08.11.2019, Molotow Musik Club, Hamburg
Emotionen pur mit 8KIDS und LONELY SPRING
„Hochverlegt“ sei das Konzert von 8KIDS im Hamburger Molotow für den 8. November 2019 worden. So was soll vorkommen, wenn der Ticketverkauf besser läuft, als man erwarten konnte. Offensichtlich hat das Darmstädter Post-Hardcore-Trio einen regen Fanzulauf. Absolut zu Recht! Da werden sich viele gedacht haben, dass sie gerne noch eine kleine Clubshow der 8KIDS erleben wollen, bevor sie nach ihrem großen Durchbruch nur noch gigantische Hallen bespielen.
Doch kommen wir zunächst zum Supportact des Tages. LONELY SPRINGS haben erst dieses Jahr ihre Debüt-EP „Lovers & Strangers“ in die Herzen ihrer Fans gerockt. Das Passauer Quartett macht Musik zwischen Post-Hardcore, Rock, Emo und Pop-Punk. Dabei muss ich zugeben, dass ihre Studioaufnahmen mir zu weichgespült, zu bereinigt, zu poppig ins Ohr gehen. Live herrscht allerdings eine ganz andere Stimmung. Da rockt es, aber kräftig!
Und dazu kommt man in die wunderbare Gelegenheit, die ganz einzigartige Schönheit vier junger Menschen zu beobachten. Vielleicht am auffälligsten geht Simon ab, der in „return to the Grunge, but don't forget the Punk“-Optik Stimme und Bass liefert – in seiner Liebe zur Bühne geradezu berauschend. Jul, ebenfalls Vocalist, zudem Gitarrist, hingegen hat eher die Aura eines tragischen Helden, der mit Schirmmütze und Hoodiekapuze den Eindruck macht, er wolle zugleich seine Prominenz und seine Trauer verbergen. Manu, auch Gitarrist, sprudelt daneben über vor Glück. Hat sich jemals ein Mensch wohler gefühlt in der Position, in der er sich gerade befindet? Und dann sitzt da noch Madsn am Schlagzeug und scheint schon Pläne zu entwerfen, wie er nach der Show die ganzen Groupies abwehren soll. Ein wunderbares Bild zu einem energetischen Soundtrack, der den gut gefüllten Raum bewegt.
Dann kommen 8KIDS auf die Bühne. Leider fehlt die Drummerin, doch ein Freund der Band springt ein. Gute Besserung, liebe Emma! Nach dem grandiosen ersten Album „Denen, die wir waren“ von 2017 erschien im Sommer 2019 nun ihr zweiter Longplayer namens „Blūten“ – ebenfalls ein erschreckend schönes Kunstwerk. Die dazugehörige Headliner-Tour „Wir bleiben Kids“ ist der Grund, warum dieser wunderbare Abend heute im Hamburger Molotow stattfinden darf.
Die musikalische Range reicht von Post-Hardcore bis Alternative-Rock, sprenkelt aber auch Pop und Sceamo/Emo ein. Damit erreichen 8KIDS einen sehr eigenen, überragend emotionalen Klang, der zuvorderst von Jonas' eindringlichen Stimme lebt. Wie sehr dieser Mensch die mitunter brutal tiefgehenden Gefühle in jedem Song nicht nur singt, sondern mit jeder Faser lebt, lässt trotz aller Feierstimmung, trotz der Getränke und des regen Tanzens schwer schlucken bis Tränen vergießen.
Die Songs mischen sich aus den Alben und auch der Debüt-EP „Dämonen“ zu einem überwältigenden Cocktail aus Schmerz und Hoffnung. Dabei geht es um Themen wie Suizidalität („Kann mich jemand hören“), das Leben im Jetzt („In den Sternen“) und häusliche Gewalt („Ich gehöre dir nicht“). Ein Cover von Grönemeyers „Der Weg“ passt präzise ins Programm. Besondere Höhepunkte sind das politisch und menschlich sehr wichtige „Dein Zuhause“, das die 8KIDS Ultras unter großem Applaus mit Fahnen gegen Rechts einleiten und der Abschiedssong „Zeit“, der nicht ohne Grund als das zentrale Meisterwerk von 8KIDS gefeiert wird. Von einer Trennung des zweiten Sängers und Gitarristen Hans handelnd ist es das perfekte Liebeslied an die Schmerzen, ohne die die beendete Beziehung so schrecklich entwertet würde. „Will dich so lang es geht vermissen müssen!“
Welch ein schöner Abend! Stark eingeleitet durch LONELY SPRING und perfekt pointiert von 8KIDS. Wer tiefgehende, emotionale und nicht immer ganz einfache, aber stets hervorragend geschriebene deutsche Texte mithilfe einer der berührendsten Stimmen der aktuellen Musikgeschichte und eingerahmt von bewegenden Klängen zu schätzen weiß, kommt an 8KIDS nicht vorbei. Ganz viel Dank und Liebe euch wundervollen Menschen!