ENTHRALLMENT - The Voice Of Human Perversity

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VÖ: 14.02.2014
Bandinfo: ENTHRALLMENT
Genre: Brutal Death Metal
Label: Rebirth the Metal Productions
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Lineup  |  Trackliste

Mir geht's gewaltig gegen den Strich, wenn herumgeeiert wird, keine klaren Entscheidungen getroffen werden, heute A, morgen B, übermorgen dann vielleicht C oder A'-hoch-B überlegt wird – und schlussendlich meckert man gar, weil man eigentlich D gemeint hat und sich massiv missverstanden fühlt. Das ist ein Kommunikationsproblem, das nicht nur im Ungleichgewicht Mann-Frau existiert (lesen Sie bitte nicht das un-hilfreiche Wörterbuch Mann-Frau von Anti-Scherzkeks Mario Barth, der immer noch an die VölkerInnenwanderungen von Mars und Venus glaubt), sondern tatsächlich jeder interpersonalen Kommunikation zugrunde liegt, nicht selten auch der intrapersonalen.

Dieses Problem lässt sich zwar nicht gänzlich ausschalten, aber doch gegen Null führen, wenn man zuerst denkt, dann etwas meint und dies auch klar kommuniziert. Klar kommunizieren, das heißt in der Sprache wie in der Schrift: Das breite Spektrum der Satzzeichen – von Bei- über Bindestrich, bis hin zu Ausrufe- und Fragezeichen – ist freilich dazu da, verwendet zu werden, es heißt aber nicht (und hier nehme ich mich selbst an der Nase), dass jedem Satz eine möglichst große Vielzahl an Gliedsätzen und Einschüben – so wie nun: „Hihi, er hat 'Glied' gesagt!" – hinzuzufügen ist, und jeder Satz darf auch mal rasch ein End' haben (Nur nicht zwei, denn die gehören der Wurst, vielleicht auch der Conchita!): Subjekt, Objekt, Prädikat reicht da schon einmal aus. Prädikat? Gutes Stichwort: Das Prädikat „wertvoll" verdienen auch Statements in (angemessener) Kürze und Würze.

Umgelegt auf das Musikalische heißt dies nun, dass aller Kunst zum Trotz gern auf den Punkt gekommen werden darf – oder zumindest ein roter Faden ersichtlich sein sollte. Freilich: Nicht nur im Swinger-Club finden sich Menschen, die auf Onanie stehen, in jeder Sparte der Kunst gibt es Anhänger des wirren Laber-Rababer, lesen Elisabeth Bronfen und James Joyce, hören John Zorn und schauen prinzipiell nichts unter David Lynch. Die breite Masse jedoch, sie liest Paulo Coelho, ist mit „Stirb langsam" bestens bedient – und fühlt sich bei jener Musik aufgehoben, die nicht in Sphären abdriftet, für die, um selbige akustisch zu verstehen, man eigentlich Geodreieck, Zirkel und Rechner statt Hammer, Amboss und Steigbügel benötigen würde.

Langer Rede, kurzer Sinn (mea culpa): ENTHRALLMENT sind eine derartige Formation. Death Metal. 'Nuff said. Da braucht man weder das Suffix „old school" noch das „brutal" oder „technical", denn bis man in die jeweilige Schublade geordnet hätte, wären die Socken längst schon wieder verschwitzt im Wäschekorb gelandet. Das war auf den ersten drei Langrillen (2006, 2008, 2012) schon so und hat sich mit „The Voice Of Human Perversity" um kein Eck verschoben. Die fünf Gäste pumpern an der Tür, schneien herein, hinterlassen eine Sauerei und sind schon wieder weg, so schnell kann man gar nicht schauen. Aufräumen darf man hiernach selbst.

Was bei einer Home-Party halblustig ist, passt hier. ENTHRALLMENT steht für schnörkelloses Fast-Food, genau das, was man sich zuführt, wenn man schnell was zwischen die Beißerchen haben will und keine Lust hat, ewig und drei Tage in der Küche ein Gourmet-Dinner zu zaubern. Kein Maccie oder Würger King, wo nach einer guten halben Stunde der Magen trotz 400 Kalorien erneut zum Knurren beginnt, sondern ein amtliches Dürüm extra-scharf, das hält, was es verspricht: Ein Quickie zwar, aber mit Happy-End. Keine endlosen Melodiebögen. Kein pseudo-intellektuelles Gefrickel, das sich selbst irgendwann fragt: „Tschuldigung, wo geht's hier nochmal zum Ziel?". Keine schier endlosen Intros, Outros, Intermezzi, Soli, you-name-it. Da werden die dampfenden Fleischfetzen kurzerhand in Yufka gewicket, bissl Zeug rein und gut ist. In etwa das, was CANNIBAL CORPSE auf „The Bleeding" meisterlich zelebrierten.

Mit jenen alten Heroen gemein ist, dass die acht Stücke zwar keine Atempause bieten, dabei aber derart wunderbar strukturiert sind, dass die gute halbe Stunde auch nicht ermüdet. Aggression, ja, Brachialität, auch, aber dazwischen ist auch einmal ein kurzes Aufschnaufen erlaubt, nicht nur Schlucken, auch Kauen, bekanntlich. Zudem: Miraculix war es, glaube ich, der ob Kleopatras Nase jubelte: „Diese Nase!" Nun jubiliere ich: „Dieser Bass!" Oh ja, auch Bassisten sind nicht nur Menschen, sondern auch Musiker, die man nicht in den Hintergrund mischen muss, sondern durchaus hören darf. Hierauf hört man jede Saite wummern, irgendwo zwischen all den Knochen, die bersten und dem Gedärm, das irgendwann einmal hier und da aus einer nicht gänzlich unabsichtlich neu entstandenen Körperöffnung flutscht: „Schwupp!"

Wieso dennoch ENTHRALLMENT (ihrer Existenz seit Ende der Neunziger zum Trotz) keinen anderen Status inne haben, lässt sich wohl damit erklären, dass Bulgarien es irgendwie verpasst hat, zu einem von der Szene definierten Mekka – Schweden oder dem Amiland gleich – zu werden. Auch für europäische Belange hat Bulgarien einfach zu wenig zu bieten: Ein bisschen CATALEPSY hier, ein bisschen FOETICIDE da. Dass dabei ENTHRALLMENT eine überaus wohlfeile Mixtur aus MORBID ANGEL und MONSTROSITY mit einem Tick CANNIBAL CORPSE abliefern, ist da rasch mal zu wenig, um auf der Landkarte aufzuscheinen. Schade eigentlich, denn die Herren sind weder redundant, noch mangelt es ihnen an Substanz: Hier sitzt jede Note, jeder Lead, da ist jedes Eizerl effektiv. Zugegeben, Originalität sucht man vergeblich, braucht es auch nicht, wir brauchen ja auch nicht wirklich ein Wagyu-Döner. Einfach nur old-school, technical & brutal Dürüm, wo es beim Kacken zweimal brennt.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Stefan Baumgartner (05.03.2014)

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