19.11.2021 - 20.11.2021, Escape Metalcorner, Wien

DOOM OVER VIENNA XV

Veröffentlicht am 22.11.2021

Doom Over Vienna ist das letzte Festival vor Lockdownbeginn und ist, trotz der strengen Covidmaßnahmen, ein voller Erfolg. Am ersten Abend war ich einer der Pechvögel, ohne rechtzeitig erhaltenen PCR Test, und stand vor verschlossener Tür. Einer der Securities tat es leid mich draußen stehen zu lassen, also gab er mir folgenden Tipp: "Geh zur Apotheke in der Lugner und moch an Schnelltest. Vorher san sechs Steirer ah ohne Test da g'wes'n. Den hob i des gleiche g'sogt." Eine liebgemeinte Idee, nur kam ich zu spät. Die Apotheke war bereits geschlossen.
Der Veranstalter kannte das Problem bereits von anderen und fürchtete deswegen, dass viele Besucher zu Hause bleiben. Er wurde eines Besseren belehrt:  letztes Wochenende gewannen LIQUID EARTH, MOUNTAIN THRONE und OFFICIUM TRISTE das Publikum für sich und die Lobreden über DOOM RAISERs Auftritt waren am zweiten Abend noch zu hören.

Samstag, 19.00. Escape Metalcorner. Vorm Eingang tummeln sich die Leute. Mit gezückten Smartphones und PCR Test stehen die Menschen Schlange; bierlüsternd und vorfreudig. Um den Ma48-Mistkübel, der ein paar Meter vor dem Eingang steht, unterhält sich eine Gruppe Raucher. Es wird gelacht und geredet, bis die Tore sich öffnen. Zuerst sind die Kontrollen dran: einmal Impfpass und dann PCR-Testergebnis. Der bullige Türsteher, mit einem Tribal-Tattoo am Hals, kommt gewissenhaft seiner Verpflichtung nach. Er zückt seine Brille hervor, studiert die Nachweise und weist auf den Stapel Formulare fürs Contacttracing hin; ganz streng nach Vorschrift. Ein Besucher stürmt gleich zu Bar, ohne das Formular ausgefüllt zu haben. „Hey! Zettel ausfüllen ned vergessen, bitte!“, ruft der Security, der rechts von der Tür steht, ihm nach. Er wirkt nervös und gestresst. In Anbetracht der pandemischen Umstände wundert es niemanden, dass streng vorgegangen wird.

„Ich habe Sorge gehabt, dass die Hälfte der Festivalbesucher nicht kommen werden. Die meisten sind geimpft, aber nicht jeder hat sein PCR Testergebnis rechtzeitig erhalten. Als Veranstalter kränkt es mich, wenn ich jemanden nicht reinlassen darf.", erklärt Willi.

Missachtet ein Lokal die Covidmaßnahmen kassiert der Staat 8.000-10.000 € Strafe. Es müssen Impfpass und sowohl Datum als auch Uhrzeit des PCR-Testergebnisses geprüft werden und wenn man keine hat, darf kein Einlass gewährt werden. Für die Durchführung der Kontrollen sind Securities zuständig, also liegt die Verantwortung auf deren Schultern schwer.


Ist man einmal drinnen, wird als erstes die Bar belagert. Am Tresen liegen orange Zettel, auf dem Specialdrinks angeboten werden. „Gestern sind zwei von zehn leer getrunken worden, vom Rest ist noch reichlich da.“, erzählt die Kellnerin. Neben Specialdrinks ist Bier die beliebteste Wahl, aber davon hat Escape Metalcorner genug gelagert. Nächster Halt ist der Merchandisebereich. Hier gibt es Tische, voll von CDs, Vinylscheiben , T-Shirts und Accessoires - für jeden ist etwas dabei. Wer nur schaut, was es gibt, kann sich mit Musikern unterhalten. Sie lungern auf Sesseln hinter den Tischen herum und langweilen sich. Plötzlich bewegen sich einige zur Treppe – ein Zeichen, dass die erste Band gleich anfängt. Der Weg führt zu einem langgezogenen Gang. Am anderen Ende steht die letzte Ticketkontrolle bevor. Die Scanngeräte werden hervorgeholt und nach einem kurzen Ticketcheck gibt es das goldene Armbändchen ums Handgelenk.
Im Keller angekommen, sieht man die Bühne zu seiner Rechten, wo bereits die erste Band die letzten Vorbereitungen treffen: Gitarrist, Schlagzeuger und Bassist, aber kein Sänger. Am Rande der kleinen Bar zur Linken, gleich neben dem Tontechniker, klebt ein Zettel. „Running Order. „LIQUID EARTH 19:15- 20:00.“


Ursprünglich hätte MAGMA RISE ihren Auftritt gehabt, aber die haben abgesagt. Zur Freude des Publikums ist LIQUID EARTH für die Band eingesprungen.


Der Soundcheck ist durch, die Band legt, ohne Umschweifen, los. Das Trio ist wortkarg – dafür spricht ihre Musik tausend Bände. Momentan stehen vereinzelte Menschen im Raum, aber, als der Gitarrensound aus dem Orangeverstärker dröhnt, horchen alle auf. LIQUID EARTH spielt sich in Ekstase und das zieht die Leute magisch an. Der Raum füllt sich. Man sieht die Verlegenheit des Gitarristen in seinem Gesicht, wenn sein Blick für einen kurzen zur Menge schweift. Das Publikum bewegt sich im Akkord zur Musik und genießt die Show. Plötzlich wird die ruhige Melodie vom bebenden Bass erschüttert. Auf der Brust spürt man das Dröhnen der Boxen und ist so laut, dass die Wände vibrieren. Ein perfekter Einstieg des Abends. Nach 45 Minuten bedankt sich die Band – wie erwartet mit wenigen Worten - und verlässt die Bühne.


Bis die nächste Show startet, wird oben an der Bar nochmal Bier nachgetankt. 20:30, die Menschenmasse kehrt im Escape-Keller wieder ein. Es geht weiter, aber die Band hat Startschwierigkeiten. Der Soundcheck dauert länger als geplant und, als BLACK REVELATION das erste Lied einleiten, streikt die Elektronik. Der Gitarrist werkt am Equipment, Schlagzeuger ebenso und warum der Sänger hinter der Bühne verschwindet, versteht keiner. Nur der Bassist spielt gelassen seine Aufwärmübungen. Ein herber Rückschlag für die deutsche Band, aber das Publikum nimmt es mit Humor. Die einen witzeln über die missliche Lage, die anderen feuern die Band mit guten Zusprüchen an. Weitere 15 Minuten verstreichen, bis BLACK REVELATION mit ihrem Programm beginnen und eine passable Show abliefern.


MOUNTAIN THRONE stehen jetzt am Plan. Ein alter Mann mit kurzen, zerzausten Haaren steht am Mikro. Der Sänger sieht nicht energiegeladen aus, aber wenn seine Bandkollegen in die Saiten hämmern, dann gibt er alles. Jedem gesungenen Wort verleiht er mit wilden Gesten mehr Ausdruck. Er lenkt und leitet das Publikum, wie es ihm beliebt und das kommt bei den Leuten gut an. Die Band wäre längst fertig mit ihrem Set, aber die Menschenmenge schreit nach mehr. „Mein Gott, tut das gut wieder auf der Bühne zu stehen.“, entgegnet er ihr und die Band spielt noch zwei weitere Lieder.


Die Besucher werden langsam müde vom stundenlangen Stehen - es ist Zeit, für eine Sitzpause im Barbereich. Die Bänke sind nicht voll, aber, um zu ihnen hinzugelangen, muss man sich am Tresen vorbeizwängen. Das Geschehen verlagert sich nach draußen vorm Eingang. Bands und Musiker stehen im Halbkreis um den MA48-Kübel. IN AEVUM AGERE spielen bereits, doch einige bleiben lieber an der frischen Luft und reden über den gestrigen Abend. „Hast du DOOMRAISER gehört? “. wirft einer in die Kübelrunde. „Ja, die Band war voll geil.“, und grinsen ihn nickend an.


Knapp vor Mitternacht treibt es die Menschen wieder in den Keller. Die Headliner OFFICIUM TRISTE beginnen. Eine Meute mit stolzem Alter betreten die Bühne. Mit den Worten „Guten Abend, Wien! Wie geht es euch?“ eröffnet die Band ihre Show. Der niederländische Akzent zaubert den Leuten ein Lächeln ins Gesicht - der Plan ist aufgegangen, die Menschenmenge ist Wachs in OFFICIUM TRISTEs Händen. Ihre Setlist ist gut gemischt und bringen mit dem Lied „Royalty“ vom Death Of Gaia-Album die Stimmung zum Höhepunkt.


Nicht alle in Wien hatten das Vergnügen, am Wochenende, vorm Lockdown, es krachen zu lassen. Deswegen war die Metalszene dankbar, im ESCAPE gleich zwei Tage hintereinander feiern zu können. Die Pandemie lag vielen schwer im Magen, aber die Securities sorgten dafür, dass sich Leute frei und sicher in der Bar bewegen konnten, ohne einen Gedanken Corona zu verschwenden. Trotz technischer Schwierigkeiten mancher Bands, tat es der Stimmung keinen Abbruch und vielleicht fand der eine oder andere Besucher eine neue Platte, die ihm noch in seiner Sammlung gefehlt hatte. Die Vorbereitungen, gemäß den Covidmaßnahmen, waren es wert, das DOOM OVER VIENNA-Festival zu erleben. - Dank Willi, dem Lokalbesitzer, und der Escape – Metalcornercrew.

 


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