29.02.2020, Garage (Kleiner Klub), Saarbrücken

THE SPIRIT + CRIMSON MOON + NARVIK

Text: Lord Seriousface | Fotos: FiniMiez
Veröffentlicht am 02.03.2020

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Von Misanthropie...

Woran erkennt man einen guten Tag für Black Metal? Ist es das triste Wetter? Der bedrohlich graue Himmel, die strammen Winde und die Kälte? Sind es die zombifizierten Passanten, die sich todessehnsüchtig auf die Straße werfen und nur durch ihre aufmerksamen Begleiter vor einem ironischen Schicksal namens "Tod durch Stormbringer-Kompaktvan" bewahrt werden? Sind es die Heerscharen von Krähen, die auf entlaubten, gespenstisch anmutenden Bäumen lauernd das Eintreten eines eben solchen Ereignisses herbeisehnen? Ist es die ungewöhnlich hohe Polizeipräsenz, die auf Ungemach im Umfeld der Saarbrücker Garage hindeutet? Einzeln betrachtet wären derartige Impressionen womöglich unspektakulär, in Summe hingegen setzen sie sich zu einem apokalyptischen Mosaik zusammen und malen ein Bild von misanthropischer Romantik, deren Verschmähung von beinahe skandalöser Natur wäre.

NARVIK

Im Kleinen Klub der Saarbrücker Garage erfahren die Vorboten der Hinreise eine unheimliche Konkretisierung. Eine Sense, die zum Mikroständer ausgebaut wurde, Knochen und Schädel, die wie auf einem Altar aufgebahrt liegen und abermals Knochen an Ketten und am Merchstand, sorgen bereits zum Soundcheck für diabolische Festtagsstimmung. Als um kurz vor 19:00 Uhr ein großes Bündel Räucherstäbchen und Weihrauch entzündet werden, festigt sich die Vorahnung, dass das Bevorstehende vielmehr eine spirituelle Erfahrung als eine gewöhnliche Musikveranstaltung werden sollte. Und auch, wenn die WATAINesken Blutduschen - ganz zur Erleichterung der Venue-Verantwortlichen, die sonst um den Wohlgeruch ihres Teppichbodens hätten bangen müssen - ausbleiben, erinnert die schwarze Messe NARVIKs durchaus an die ritualisierten Präsentationen der Schweden. Dargeboten vor morbide geschmückter Kulisse und untermalt von bedächtiger [und im Falle von Sänger Redeemer auch barfüßiger] Gestik, zieht das Set der vermummten Schwarzheimer die zahlreich erschienenen Besucher ad hoc in ihren Bann. Die andächtig Meditierenden kommen zudem in den Genuss zweier neuer, unbetitelter Songs. Die Augen brennen, die Lungen machen dicht und wie man sieht, ist das Ganze für die Band mehr als nur Musik.

Setlist NARVIK:

  1. Shattering The Vessels
  2. Womb Of Lilith
  3. Lied 5 (Arbeitstitel)
  4. Lied 4 (Arbeitstitel)
  5. Into The Patterns Of Ajna
  6. Geist Zu Scherben

CRIMSON MOON

Wie man bereits während der Umbaupause erfahren kann, brauchen auch CRIMSON MOON auf der Bühne ihre Dröhnung. Was genau dort in dem kleinen Töpfchen vor Scorpios Androctonus' Mikro mit gesunder Wasserpfeifenkohle in Brand gesteckt wird, bleibt unenthüllt. Pferdedung? Affenhaare? Zehennägel? Ein Gemisch aus alledem mit einem Schuss Buttersäure? Was auch immer dort vor sich hin kokelt, es stinkt bestialisch und etwa so, als würde man einem magendarmkranken Keiler den After anzünden. Mit diesem wohligen Duft in der Nase zockt die zweite Band des Abends unter erschwerten Bedingungen und überzeugt dabei mit einer umso erstaunlicheren Präzision. Selten habe ich jemanden so flink und akkurat den Tieftöner zupfen sehen, besonders wenn man gleichzeitig für den Verbalvortrag verantwortlich zeichnet - Chapeau, Mr. Androctonus! Die Blicke und gerümpften Nasen im Publikum sind indes unbezahlbar - und interessanterweise verzieht selbst Drummer Blastum derart die Miene, als durchlebe er nasale Höllenqualen auf seinem Hocker. Ein klein wenig scheint sich das Set der Truppe zu ziehen...vielleicht liegt es aber auch einfach an der paralysierenden Wirkung der Umgebungsluft... [Anm. d. Lekt.: Es riecht bis hierher...] das weiß man nicht so genau...auf alle Fälle liefert auch Runde zwei gescheiten Black Metal, darüber sind sich alle einig.

Setlist CRIMSON MOON:

  1. Oneironaut
  2. Urilian Worm
  3. Mors Vincit Omnia
  4. Sender Of Nocturnal Visions
  5. Molding Of A Spell
  6. Vanitas
  7. Under The Serpentine Spell

THE SPIRIT

Aufgrund dicker Luft und der scheinbar unlösbaren Aufgabe, in dem überschaubaren Club an etwas Trinkbares zu kommen, sinkt meine Stimmung zeitweise in Richtung Erdmittelpunkt ab - aber man soll den Tag nicht vor dem Abend verteufeln. Nachdem NARVIK und CRIMSON MOON den Kleinen Klub stilecht mit Corpse Paint, Gebein und infernalem Mief in eine satanische Kloake verwandelt haben, üben sich die Gastgeber THE SPIRIT in Bescheidenheit. Kein Feuer, kein Gestank, keine Kadaverteile - der Headliner begnügt sich mit einem einfachen Backdrop, steht mit vier schlichten Men in Black auf der Bühne und lässt einfach die Musik für sich sprechen. Mehr brauchen die Herren aus der Nachbarschaft auch überhaupt nicht. Mit ihrem gelobten zweiten Lanspieler "Cosmic Terror", das heute komplett aufgeführt wird, reißen die Saarbrücker ihre Fans mit und werden hart gefeiert - und das nicht nur von den DISSECTION-Fans, die seit dem Einlass in der ersten Reihe patroullieren. Zeitweise wird man von allen Seiten von fliegenden Mähnen gebürstet und fühlt sich wie ein Opel Manta in der Waschanlage. Der Sound sitzt, die Stimmung erreicht den Siedepunkt und auch THE SPIRIT sind bei bester Laune. Damit wird auch das Heimspiel im Anschluss an ihre Co-Headliner-Tour mit KARG zum vollen Erfolg. Eine kurze Ruhepause hat sich das Quartett damit redlich verdient...zumindest bis zum Anbruch der Festivalsaison - und die steht bekanntlich schon in den Startlöchern!

Setlist THE SPIRIT:

  1. Serpent As Time Reveals
  2. Strive For Salvation
  3. Cross The Bridge To Eternity
  4. Pillars Of Doom
  5. Repugnant Human Scum
  6. Illuminate The Night Sky
  7. The Path Of Solitude
  8. The Wide Emptiness
  9. Cosmic Terror
  10. The Clouds Of Damnation

...und Geselligkeit

Die Sache mit der Misanthropie hat auch ihre lustigen Seiten. Denn was tun, wenn man die Gesellschaft von Menschen missbilligt und aus Überzeugung meidet? Richtig, man versammelt sich unter eben solchen und frönt der kollektiven Aversion gegeneinander oder gegenüber denen, die nicht dem auserkorenen Zirkel von Zivilisationsskeptikern angehören. Dass auf dem Nährboden derartiger Gedankengüter ganz erstaunliche musikalische und multisensorische Obskuritäten zu Tage gefördert werden, darf man heute auf mehrerlei Arten erleben. Das Ganze gepaart mit einer Prise kosmischem Terror ergibt einen feinen Hexenkessel, der reichlich Gleichgesinnte in den Brandherd der schwarzen Flamme lockt. Der Kleine Klub ist ausverkauft oder zumindest kurz davor, die Kutten sind gesegnet und die meisten unserer technischen Helferlein müffeln nach Weihrauch - was will man mehr?


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