03.12.2022, Saarlandhalle, Saarbrücken

POWERWOLF + DRAGONFORCE + WARKINGS

Text: Lord Seriousface | Fotos: FiniMiez
Veröffentlicht am 05.12.2022

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Bei dem, was wir gesehen haben, ist der Interpretationsspielraum nicht besonders groß…


Stille Nacht, arschkalte Nacht

Weihnachtszeit – Wolfnachtszeit! Oder besser gesagt: Wolfsnächtezeit! Mit dem obligatorischen Stopp im Saarbrücker Heimathafen neigt sich die ursprünglich für 2020 angesetzte Wolfsnächste-Tour dem Ende zu. Noch ein Konzert in Belgien, dann heißt es auch für die Hohepriester des deutschen Power Metal erst mal "stille Nacht"! Am Ort des Geschehens angekommen erwartet uns neben einigen unmetallischen Weihnachtsmarkt-Touris der prall gefüllte Vorplatz mit einer nahezu anakondesken Warteschlange, die frohen Mutes der arktischen Kälte trotzt. Und während hier so manch leicht bekleideter Wolfsjünger ehrgeizig für die dicksten Frostnippel der Saison kandidiert, bahnen wir uns unseren Weg durch die mit Grillfett-Aerosolen übersättigte Luft in Richtung Eingang.

WARKINGS

Nachdem der stämmige Amtskollege von Automatix mit seinem monströsen Hammer stilecht das Licht anknipst, erfolgt die wahrscheinlich epischste Bandvorstellung seit dem Einmarsch von Julius Cäsar's Hausband (ich glaube, es war MANOWAR – EX DEO sind zu jung!) – inklusive einer kurzen Begrüßungs-Laudatio auf Latein (zumindest vermutet dies der Verfasser, dessen vormals verhandlungssicheres Latein [wer's glaubt, wird römisch…oder spartanisch...] derweil ein wenig eingerostet ist). Während sich die Saarlandhalle bereits jetzt bis in die letzten Reihen füllt, demonstriert der Tribun eine beeindruckende Stimmperformance, die in Anbetracht seiner sperrigen Abendrobe noch imposanter wirkt. Als sich die auf dem aktuellen Dreher gastierende Morgana Le Fay zum powermetallischen Kriegstribunal gesellt, geht ein tiefer Growl durch Mark und Bein – leck mich fett, so ein gutturaler Support für "Spartacus", "Maximus" und Co. hat schon seinen Charme. Die Hütte mag voll sein, doch für das finale Brechen des Eises muss der Fronter zum Äußersten gehen und den "Scheißhaus-Joker" ziehen ("fight fight fight – in the Scheißhaus outside! The Scheißhaus is always the icebreaker!"). Das Programm beeindruckt, das Publikum wärmt allmählich auf, die Stimmung steigt. Man mag über die WARKINGS sagen, was man will, aber hier bekommt man definitiv was geboten für seinen Schotter – Helm ab für diesen fetten Einstieg!

Setlist WARKINGS:

  1. The Last Battle
  2. Spartacus
  3. Maximus
  4. Monsters
  5. Fight [...In The Scheißhaus Outside!]
  6. Hephaistos
  7. Sparta
  8. Gladiator

DRAGONFORCE

Überdimensionale Röhren-TVs auf LED-Wänden, Retro-Games auf überdimensionalen Spielautomaten und ein nicht weniger überdimensionales Drumset, bei dem selbst der selige Joey Jordison freudestrahlend für Sonnenschein sorgen würde – so opulent gestalten "DRAGONFORCE aus Buxtehude", wie Marc Hudson seine Kapelle augenzwinkernd vorstellt, den zweiten Akt des Abends. Der Kontrast zum martialisch auftretenden Opener ist beachtlich, denn bei dem hier gebotenen auditiven und visuellen Zuckerschock wirken die zwei Liter Cola, die ich mir als KFZ-Beauftragter heute hinter die Binde kippen darf, wie der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein. Das Klampfen-Duett Herman Li und Sam Totman spielt sich gegenseitig die Bälle zu und auch heute finde ich es erstaunlich, dass die Burschen da oben auf ihren Spielautomaten schwindelfrei bleiben und sogar noch Zeit für den ein oder anderen Jux haben. So frisst Herman Li zwischendurch mal wieder seine Gitarre oder lässt sie schweben, während Sam Totman sich auf der anderen Seite der Bühne einen abzockt. Am Spaß mangelt es den Londonern sicherlich nicht und spätestens nach der auf Mach 5 beschleunigten DRAGONFORCE-Interpretation von "My Heart Will Go On" (mit der dem Publikum ironischerweise der erste und womöglich einzige Circle Pit des Abends entlockt werden kann) ist das Auditorium warm genug für seine Gastgeber.

Setlist DRAGONFORCE:

  1. Highway To Oblivion
  2. Three Hammers
  3. Fury Of The Storm
  4. The Last Dragonborn
  5. My Heart Will Go On (CÉLINE DION)
  6. Cry Thunder
  7. Through The Fire And Flames

POWERWOLF

Während unzählige Besucher versuchen, zum berüchtigten "Scheißhaus" durchzudringen, verwandeln die Geheimniskrämer von POWERWOLF die Bühne hinterm schwarzen Vorhang in einen Sakralbau. Und nachdem ein selbiger fällt, betreten die Wölfe (scheinbar) durch ein eisernes Tor und im Geleit von fackeltragenden Mönchen und tosendem Beifall die Bretter. Spätestens jetzt erreicht der Sound Perfektionsniveau, die Drums donnern unbarmherzig und ein wohliger, kristallklarer Lärm beschallt die Saarlandhalle bis ins letzte Eck. Attila Dorn hat bereits nach einem Song "Pipi in den Augen", die Wölfe und ihre Jünger stacheln sich gegenseitig an, woraufhin auch auf der Bühne immer heftiger und mit steigendem Enthusiasmus eskaliert wird. Den Greywölfen scheint zwischendurch der Saft auszugehen, aber was soll's?! Ein wenig Saiten-a-capella und Luftgitarren-Action kommt in den besten Bistümern vor – merkt kaum einer, stört keinen. Das Bühnenbild wechselt indes ständig, wobei neben den mannigfachen digitalen Backdrops mitunter Schmuckstücke wie die apokalyptische Orgel für "Amen & Attack", Stereo-Flammenwerfer, Konfetti-Schnee und eine stets dazu passende Choreografie aufgefahren werden. In puncto Bombast und Opulenz lässt sich der Lupus insofern alles andere als lumpen. Hut ab für diese wahrhaftig headlinerwürdige und mit knapp zwei Stunden auskömmlich bemessene Show!

Setlist POWERWOLF:

  1. Faster Than The Flame
  2. Incense & Iron
  3. Cardinal Sin
  4. Amen & Attack
  5. Dancing With The Dead
  6. Armata Strigoi
  7. Beast Of Gévaudan
  8. Stoßgebet
  9. Demons Are A Girl's Best Friend
  10. Fire And Forgive
  11. Where The Wild Wolves Have Gone
  12. Sainted By The Storm
  13. Army Of The Night
  14. Blood For Blood (Faoladh)
  15. Let There Be Night
  16. Sanctified With Dynamite
  17. We Drink Your Blood
  18. Werewolves Of Armenia

Neue Exporte braucht das Land!

Als Saarländer hat man es nicht leicht – der ehemals jobdominierende Bergbau ist längst passé, die Stahlindustrie unter Druck und bei Ford stehen alle Zeichen auf Republikflucht. Doch so wahr man hier im weitesten Sinne von "Strukturwandel" sprechen kann, findet sich zumindest im kulturellen Bereich ein erster gewichtiger Exportschlager in Form des heutigen Headliners. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Genialität vorangegangener Shows zwischenzeitlich verdrängt habe oder ich heute tatsächlich mein bis dato stärkstes POWERWOLF-Konzert erlebt habe, aber so viel steht jedenfalls fest: Bei dieser bombastischen Show stimmte jedes Detail – vom Bühnenbild über den Sound bis hin zu Songauswahl und Performance. Und das darf ich sowohl für die Gastgeber als auch für die beiden Support-Acts unterschreiben. Ein sehr gelungenes Event, das in dieser Liga kaum zu überbieten ist.


Nachsatz: bevor POWERWOLF sich mit der letzten Zugabe "Werewolves Of Armenia" verabschieden, wird das Konzert für eine kurze Schreckensminute unterbrochen, da einer der Gäste mit dem Kreislauf zu kämpfen hat. Im Angesicht der zunächst unübersichtlichen Lage bleiben Attila Dorn und seine Kollegen souverän und sorgen dafür, dass die erforderliche Hilfe ungehindert und in Ruhe von statten gehen kann und die Helfer am Ende mit gebührendem Applaus entlassen werden. Dazu noch zur Prophylaxe ein paar Flaschen POWERWOLF…äääh Powerade in die Menge geworfen und weiter geht die Show. Dazu kann ich nur sagen: professionell und sympathisch die Situation gerettet! Alle Pommesgabeln hoch für POWERWOLF und das ganze Team!


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