17.09.2019, Garage, Saarbrücken

Killfest 2019

Text: Lord Seriousface | Fotos: FiniMiez
Veröffentlicht am 23.09.2019

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Bonjour!

Im vergangenen März fand sich die unheilige Allianz aus OVERKILL, DESTRUCTION und FLOTSAM AND JETSAM zum ersten Teil der diesjährigen Killfest-Tour ein. Nachdem die Festivalsaison allmählich den Weg in die Geschichtsbücher gefunden hat, geht es zurück in die Clubs und Hallen dieser Welt. Auch das vorgenannte Dreier-Gespann verbündet sich erneut und feiert eine Verlängerung der besagten Tour. Support gibt es dieses Mal von den Oldschool-Thrashern REZET aus Schleswig-Holstein. Unser Weg führt uns heute in die Saarbrücker Garage nahe der französischen Grenze, vor deren Toren sich bereits an der Anzahl der kunstvoll und kostenintensiv geschmückten Kutten das Motto des heutigen Abends ablesen lässt: Oldschool Is Goldschool!

REZET

Noch während wir den reichlich bestückten Merch-Stand des heutigen Ensembles studieren und uns an der morbiden Dekoration aus abgetrennten Extremitäten mit Nietenschmuck erfreuen, erklingt bereits das Intro des Eröffnungsacts REZET. Noch im Unklaren darüber, wer heute überhaupt als Erstes auftischt, zieht es uns auf unsere Posten im und hinter dem Fotograben. Doch auch für diejenigen, die mit der ersten Band des Abends noch keinen Kontakt hatten, wird schnell klar, dass sich das Einfinden vor der Bühne lohnt. Die vier Burschen aus dem deutschen Norden sind sofort voll am Start und lassen ein inbrünstiges Thrash-Gewitter auf ihr Auditorium herunterbrechen. Auch wenn man eine biologische Verwandschaft mit den Protagonisten des Abends nach vernünftigem Ermessen ausschließen kann, so lässt sich eine gewisse Wesensverwandschaft nicht leugnen. Der 1980er Themenabend beginnt mit hart und kompetent geschmetterten Riffs, der Aufzug der Burschen erinnert deutlich an diverse Platten-Booklets aus den Anfangstagen des Genres. Neben aller Freude an der Eskalation und der kurzen Spielzeit zum Trotz versäumen es die Thrasher nicht, den Zusammenhalt der internationalen Hörerschaft zu betonen und sich im Angesicht des Zeitgeists gegen Rassismus und dergleichen zu positionieren. Das Set des Quartetts lockt innerhalb kurzer Zeit eine für diese Zeit beachtliche Menge von Besuchern vor die Bühne und sorgt für gute Stimmung. Für eine sehr kurzweilige halbe Stunde massakrieren REZET ihre Instrumente und bieten der Crowd ein Aufwärmprogramm, das die meisten Sportphysiologen für nicht vertretbar hielten [ausser Frau Dr.Antha! Anm. d. Korr.] So lässt's sich aushalten!

Tracklist REZET:

  1. Treadmill To Hell
  2. Deal With It!
  3. Reality Is A Lie
  4. Chaos In My Mind
  5. Minority Erazer
  6. Thunder Raiders
  7. Have Gun, Will Travel

 

FLOTSAM AND JETSAM

In rekordverdächtigen zehn Minuten werden die Pferde in der Saarbrücker Garage gewechselt und der Hocker hinter dem Drumkit gegen einen ergonomisch angepassten Chefsessel ersetzt. Ehe man sich mit frischen Elektrolyten versorgen kann, erklingt bereits die Sirene zum Auftakt des FLOTSAM AND JETSAM-Sets. Während die Band bereits aufspielt, schlendert Frontmann Eric A. K. mit einem Ausdruck der Tiefenentspannung auf die Bühne und setzt passgenau ein. Auch wenn es mehr als offensichtlich ist, erkundigt sich der Sänger höflich, ob die Meute denn "Ready For Metal" sei und kündigt im selben Atemzug "Iron Maiden" an - einen Song, der hörbar von den gleichnamigen NWoBHM-Titanen inspiriert ist und sich nach A.K.s Worten als Huldigung einer seiner liebsten Bands versteht. Die gut zur Hälfte gefüllte Garage freut sich über Klassiker vom Debut "Doomsday For The Deceiver" (1986) und nimmt das Angebot eines Gesangs-Chrashkurses zum aktuellen "Demolition Man" dankbar an. Glücklicherweise bleibt jedoch der Hauptteil der Gesangsdarbietung der Band vorbehalten, da das Auditorium zuweilen eher sonderliche Töne hervorbringt - wohlgemerkt: der Verfasser sieht aus diesem Grunde sowie aus Achtung vor der Menschenwürde von öffentlichen Gesängen ab. Ken Mary, Drummer von FIFTH ANGEL und seit letztem Jahr an Bord, vollführt Kunsstücke mit rotierenden Drumsticks und Basser Michael Spencer erstaunt mit der Beherrschung schräger Bünde auf seinem langhälsigen Begleiter. Nach fairen 50 Minuten Spielzeit ist der ganze Spaß wieder vorbei und FLOTSAM AND JETSAM hinterlassen ein zufriedenes Publikum. Die zwischendurch ausgesprochene Ankündigung "You Won't Recover From This" wird glücklicherweise nicht allzu wörtlich genommen, denn bekanntermaßen ist nach dem Konzert vor dem Konzert.

Tracklist FLOTSAM AND JETSAM:

  1. Prisoner Of Time
  2. Desecrator
  3. Iron Maiden
  4. Hammerhead
  5. Demolition Man
  6. Suffer The Masses
  7. Recover
  8. I Live You Die
  9. No Place For Disgrace

DESTRUCTION

Bevor es bei DESTRUCTION zur Sache geht, läuft BARRY MCGUIREs "Eve Of Destruction" vom Band und beweist, dass die alten Hasen doch trotz ihrer unbeugsamen Härte noch einen ausgeprägten Sinn für Humor haben. Stilecht angekündigt betritt die deutsche Thrash-Institution die Bretter und präsentiert sich vielen ihrer Fans zum ersten Mal als Quartett. Die Setlist konzentriert sich auf die alten Gassenhauer der ersten Alben, die Zeit ihrer Quasi-Reunion nach Schmiers Rückkehr und natürlich die aktuelle Scheibe "Born To Perish". Während die neuen Songs von vornherein für zwei Gitarren komponiert sind, profitieren auch die bis dato einsam geklampften Klassiker von der sechssaitigen Doppelspitze aus Ur-Zerstörer Mike und Neuzugang Damir Eskić. Während Mike die inhärente Ruhe eines über Jahrzehnte geübten Veteranen ausstrahlt und sich die pfeilschnellen Rhythmen wie selbstverständlich aus dem Ärmel schüttelt, thrasht und bangt der neue Mann wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein. Mit seinen Solokünsten spielt er mit dem Publikum wie Angus Young und die Saarbrücker fressen ihm aus der Hand. Viele Soloparts zocken die beiden Axtmänner im Wechsel und übertrumpfen sich gegenseitig. Klassiker wie "Thrash Till Death" oder "The Butcher Strikes Back" erklingen dank des verstärken Rhythmus-Rückgrats mit einer ungewohnten Härte und machen dadurch noch mehr Spaß. Der im letzten Jahr zur Band gestoßene Randy Black eskaliert permanent hinter seiner Schießbude und spornt die Urgesteine zu Höchstleistungen an. Man gewinnt dabei sogar den Eindruck, dass die Herren mit jedem Song schneller und ungestümer werden. Als sich DESTRUCTION nach "Bestial Invasion" wieder verabschieden, fragt man sich, wo die Zeit schon wieder geblieben ist. Diese herrliche Schlachterei hätten die meisten gerne noch zwei Stunden weitergefeiert und stimmen damit überein, dass dies hier wahrhaftig der "Eve Of DESTRUCTION" war.

Tracklist DESTRUCTION:

  1. Curse The Gods
  2. Nailed To The Cross
  3. Born To Perish
  4. Mad Butcher
  5. Eternal Ban
  6. Inspired By Death
  7. Betrayal
  8. The Butcher Strikes Back
  9. Thrash Till Death
  10. Bestial Invasion

OVERKILL

Gegen 21:30 wird die Garage in ein Gemenge aus Dunkelheit und giftgrünem Licht gehüllt, ehe sich der Vorhang lichtet für die New Yorker Thrashmeister OVERKILL. Wie ihre Kollegen von DESTRUCTION sind Bobby "Blitz" Ellsworth und seine Jungs schon fast vier Dekaden im Dienst, und wie bei den Teutonen-Thrashern sucht man bei ihnen Altersmilde vergebens. Mit knüppelharten Gitarren, drückendem Bass, quirligen Vocals und amtlicher Lautstärke steigen OVERKILL in ihr 90-minütiges Set ein. Die Altmeister machen von der ersten Minute an keine Gefangenen - doch was ist das? Beim Blick in Richtung Moshpit fällt auf, dass die Hütte augenscheinlich nur noch zu dreiviertel gefüllt ist und nicht mehr bis zum Anschlag wie noch vor wenigen Minuten. Die Gemeinde bleibt während des ganzen Gigs überschaubar, doch feiern die Anwesenden den Headliner gebührend. Neue Stücke vom aktuellen Album "The Wings Of War" werden ebenso angenommen wie alte Brecher der Marke "Elimination" oder "Feel The Fire". Die überwiegend im Highspeed-Tempo heruntergeschüsselten Songs verlangen der Crowd einiges ab, vor dem Zugabenpart entwickelt sich die flotte Moshpitsohle allmählich zum Wiener Walzer in Zeitlupe. D. D. Vernis Bass streikt zwischendurch, was die Band durch konsequentes Durchtreten des Gaspedals souverän kompensiert. Sowohl die verbliebenen Gäste als auch OVERKILL scheinen mit dem Abend rundum zufrieden, ob "Old Shit" oder "New Shit" - am Ende stehen die Leue auf "All Shit" und auch Blitz Ellsworth freut sich, "Back In Germany" oder eben "Back Anywhere" zu sein. Feuer, immer Feuer lautet heute das Motto. So wundert es auch nicht, dass die New Yorker bis zum bitteren Ende thrashen wie die Wilden und sich schließlich mit ausufernden "Fuck You"-Rufen zum passenden SUBHUMANS-Cover verabschieden. Und wären da nicht gewisse behördliche Regulatorien, die man zumindest nicht ohne Repressalien einfach "fucken" kann, dann hätten die Herren sicherlich bis zum mittwöchlichen Frühschoppen durchgezockt - schade!

Tracklist OVERKILL:

  1. Last Man Standing
  2. Electric Rattlesnake
  3. Hello From The Gutter
  4. Elimination
  5. Bring Me The Night
  6. Head Of A Pin
  7. Horrorscope
  8. Under One
  9. Bastard Nation
  10. Mean, Green, Killing Machine
  11. Feel The Fire
  12. Ironbound
  13. Deny The Cross
  14. Rotten To The Core
  15. Fuck You (THE SUBHUMANS)
  16. Welcome To The Garden State
  17. Fuck You (Reprise) (THE SUBHUMANS)

Au Revoir!

Der heutige Abend bot Thrash, Thrash, Thrash und nochmal Thrash vom Feinsten. Gemessen an der Besucherzahl waren wohl DESTRUCTION der Star des Abends, doch bleibt festzuhalten, dass es alle Bands ordentlich krachen ließen und dem Thrash-Teufel ein gebührendes Opfer dargebracht haben. Während OVERKILLs Abriss finden sich noch einmal Schmier und Damir am Merchstand ein und nehmen sich die Zeit für den ein oder anderen Plausch mit ihren Fans. Und während sich später die Musiker des heutigen Abends auf den Weg nach Nürnberg machen, denken wir über die Bedeutung des Hashtags #kommezuspätzurarbeitweilthrashmetaleinfachgeilist nach. In diesem Sinne: bis bald!


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