16.11.2013, ((szene)) Wien

Death DTA

Veröffentlicht am 27.11.2013

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Wer hätte vor einiger Zeit gedacht, die immer noch astronomisch anmutenden Stücke von DEATH und Chuck Schuldiner nochmals live serviert zu bekommen, noch dazu von der legendären "Human"-Besetzung? Die Idee hinter der DEATH TO ALL-Tour ist aber nicht, mit dem Vermächtnis des viel zu früh verstorbenen Death Metal-Visionärs noch ein paar Dollar abzuzocken, das verbieten Moral & Musiker-Ehre. Heute stehen Steve DiGiorgio (b.), Sean Reinert (d.) und Paul Masvidal (g.) gemeinsam mit Max Phelps von CYNIC irgendwie als Coverband auf der Bühne, irgendwie als Tribute-Combo, und am Ende dann doch als DEATH. Gedenk-Party an einige der Sternstunden der harten Musik statt Leichenfledderei. Aber der Reihe nach.

Die Schweizer DARKRISE eröffnen den heutigen Reigen, leider bekomme ich nur die letzten drei Songs zu sehen und hören, denn die ((szene)) ist bereits von Beginn weg proppenvoll. Trotz der insgesamt doch anspruchsvollen Kost heute Abend wirkt das Material der Band ein wenig zu gezwungen auf verschachtelt getrimmt. Drummer Axel kommt ein wenig verbissen rüber, obwohl er ein ziemlich talentierter Kerl ist, und die Saiten-Fraktion erinnert von Gehabe und Breakdown-Faktor eher an eine Metalcore-Band. Der Funke will hier zumindest bei mir nicht ganz überspringen, aber das Publikum ist heute sichtlich offen für Neues und belohnt die Jungs aus Lausanne mit mehr als nur Höflichkeits-Applaus.

OBSCURA passen da mit ihrem abstrakt arrangierten, aber nie zu verkomplizierten Death Metal schon ein wenig besser ins Bild. Abgesehen davon, dass sie großartige Musiker sind können sie nämlich auch schmissige Songs schreiben - oder was man in diesem Kontext halt als schmissig verstehen mag. Hauptsächlich wird Material vom "Omnivium" Album dargeboten, und die Stimmung ist ziemlich gut - einige Leute scheinen heute auch extra wegen den Münchnern hier zu sein. Unglaublich die Dynamik der Combo, und vor allem Drummer Hannes Grossmann verblüfft bei jedem Song aufs neue, wirft sogar ein kurzes Solo ein. Christian Muenzner wirkt mit seiner neonorangen Gitarre ein wenig eighties, und außer Haaren sieht man von ihm nicht allzu viel. Mastermind Stefan Kummerer lobt immer wieder die Wiener Audience, die aber eh wieder mal zur Hälfte aus Ungarn, Tschechen und Slowaken besteht. Kriegen wir denn nicht mal mehr die ((szene)) selber voll? Ja Himmelherrschaft ....

Man kann die Spannung und Erwartung in der Halle schon beinahe greifen, als DEATH die Bühne betreten, und gleich mal mit "Suicide Machine" loslegen. Max Phelps versucht zu keinem Zeitpunkt, Chuck zu imitieren, aber sein Gehabe und seine etwas arrogante Ausstrahlung (die er jedoch nur auf der Bühne hat, backstage ist er ein ganz ein netter Kerl) erinnern mehr als einmal an den so tragisch ums Leben gekommenen DEATH-Frontmann. Dem wird dann in der Hälfte des Sets mit einer kleinen Slide-Show gehuldigt, es werden Privatfotos gezeigt, ein paar Videoschnippsel, und alles wird irgendwie ganz andächtig. Sehr ungewöhnlich überhaupt die Stimmung, einerseits euphorisch, andererseits immer ein wenig sakral. Die "Chuck! Chuck! Chuck!"-Rufe wollen zwischen den Songs kaum verhallen, und der Vierer startet mit "Zombie Ritual" in den zweiten Teil des Sets. Bei "Crystal Mountain" übernimmt Stefan Kummerer von OBSCURA den Gesangspart, und er kann Chuck's Stimme fast noch besser als Max. Hannes Grossmann setzt sich hinters Kit und zeigt einmal mehr seine Klasse. Die übervolle ((szene)) kocht, die Crowdsurfer werden im Akkord über die Köpfe gereicht - etwas, das man hier sonst höchstens bei Hardcore-Konzerten sieht. Wenn überhaupt. Steve DiGiorgio wechselt ständig zwischen drei- und sechssaitigen Bässen und zeigt bei einem kurzen Solo, dass er immer noch zu den unantastbaren Tieftönern dieser Welt gehört.

Das majestätische "Spirit Crusher" und das lautstark vom Publikum geforderte "Lack Of Comprehension" fahren einem mit glasklarem Sound drüber wie der sprichwörtliche Güterzug, und ich finde mich schreiend und grölend in der zweiten Reihe wieder, bevor die Burschen für die Zugabe "Pull The Plug" nochmal auf die Bühne stiefeln. Geplättet stehe ich anschließend an der Bar und weiß nicht wie mir geschehen ist, zusammen mit all den anderen Freunden der gepflegten Hartwurst, die heute hier dabei sein durften. So eine intensive Performance habe selbst ich selten erlebt. Der Geist von DEATH und insbesondere Chuck Schuldiner war heute eindeutig mit uns in diesem Raum, auch wenn ich an diesen Firlefanz nicht glaube. Glauben tu ich hingegen, dass diese spezielle Chemie - zu "Human"-Tagen genauso wie heute Abend - an den grandiosen Musikern liegt: Paul Masvidal an der bundlosen Gitarre, Sean Reinert etwas korpulent aber technisch unangreifbar, der urige Steve DiGiorgio, der auch die meisten Ansagen übernimmt. Auch zwölf Jahre nach seinem Ableben ist das Vermächtnis des schmächtigen Metal-Nerds aus Florida noch immer das Maß aller Dinge am Todesmetall-Sektor, und wird es irgendwie wohl auch für immer bleiben.


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