LIFE CRIME - Ordinary Madness Excess
Bandinfo: LIFE CRIME
Genre: Grind Core
Label: Unundeux
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Lineup | Trackliste | Credits
Erst vor wenigen Wochen noch saß unundeux-Großkotz Kather in seinem luxuriösen Pop-Art-Büro seines marmornen Manufakturen-Komplexes im Krefelder Nobelviertel, Ecke Schwanenmarkt. Während sich eine seiner vierzehn Cohibas, die er – eine „Macht der Gewohnheit“, erzählte der große Thomas Bernhard erst letztens im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo für das groß aufgemachte Label-Porträt für die deutsche Wochenzeitschrift Die Zeit über Chris Of Kather – seit Jahren täglich raucht, unbeachtet am Rand des Aschenbechers in Asche auflöste, tupfte der noble Herr sich mit einem 500-Euronen-Flappen den Schweiß von der Stirn, der fortwährend in Strömen auf die Kristalltischplatte, die über zwei russische, zwischen 7 und 21 Uhr in Hündchenstellung verweilende Edelprostituierte gelegt war, plätscherte.
Was war geschehen? Keuchend – durch den Hörer konnte man das Zittern seiner linken Hand hören, denn in jener hielt er bereits die vierte Nachfüllung des guten Tropfens Bowmore 1957 on the rocks (dabei war es erst kurz nach acht) – erzählte er mir sein Dilemma. Vor lauter Zittern der fleischigen Würstelfinger schepperten die Eiswürfel gegen den Cognacschwenker, der aufgrund seiner Füllmenge alternativ zum handelsüblichen Gefäß gewählt wurde, und verschluckte fast den Anstoß des Gesprächs: Mit Ach und Krach, Müh und Not, Bestechungsgeldern und argumentativer Beihilfe der Abou-Chaker-Familie hatte er sich nach zähen Verhandlungen endlich die Rechte am Debüt der steierischen Lach- und Krachgeschichten aus dem Hause LIFE CRIME sichern können.
Doch nun? Das Veröffentlichungsdatum stand vor der Tür, der Vorschuss von knapp 17 Millionen Euro war bereits wie gewünscht auf die Cayman überwiesen – doch aus dem grünen Herzen kam kein Sterbenswörtchen, geschweige denn was Musikalisches, das man mit dem zuckersüßen Titel „Ordinary Madness Excess“ zu veröffentlichen dachte. Kather hatte Angst: Nuclear Blast hätten nun doch abgeworben. Oder schlimmer: Gramola.
Ich fürchtete – das muss ich gestehen – bereits um des Kathers Leben, versuchte ihn, mit „armer, schwarzer Kather“ zu beruhigen, der Herzinfarkt, das hörte man, war nah: Tränen lügen nicht. Ich schlug vor, einfach eine Dienstreise zu unternehmen. „Es fährt kein Zug nach nirgendwo!“, stöhne er, alle Schlager-Texte auswendig kennend. Doch plötzlich japste er auf, der triefende Koloss, der satte Gott – ein nach Dung duftender Bote, gehüllt in Schafsfell und mit ausgenommenem Huhn als Hut, war ins Büro geschneit. Mit den Daten. Der Tag war gerettet. Das große Pressen konnte beginnen.
Wenige Wochen sind nun vergangen, seit jenem Nahtoderlebnis, aber nun, da liegt sie endlich dem Rezensenten vor, LIFE CRIMEs „Ordinary Madness Excess“, vierzehn wohlfeile Nümmerchen, die, weil man ja auch noch was anderes vorhaben könnte, in gut bemessenen vierundzwanzig Minuten runtergeholzt werden. Bestens bemessen, dies ist genau die Zeit, statistisch erwiesen, gebraucht wird, um in des Bäh-Schafes Lieschens Hintereingang sein Geschäft zur Vollendung zu bringen. Hossa, die Waldfee! Und wie das flutscht, das Scheibchen – als hätte man sich zwei Stück Butter um das beste Ding gebunden, bevor man mit Lieschen Liebe machte!
Die drei strammen Bauernjungen haben sich in aller Güte und Manier der Achtziger verschrieben, als Michael Knight noch von Wunderauto K.I.T.T. betrunken heimgefahren wurde und als Doktor Sommer in der Bravo noch beantwortete, ob man von Spermaschlucken eine Mundhöhlenschwangerschaft aufreißen kann. Die Achtziger, in der TERRORIZER, NAPALM DEATH, CARCASS und REPULSION noch die New-School zelebrierten, die heute Old-School ist. Exakt die „Freakery“, die CRETIN 2006 auf Relapse wurschtelten, trümmerten, hämmerten. „Songs, Thongs und Bongs“ ist auch bei LIFE CRIME die Devise, nur ein bisschen viel Sozialkritik ist da auch dabei, als wäre man nicht in der Steiermark von Kuheutern wie dereinst Romulus und Remus genährt worden, sondern hätte, als motorisch gestörtes, autodidaktisches Einzelkind, mit Josef Hader am künstlerisch orientierten Landwirtschafts-KMU in Waldhausen am Strudengau die Scheune unsicher gemacht. Josef Hader, so gibt dieser im biographisch geprägten Kabarettprogramm „Privat“ zu Protokoll, musste zum zehnten Geburtstag auf des Vaters Wunsch Künstler werden. Es hieß: „Bua, wir machen Experimentalmusik: Streichquartett und zwei Traktoren. Begießen alte Kofferradios, aus denen volkstümliche Musik dröhnt, mit Milch!“ Existenzialisten eben.
Volksmusik ist beim Ziegenpeter, dem Muh-Kuh-Michl und dem Petritsch-Klausi jedoch nicht; Vom „blauen Licht“ angefangen (Oh ja, Rambo – es leuchtet tatsächlich blau!) bis hin zum „schwarzem Kämmerchen“ ist der Exzess ein äußerst fieser geworden. Das hält dem geneigten Gummizellenbewohner ein feistes Grinsen entgegen, poliert ist hier maximal der Eisenknüppel, der im Stakkato über die Rübe gezogen wird – der Sound nicht, aufgenommen wurde wohl im Inneren einer Legebatterie, glücklicherweise übertönt Peter das Gackern der glücklichen Hühner spielerisch, als hätte er sich zum Zwecke des Ansporns eine Melkmaschine an die eigenen Euter geschlossen.
„Not In The Now“ leben die Herren, auch wenn auf „Ordinary Madness Excess“ die Drohne tief fliegt. „Burnout Nostalgia“? Kein Wunder, in dem guten Zwanziger zaubern die Herren einen akustischen Rudelbums um die Ohren, für den ein handelsüblicher Landwirt eine ganze Saison braucht. Dass man dann bald mal ausgezehrt ist, versteht sich von selbst. Hätten Nuclear Blast tatsächlich die Scheibe gepresst, gäbe es wohl eine „limited deluxe edition“ inklusive Kanister Schweiß, der im Zuge der Aufnahmen vergossen wurde, aber unundeux mussten sparen, die Zahlungen für MTV standen mit Jahreswechsel wieder einmal auf der Prio-A-Liste der Buchhaltung.
Doch auch ohne Yps-Gimmick trieft hier ein buntes Potpourri an Körperflüssigkeiten, irgendeine linkslinke Instrumentenschutz-Organisation protestiert soeben vor dem Gut von LIFE CRIME gegen die quälenden Bedingungen. Wer Soll will, muss Haben – das weiß man nicht nur im Vorstand der BAWAG, die Bauern hocken ja bekanntlich alle auf der Raiffeisen drauf. Und die Bauern, insbesondere die drei Jungens hier, die haben ordentlich einen an der Klatsche und sollen – wollen! – damit wohl munter in die Welt hinaus marschieren, nachdem sie von unundeux mit einer wohlfeilen Brotkruste aus dem Stall gelockt wurden?!
In seinen „Beschreibungen eines Kampfes“ schreibt der große Prager Autor im Abschnitt „Der Dicke“: „Aus den Gebüschen des anderen Ufers traten gewaltig vier nackte Männer, die auf ihren Schultern eine hölzerne Tragbahre hielten. Auf dieser Tragbahre saß in orientalischer Haltung ein ungeheuerlich dicker Mann.“ Er hat sich wohl verzählt, der Tscheche, denn LIFE CRIME sind derer nur dreie, einen Bassisten, den vierten im Bunde, sucht man aktuell. Aber der dicke Orientalist, das muss wohl Kather gewesen sein. Und so wandern sie wohl über Stock und Stein, um ihre frohe Kunde zu verbreiten. „Die Landwirtschaft stört mich in meinem Denken“, so schreibt Franz weiter, doch auch hier ist er fehlgeleitet, denn zwischen all dem „Ratata“ und „Örgs“ sind vernünftige Gedanken drinnen, LIFE CRIME sind tumbe Schlächter nicht. Sie schwanken, wie Kafka schreibt, wie Kettenbrücken bei „zorniger“ Strömung, und die Mur, sie ist ein wildes Bächlein gar! Da klirren die Ketten, da bersten die Bretter – da stürzt der überquerende Passant und bricht sich den Hax zweimal gar!
„Ja, Rache ist es, denn wie oft haben wir diese Dinge [die Natur] angegriffen, ich und mein Freund der Beter [Lautverschiebung zum Peter?], beim Singen unserer Klinge, unter dem Aufglanz der Cymbeln, der weiten Pracht der Posaunen und dem springenden Leuchten der Pauken.“, heißt es etwas weiter im Text, und der Franz, der hat schon gewusst, was er spricht. Schuld war schlussendlich an jedweder Misere immer noch nur der Bossa Nova. Macht nix, dieser kompromisslose Hau-drauf-Metal ist einfach nur herrlich, und sehr, sehr garstig. Jegliche Norm-Ästhetik und akustische Moral wird auf jenem respektablen Debüt honorig verachtet, es wäre beinahe eine Hybris, hier Kritik zu üben, denn einen nonchalanten Handkuss, wie diesen hier, den lehnt man nicht ab, nicht einmal, wenn der noble Herr ein gar hässlicher ist. Freiheit für die Triebe! Aber nächstes Mal vielleicht rückwärts abgespielt, das macht die Soundcollage noch einen Tick bioveganer. Supergummigut.