02.08.2019, Wacken Festival Area, Wacken

Wacken Open Air 2019 - Chroniken des Krachs - Kapitel 3

Text: Jazz Styx
Veröffentlicht am 08.08.2019

Der Freitag auf dem heiligen Acker begann bei der Elfenprinzessin und ihrer Heldengruppe mit so etwas wie der Wacken-Version von „ausgeschlafen“: mehr als vier Stunden die Augen zu gehabt und einen Kater der nicht schrie: „Nie wieder Alkohol!“, sondern eher Lust machte auf einen Frühstücksdrink. Das ist gut, denn meine Mit-Heroen bereiteten sich schon darauf vor, die ersten Band-Quests des Tages anzugehen. Also füllte auch ich schnell noch ein bis vier prickelnde Lebens-Tränke in meine elfische Existenz, bevor das Lager verlassen wurde.

Im Gegensatz zum Vortag wollten wir heute die großen Wacken-Areale besuchen, die wir freigespielt hatten. Die Faster-Felder beherbergten an diesem Tag ein süddeutsches Unwesen namens EQUILIBRIUM. Gebrüll traf auf Melodie, Gedudel auf harte Riffs, Power Metal auf Pagan Metal. Für einen morgendlichen Einstieg in die fantastische Wacken-Welt allemal geeignet. Einzig die Art der Ansagen und der darin verwendete Dialekt erschienen, als hätte man an der Synchronisierung etwas zu sehr gespart. Insgesamt aber gut feierbarer Krach! (2019er Album: „Renegades“)

Parallel dazu kämpfte unser Tank gegen JINJER. Das ukrainische Metalcore-Groove-Djent-Death-Metal-Monster tobte im Louder-Land, erschien aber vergleichsweise harmlos. Also sollte Beeroy damit schon alleine fertig werden. Die in eine Rettungsdecke eingewickelte Tatiana Shmaylyuk wechselte zwischen klarem und gutturalem Gesang, aber die Größe der benachbarten Schlacht übertönte sie oft. Mich überzeugte das nicht, aber der Tank war anderer Meinung und wirkte fast ein bisschen verliebt, wenn er Vergleiche mit seinen heißgeliebten ARCH ENEMY anstellte. (2019er EP: „Micro“)

Nach diesem Frühsport lohnte die Rückreise zum Lager nicht, also schauten Dr. DK und ich im Wackinger Village vorbei, das uns dieses Jahr ein zweites Zuhause geworden ist. Dort war gerade eine Horde hardcorig pöbelnder Punk-'n'-Roll-Barden eingefallen. Dr. DK nahm sich des Problems LUCIFER STAR MACHINE an: Sie tanzte und rockte und ließ ihre feuerrote Mähne fliegen, aber vom anwesenden Dorfvolk war keine Hilfe zu erwarten. Da hat es selten weniger Bewegung gegeben. (2018er EP: „Evil Blood“)

Ebenfalls nicht überzeugt von der Herausforderung suchte ich mir einen Knoblauch-Langos und fand meinen Weg in den großen Dungeon (Headbanger Stage), in dem DOWNFALL OF GAIA gerade apokalyptisch wüteten. Gekonnt, laut, unbarmherzig, aber berührend. Allerdings war dieser bezaubernde Krach gerade in seinen letzten Zügen, sodass meine Hilfe dort nicht mehr benötigt wurde. (2019er Album: „Ethic Of Radical Finitude“)

Endlich war es soweit. Die größten aller Helden, die Vorbilder aller Abenteurer, betraten diese unsere Welt. Keine Armee hatte je mehr Schwerter in ihren Reihen, niemals hatten sich derart viele Einhörner versammelt. GLORYHAMMER, die Legenden von Dundee! Pure Epik, unglaubliche Power!
Mit dem namensgebenden GLORYHAMMER zerschmetterte „Angus McFife“ seine Feinde und wurde dafür zu recht gefeiert und verehrt. Hatte er doch den Ton im All erfunden, um den Astro-Hammer nicht in Stille sein episches Werk verrichten zu lassen. Mit der „Hootsforce“ wurde auch der „Goblin King From The Darkstorm Galaxy“ besiegt.
Leider schien die Festivaltouristen-Dichte bei GLORYHAMMER etwas zu dicht für meinen Geschmack und auch das Schlagzeug der helvetischen ELUVEITIE, die gerade die Faster-Felder überfielen, war etwas zu spürbar. Zudem wurde die Zeremonie der Dundee-Helden abgebrochen, weil ein böser Zauber ein Gewitter heraufbeschworen hatte. Schade – und trotzdem eine wunderbare Erfahrung! (2019er Album: „Legends From Beyond The Galactic Terrorvortex“)

Als sich die unwetterliche Gefahr wieder legte, wurde mir, der Elfenprinzessin, eine Audienz beim König von Wacken höchstselbst gewährt. Thomas Jensen äußerte sich in einem entspannten Plausch über die Vor- und Nachteile der Wacken-Welt und erzählte von Freundschaften und Komplikationen seiner Arbeit. Zum Beispiel wolle man natürlich Größen wie METALLICA und MANOWAR auf den heiligen Acker holen, aber insbesondere der Termin, an dem Wacken liegt, mache dabei fast immer einen Strich durch die Rechnung. Ein wenig schien es so, als habe der König überwiegend nur Power Metal auf dem Plan, aber noch häufiger wollte er erwähnt wissen, dass der kleine Metalhead bei Wacken an erster Stelle stehe. Eine sympathische Begegnung!

Durch das Unwetter mussten GREYFACE ihre tollkühne Randale im History-Dungeon etwas später nachholen. Iren sagt man ja für gewöhnlich grünes Blut nach, aber diese Zombievertreter von der grünen Insel hatten graue Gesichter – wer hätte das gedacht! Unsere Mage of Mind war verzückt von den düsteren Klängen und der überbordenden Wildheit der Untoten. In Anzug, Punkgewand und lachsfarbenem Kleid flippten die Nu- bis Industrial-Metaller außergewöhnlich vielseitig, chaotisch, aber krass gekonnt aus. Stilvoller Wahnsinn, der mitnichten in die Albernheit abrutschte! (2017er Album: „Geryola“)

Schlagartig wurde es dunkel im Wackinger Village, obwohl der Abend noch jung war. Als würde es Eis regnen, kroch die Schwärze in die unschuldigen Seelen des Dorfes. Als käme die Apokalypse angeritten, zog ein Gefühl des Legendären in die Herzen des mittelalterlichen Volkes ein. GERNOTSHAGEN entkommt man nicht! Symphonische Schwärze war alles und weder der Tank, noch die Mage, noch ich hatten etwas dagegen einzuwenden. Diese Wolke durfte unsere Welt verdunkeln, denn wir wussten, sie würde wieder weiterziehen. (2011er Album: „Weltenbrand“)

Im Zuge des Metal Battles lernten sie einst den heiligen Acker kennen. Heute kehrten sie zurück, um das Wasteland zu zerstören. Die Rede ist von FOR I AM KING. Die Melo-Death-Truppe, die an ihre Spitze zur willkommenen Abwechslung keine aufgedonnerte Diva, sondern ein grandios growlendes Nerd-Girl stellen (Alma Alizadeh). So wundervoll echt! Zudem machte auch noch ihr Sound mehr Spaß als der von beispielsweise erzfeindlichen Genregrößen. Dem melodischen Tod setzten unsere Helden milde Mosch-Moves, fliegende Follikel und taumelnde Ausfallschritte entgegen, bis sich alle einig waren: abgehen! (2018er Album: „I“)

Es fiel eine HARPYIE ins Dorf ein. Ihrer Stimme nach zu urteilen, konnte sie jedoch kein besonders mächtiges Wesen sein. Auch die Wahl ihrer Worte überzeugte nicht. Schade, denn das Konzept aus Mittelalter-Metal und elektronischen Elementen war großartig. Diese HARPYIE konnten gerne andere Helden bezwingen – mir reichte das Gefecht als Hintergrundgeräuschkulisse. (2019er Album: „Aurora“)

Plötzlich öffnete sich ein Dimensionsportal inmitten des endzeitlichen Wastelands. Was daraus hervortrat, kann nicht in Worte gefasst werden. Unaussprechliche Schrecken aus einer Elektro-Welt drangen in das heilige Land des Metals ein und zwangen seine Bewohner zu ekstatischen Zuckungen. Bedrohlich einschnürend und dennoch das ultimative Gefühl von Freiheit. Reinigung des Seins durch Bewegung – dagegen ist Metal-Yoga nur rhythmische Sportgymnastik. Ich, eure Elfenprinzessin, erlebte hier meinen bestes Konzert des Wacken Open Airs. Jedes Bisschen Energie meiner Existenz wurde genutzt vom Moment der Portalöffnung bis SKYND wieder verschwanden. Ich war und bin noch verliebt und mache mir ernsthafte sorgen, ob ich nicht infiziert genug bin, um SKYND in ihre Welt zu folgen. Überragend wundervoll! (2019er EP: „Chapter II“)

Man erzählte mir, dass Dämonen und Zauberer ihr Unwesen trieben, die Fuchur liebte und Iceburner nicht wiedersehen wollte, dass es eine Krone im History Dungeon zu finden gab, dass ein Mörder zum letzten mal sein Unwesen treiben sollte, aber ich war hypnotisiert. Nach SKYND schien mir alles nur ein fahler Schatten, ein leiser Hauch im Hintergrund. Darüber musste ich erst einmal schlafen.

 

Die Chroniken des Krachs (Festival-Berichte zum W:O:A 2019):
Prolog
Kapitel 1 (Mittwoch)
Kapitel 2 (Donnerstag)
Kapitel 3 (Freitag)
Kapitel 4 (Samstag)


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