WINGER haben 1993 ihr letztes Studioalbum aufgenommen. Seit 2002 spielen sie wieder live zusammen und nun haben sie ihren langerwarteten Studio-Output der Reunion vorgelegt. "IV" setzt bei dem (vermeintlich) reifen Sound ihres 3. Albums "Pull" an. Reif – das heißt weg von der 80er Poser Hard Rock Attitüde hin zu einer Mischung aus harten BON JOVI (inklusive Akustik Gitarren) und Mid Tempo, fast schon Alternativ-Stampfern.
Die Band um Kip Winger bringt eine Unmenge an Talent und Virtuosität mit sich. Allein Reb Beach war nicht umsonst hired gun bei unzähligen Rock Größen von Alice Cooper über DOKKEN bis zu WHITESNAKE. Kip Winger selbst hat eine Solokarriere gestartet, die ihn vielleicht nicht in die Stadien der Welt, dafür aber zu Songwriter-Ehren gebracht hat. Rod Morgenstein ist anspruchsvollen Musikhörern schon durch seine Performance mit Steve Morse´s DIXIE DREGS, sowie den Bands um Ty Tabor ein Begriff. Er ist außerdem Außerordentlicher Professor am Berklee College of Music in Boston. Also kann man schon gratulieren, dass sich das gesamte Original-Line up wieder gefunden hat. Keiner hat sich über mangelnde Auslastung zu beschweren gehabt. Es scheint also allen richtig am Herzen gelegen zu sein.
WINGER´s "IV" hat einen Makel, der leicht vermieden werden hätte können: der Opener "Right up ahead" ist absolut öde. Er erinnert stark an "Down Incognito", WINGER´s letzten Hit aus der "Pull" Aera - nur ohne g’scheiten Hook. Vor allem der Gesang ist so richtig langweilig. Wahrscheinlich ist das Lied nur wegen der erwähnten Ähnlichkeit an erster Stelle. Irgendwie enttäuschend, wenn man nach 13 Jahren so begrüßt wird!
"Blue suede shoes", mit seinem witzigen Gitarre-Arppegio als Intro ist dann schon besser. Der Refrain ist sehr hymnisch. Etwas statisch vielleicht aber zumindest etwas weniger langweilig. Immer noch ist das ganze zu viel Mid-tempo.
"Four leave clover" könnte dann schon wieder eher aus der "In the heart of the young"-Phase stammen, die mir immer am besten gefallen hat. Wirklich cool ist die Rhythmusarbeit von Reb Beach. Es wird einem so richtig bewusst, dass er eigentlich nur bei WINGER so richtig einen eigenen Stil entwickelt. Er selbst hat mal in einem Interview davon gesprochen, dass er eigentlich nicht weiß, was seine gitarristische Identität wirklich ist und er deswegen immer so klingt, wie es seine Arbeitgeber verlangen. Bei WINGER spürt man es einfach – hier ist er unkonventionell, bei einem Songmaterial, das eigentlich recht konventionell ist. Dies ist der absolute Höhepunkt des Albums!
Aber jetzt kommt lange nichts bemerkenswertes mehr nach. "M16", "In your great escape" und "Disappear" sind nicht besonders spannend. Hier erklärt sich der Soldat auf dem Cover. Ganz interessanter Ansatz, die Beziehung eines Soldaten zu seiner Waffe empathisch zu behandeln.
Dann kommt die obligatorische Ballade "On a day like today".
Weiter geht es im WINGER Einheitsbrei. "Generica" soll wohl irgendwie sozialkritisch sein. Vielleicht auch nur ein schöner Reim auf America?
"Can’t take it back" ist überraschenderweise wieder im Mid-Tempo Bereich, doch so weit wird die Platte bei mir wahrscheinlich nie laufen.
Fazit: Alle Trademarks sind wieder da. Manchmal fast klarer herausgearbeitet als früher: Reb’s eigenwillige Rhythmusgitarre, die zeitweise fast progressiven Spielereien und der irgendwie unspektakuläre aber doch einprägsame Gesang von Kip WInger, mit vielen Chören und Unisono- und Harmonie-Passagen mit anderen Instrumenten. Allein das Songwriting ist doch zu platt. Ich höre gerne die Solos und die rhythmischen Ideen. Aber hängen bleibt nicht viel. Ich habe mich sehr auf diese Platte gefreut und bin entsprechend enttäuscht...
Bewertung:
2.5 / 5.0
Autor:
ag (15.10.2006)