Auch optisch weiß er zu beeindrucken, mit breitkrempigem Hut und weißem Hemd mit Hosenträgern und ausladenden Gesten erinnerte er an einen Amish-Prediger.

Mit WRECK AND REFERENCE ging’s dann wieder in die elektronischere Abteilung. Das Zwei-Mann-Projekt mit Live-Drums und einem Frontman, der die Konserven-Sounds über einen kleinen, tragbaren Controller steuert, gibt dann auch ordentlich Gas und haut einen amtlichen Industrial-Electro-Metal-Sound aus den Boxen! Hatte ich in der Art auch noch nicht gesehen und gehört! Nun aber endlich ein wenig Abkühlen, denn die Main-Stage bietet neben reichlich Platz auch noch einen weiteren Vorteil: eine Klimaanlage! Bei Außentemperaturen von inzwischen knapp 30 Grad und deutlich höheren Temperaturen in den kleinen Venues ist das natürlich ein großer Pluspunkt!
 

Converge

 

Aber die nächste Band sollte dennoch ein paar Leute zum Schwitzen bringen, denn zum Post-Hardcore von CONVERGE hat sich dann sogar ein kleiner Moshpit vor der Bühne gebildet und auch Sänger Jacob Bannon hat etliche Meter auf der Bühne gemacht! An diesem Abend wurde das komplette Album “The Dusk In Us” performt, für den nächsten Tag stand “You Fail Me” am Programm. Nach einer kurzen Pause meinerseits ging’s weiter mit CULT OF LUNA & JULIE CHRISTMAS. Die Kollaboration der Post-Metaller mit der Sängerin aus Brooklyn hat 2016 unter dem Albumtitel “Mariner” das Licht der Welt erblickt und sollte eigentlich nur ein Studioprojekt sein, wurde aber bereits letztes Jahr auf einigen Festivals präsentiert und auch auf einer Nordamerika-Tour. Auf dem Roadburn fand nun die finale Performance statt und diese war wahrlich ein Erlebnis!

Die Band verlegt den tonnenschweren Sound mit den düsteren Growls der Sänger. Darüber schwebt die einprägsame Stimme von Julie Christmas. Die Bandbreite der Sängerin reicht dabei von brutalen Shouts bis hin zu lieblichem Geflüster. Auch optisch ist sie eine willkommene Abwechslung: im kurzen Kleidchen mit Schnürstiefeln mit reichlich Stage-Acting und Headbanging wäre sie ein tolles Fotomotiv. Leider ist, wie so oft, das Licht für gute Fotos suboptimal, aber das ist für die Stimmung natürlich unerheblich! Nur schwer kann ich mich trennen aber kurz vor dem Ende wollte ich noch BONG-RA und PHURPA einen Besuch abstatten, die Performances im Kontext des “Future Occultism”-Specials abhalten sollten. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde habe ich dann aber nach Ersterem den Abend beendet, denn auf Dauer war mir die doch sehr meditative Gitarren-Drum-Session um die Uhrzeit etwas zu mühsam.

Mehr Fotos vom ersten Tag gibt’s auf stills.eraserhead.at!

 

Tag 2

Noch frisch und noch voller Tatendrang ging’s auf in den nächsten Tag! Den deutschen Extrem-Metallern von THE RUINS OF BEVERAST hab ich aber nur kurz meine Aufwartung gemacht, denn um 15:10 Uhr hatte ich schon eine Verabredung im Photo-Pit mit MOTORPSYCHO. Tja, optisch war da nicht allzuviel zu holen, aber das ist für die Fans auch nicht notwendig, denn die Norweger begeistern seit Ende der 80er die Fanscharen mit ihrer eigenen Soundmelange zwischen Metal und Rock. Und die bringen sie auch noch immer fulminant auf die Bühne!
 

Jonathan Hulten

 

Optisch in einer ganz anderen Liga dann JONATHAN HULTEN. Der Gitarrist, der auch bei TRIBULATION für das Saiteninstrument verantwortlich zeichnet, hat sich in eine Art Burgfräulen-Kleid gewandet und auch mit etwas Schminke sein Antlitz verziert. Musikalisch standen dann gefühlvoll vorgetragene Akustik-Balladen am Programm, die mich teilweise etwas an “Unplugged Grunge” erinnern. Das Ganze verströmte eine wundervolle Atmosphäre im Het Patronaat und die Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die bunten Glasfenster bahnten, trugen noch zusätzlich zu einer ganz besonderen Stimmung bei.

Akustisch ging’s dann auch erst mal bei PANOPTICON los: Dark Country aus Minnesota mit Banjo und Westerngitarre, auch mit sowas muss man am Roadburn rechnen! Nach ein paar Songs wurde aber “eingestöpselt” und eine ordentliche Dosis Atmospheric Black Metal auf die Zuhörer losgelassen. Mit PLANNING FOR BURRIAL stand im Anschluss das Einmann-Projekt des Amerikaners Thom Wasluck am Programm. Mit zerzausten Haaren, barfuß und mit E-Gitarre bewaffnet gab’s eine Mixtur, die man angeblich unter Doomgaze, Post-Metal, Slowcore and Drone einordnen kann [...klar, wo auch sonst? Anm.d.Korr.]. War live auf Dauer dann doch nicht so ganz meins.

Daher wieder rüber zur Main-Stage und vorher noch kurz in den Green Room zu MINAMI DEUTSCH, den japanischen Neo-Krautrockern. Und nicht nur musikalisch, auch optisch sind die Bandmitglieder tief in den 60er/70er-Jahren verhaftet! Eine exklusive Performance des Albums “You Fail Me” von CONVERGE stand danach am Programm. Auch am Freitag wurden keine Gefangenen gemacht und das Hardcore-Brett brauste mit gewohnter Härte durch die Halle!

Was für ein Kontrast dazu dann JARBOE AND FATHER MURPHY! Zurück im ehemaligen Kloster bot das in weiße Kleider gehüllte Duo Ambient-Soundcollagen, gewoben aus Gitarre, Stand-Toms, Elektrosounds und Gesang.

Sehr gespannt war ich schon auf GODFLESH, eines der Urgesteine des Industrial-Rock/Metal-Genres. Leider hat es live nicht ganz gezündet bei mir. Die zwei Protagonisten standen sehr statisch und etwas verloren auf der großen 013-Bühne. Es gab auch keine Visuals, die der Performance etwas optische Würze gegeben hätte. Musikalisch aber solide, da gab’s nichts zu meckern. Hier muss man auch mal erwähnen, dass der Sound in allen Locations top ist!

 

Igorrr

 

Aber dann gleich darauf ein Highlight, auf das sich wohl schon viele gefreut haben: IGORRR. Das durchgeknallte Projekt des Franzosen Gautier Serre vereint Death/Black Metal, Dubstep, Trip-Hop, Chanson und Barockmusik zu einem abgefahrenen Crossover. Live dargeboten vom Meister himself hinter den Plattentellern, einem Drummer, sowie einer Sängerin und einem Sänger, der wohl direkt irgendeinem Höllenschlund entstiegen ist. Das Spektakel zu beschreiben ist schwierig, man muss es einfach erlebt haben! Opernarien kämpfen gegen Metal-Growls, darunter hämmern die elektronischen Beats mit dem Drummer um die Wette. Totally weird, aber es hat mächtig Laune gemacht!

Zur Geisterstunde gab’s dann noch den passenden Soundtrack mit GRAVE PLEASURES. Der melodiöse Dark Rock / Post Punk war dann noch ein feiner Schlusspunkt für den zweiten Tag!

Mehr Fotos vom 2. Tag gibt’s auf stills.eraserhead.at!


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