25.01.2020, Turock, Essen

HELRUNAR + IMPERIUM DEKADENZ + FIRTAN + VARGSHEIM

Veröffentlicht am 29.01.2020

Als gerade die milden Windertage kurzfristig von Temperaturen knapp über den Gefrierpunkt abgelöst wurden, startete am 24. Januar die „Eis und Nacht“ Tour. Am darauffolgenden Tag erwiesen HELRUNAR, IMPERIUM DEKADENZ, FIRTAN und VARGSHEIM Essen die Ehre. 

Das Turock füllte sich schon vor dem Opening Act ganz gut. Bei den ersten angespielten Klängen von VARGSHEIM war es noch so, dass sich, wie in der Schule, außer den „Strebern“ niemand nach vorne begab, was sich aber nicht nur aus Platzgründen, sondern auch aufgrund dessen was da auf der Bühne geboten wurde, noch während des ersten Songs änderte und beim zweiten Song konnte man schon ein: „Die sind aber ganz gut!“ im Publikum vernehmen. Das Trio in schwarzen Unterhemden (eigentlich nur das Duo vorne, der Schlagzeuger im ärmellosen schwarzen Shirt) machten musikalisch wie auch von der Bühnenpräsenz einen sehr guten Eindruck. Der Bocksschädel am Mikroständer passte vom Bild her gut zum paganistisch anmutendem Logo auf dem Banner der Band. 

Die Black Metal/Rock 'n' Roll Band aus Würzburg wurde 2005 gegründet (ein Jahr vorher schon als BLUTRUNST) und hat letztes Jahr mit „Söhne der Sonne“ ihr viertes Studioalbum veröffentlicht. „Staublunge“ und „Blutmond“ von diesem Album (beide mit Bassisten Harvst singend, der sich die Lead Vocals in der Band mit Gitarrist Kaelt teilt; dritter Mann ist Schlagzeuger Naavl) haben live besonderen Eindruck gemacht. „Staublunge“ wartete mit einem sehr gefühlvollen Intro auf und das druckvolle „Blutmond“ hat mit einem geradezu „souligem“ Gitarrensolo überrascht. Pünktlich nach einer halben Stunde war um 20 Uhr Schluss mit dem kurzweiligen Set. Dem Publikum hat es gefallen, da meinte ein Konzertbesucher vor mir zum Nebenmann: „Paganzeug, aber gefällt mir, nicht zu fröhlich. Klassischer Metal eigentlich.“ Und danach auf die Frage wie es gefallen hat: „Eben? Die waren richtig fett!“
 

Dreißig Minuten später Stagetime für FIRTAN. Shitfaced einmal anders.... Nicht nur die beschmierten Gesichter, auch die verdreckten und lumpigen Klamotten würden, wenn man ihnen so auf der Straße begegnen würde, einen wahrscheinlich dazu bringen einige Meter auf Abstand zu gehen und zu hoffen, dass der Wind nicht in die Richtung weht. Man hat sich sicher etwas bei diesem visuellen Konzept gedacht, das wie aus einem Film über eine dystopischen Zukunft anmutet. Textlich beschäftigen sie sich aber nicht mit düsteren Zukunftsfantasien, sondern vor allem auch mit Themen die sich mit der „Innenwelt“ des Menschen beschäftigen (Anspielung auf die EP von 2016 beabsichtigt). 

Das Intro von „Seegang“ als Einstimmung klingt schon mal vielversprechend. Laut eigener Angabe zeichnen sie sich durch eine „Kombination aus Black-, Pagan-Metal, Prog- und Post-Rock, sowie orchestralen Elementen und emotionalem Gesang" aus, das klang aber alles in allem nach „typischen“ Black Metal mit schrill-gowlenden Gesang (mit Ausnahme der kurzen Gastvocals von Stefan der Kölner Band JÖRMUNGAND) und nervös rumpelndem Klangteppich. Wahrscheinlich muss man vertrauter mit den Songs der seit 2010 aktiven Band sein, um sie entsprechend würdigen zu wissen. Die Studioversionen sind teilweise sehr atmosphärische Stücke, wovon live einiges verloren ging. Trotzem eine ganz solide Performance mit ein paar Highlights. 

Sänger Phillip Thienger: „Habt ihr Bock?“ - Nein, den haben VARGSHEIM wieder mitgenommen. Der Rest des Publikums war aber sehr angetan von dem was da in knapp über einer halben Stunde von FIRTAN dargeboten wurde. Zitate: „Gänsehaut!“ „Wirklich schöne Musik!“ „Geiler Scheiß, oder?“
 

Nochmal VARGSHEIM? Nein, das Déjà-vu als IMPERIUM DEKADENZ um 21:36 betraten ist aber verständlich, da das Trio der Band, die eigentlich nur aus dem Duo Horaz (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Vespasian (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard) besteht, schon seit Jahren live aushilft. Sie wurde 2004 gegründet und hat mittlerweile sechs Alben auf dem Buckel (das neueste „When We Are Forgotten“ erschien 2019). Schwarze Musik aus dem Schwarzwald, wieder eine etwas andere Spielart. Schwer, wenn es langsamer wäre, an manchen Stellen schon fast doomig. Die Musiker verstehen ihr Handwerk, Sänger Horaz ist charismatisch genug, dass die Resonanz des Publikums auch hier wieder sehr positiv ausfiel. „Ich glaube im Ruhrpott weiß man wie man feiert“, bemerkt Horaz. An diesem Abend zumindest schon. Als Zugabe gab es noch „Reich der fahlen Seelen“, womit der Auftritt von IMPERIUM DEKADENZ um 22:26 zu Ende ging und hinter mir folgendes zu hören war: A: „Wie fandst du die?“ - B: „Geil!“ - C: „Total Hammer!“-  A:„Ich finde die auch total geil!“


Um 22:45 war es endlich so weit, HELRUNAR meldeten sich zu Wort: „Essen, seid ihr gut drauf? Wir nicht. Wir sind keine lustigen Menschen.“ und starten mit „Saturnus“ gleich voll durch. 

Die 2001 gegründete Band, bestehend aus Sänger Marcel und Schlagzeuger, Gitarrist und Bassist Sebastian, der live hnter dem Drumkit sitzt, wird live an den Gitarren und beim Backgroundgesang von Stefan (Rhytmus) und Árni (Lead) von ÁRSTÍÐIR LÍFSINS sowie Rainer von ABROGATION am Bass ergänzt. Weshalb man mit dem Lineup so zufrieden ist und es beibehalten möchte, war gut nachvollziehbar. Allesamt sehr gute Musiker, eingespielt, tight. Zudem punkten sie mit ihrer Livepräsenz und geben ein ausgeglichenes, symmetrisches Bild auf der Bühne ab, mit den physisch aktiveren und „präsenteren“ Marcel und Rainer in der Mitte vor Sebastian und die beiden etwas statischeren Gitarristen links bzw. rechts außen, die sich aber auch mächtig reinknien, mit geschlossenen Augen z.B. in „Da brachen aus böse Blattern, am Menschen und am Vieh“ richtig versinken oder teilweise wortwörtlich, wenn sie etwa wie bei „Magdeburg brennt“ in die Knie gehen und headbangen. 

Für eine Band, die sich selbst eher als Studioband sieht, ist das was hier abgeliefert wurde sehr beeindruckend. Man schaffte es den anspruchsvollen Kompositionen mehr als gerecht zu werden. Dynamisch und episch erklangen Songs wie „Devils, Devils Everywhere!“, „Nebelspinne“, „In Eis und Nacht“ und „Raune mit der Tiefe“ („richtiger Viking Metal“). Zwar manchmal mit einem Augenzwinkern („Wir sind nicht Heilung, wir sind die Geilung!“), gebärt man sich aber ganz ohne Stumpfsinn. Wer noch nicht Fan war, wurde an diesem Abend sicherlich bekehrt, wobei es nicht so aussah als ob man noch jemanden bekehren müsse. Zwischen den Songs kamen schon Rufe nach Songs, die man sich noch wünschte. „Landsknecht“, „Älter als das Kreuz“, „Tiefer als der Tag“ tönte es da unter anderem. Hätte man alles gespielt was das Publikum hören wollte, hätte man sicher noch eine weitere Stunde dranhängen müssen.

„Wer schneller spielt ist früher fertig.“ verlautbarte Frontmann Marcel. Da im Turock anschließend die Metaldisco ihre Pforten öffnet, ist der Zeitplan etwas strenger und so fiel die Show etwas kürzer aus als Tags davor in Weinheim (und mit leicht geänderter Setlist), aber zum Glück wurde auf der Bühne nicht gehetzt. Als Zugabe gab es noch „Landsknecht“ und abschließend noch mal tobenden Beifall aus dem vollen Saal vor die großartige Darbietung, die den sehr gelungen Abend abrundete.


Die „Eis und Nacht“ Tour bietet ein in sich stimmiges Package, das aber trotzdem genug abwechslungsreich ist, dass keine Langeweile aufkommen sollte. Noch vier kommende Dates: 31.01. Erfurt, 01.02. Cottbus, 21.02. Cham, 22.02. Trier.
 

Setliste HELRUNAR:
Saturnus
Devils, Devils Everywhere!
Blutmond
Nebelspinne
Raune mit der Tiefe
Da brachen aus böse Blattern
Magdeburg brennt
In Eis und Nacht
Landsknecht


WERBUNG: Innfield Festival
ANZEIGE
ANZEIGE