"Coulrophobia" hat die deutsche Band CYRCUS rund um den EMP-Rockinvasion-Moderator Jan C. Müller ihr neuestes Album betitelt. "Coulrophobia" ist der medizinische Fachausdruck für die krankhafte Angst vor Clowns - die man anhand des Coverartworks, das wie eine Mischung aus Pennywise und Beetlejuice aussieht, sogar irgendwie nachvollziehen kann. Stilistisch geben sich die Herren so gar nicht phobisch, sondern fahren mit einer musikalischen Mischung, die man am besten mit "Alternative Metal meets Metalcore" beschreiben kann, ein wahrhaft amtliches Brett auf.
CYRCUS behaupten von sich selbst nicht nur Eier zu haben, sondern gleich das ganze Huhn - wovon man sich bereits im fetten Opener "I Mean Like... Wow... And Stuff" mit einem brechendem, fast schon Industrial-lastigem Riff gepaart mit einem schrägen Break aus Hühnergegacker selbst überzeugen kann. Der Song kann getrost als Wegweiser für das Album gelten, dessen Gesamtsound wie angesprochen irgendwo zwischen Alternative und Metalcore-Elementen pendelt und stellenweise an KILLSWITCH ENGAGE erinnert. Die dichte Atmosphäre der Scheibe erzeugt sich vor allem durch den quasi kompletten Verzicht auf Gitarrensolos - eine mutige Entscheidung, aber definitiv keine schlechte! Zudem bauen CYRCUS im Unterschied zu den eher Metalcore-orientierten Kapellen vorwiegend auf cleane Vocals und setzen die typischen Screams weitestgehend nur zur Akzentuierung ein.
Überhaupt sind die Vocals der hervorstechendste Part des Albums - Sänger Jan beweist eine selten weite stimmliche Range und weiß sowohl sanfte akustische Balladen und treibenden Cleangesang als auch wütende Screams überzeugend und sicher darzubieten. Darin erinnert er stellenweise, vor allem in dem Song "We Run This World", an Ex-SCAR SYMMETRY-Sänger Christian Älvestam. Aber damit noch nicht genug, holen sich CYRCUS für die Singleauskopplung "After The Rain" auch noch Matthias "Mätze" Schlegel von THE SORROW als Unterstützung ans Mikro, der dem ohnehin schon perfekten Song noch ein Sahnehäubchen aufsetzt.
So wandelbar wie die Stimme von Jan C. Müller geben sich auch die Instrumentalisten, deren Bandbreite von sanfter Ballade ("Healing") über rockiges Riffing ("Abandon Ship") bis hin zu kernigem Geböller ("Echoes") reicht und die das mitunter sogar in einem einzigen Song zusammenzufassen wissen, wie "Dig A Ditch" beweist. Bei "After The Rain" finden sich einige Indie-Rock-Anleihen, bei "Ctrl" kann man sogar eine gewisse punkige Attitüde ausmachen und bei "Twentytwoandeleven" fetzt das Riffing einfach nur gnadenlos.
Um der Fülle an musikalischen Einflüssen zu einem krönenden Abschluss zu bringen, kommen CYRCUS als Rausschmeißer des Albums dann noch mit einem Partysong ums Eck, in dem sie sich "Does Five Twos Make A Ten" fragen. Mit schmissigem Riffing und witzigem Text ist der Ohrwurm garantiert und spätestens wenn der Song mit sämtlichen nur aufzutreibenden Tiergeräuschen untermalt wird, um schließlich von trunkenem Singsang und einem herzhaften Rülpsen abgeschlossen zu werden - dann ist der Grinskrampf im Gesicht kaum noch wegzubekommen!
"Coulrophobia" ist ein Album, das durch die weite musikalische Fächerung einige Durchläufe braucht um zu zünden, aber wenn es das tut, dann schaltet es gleich direkt die Nachbrenner ein und hinterlässt damit mächtig Eindruck. Natürlich kann man sich an dieser Stelle wieder über die Sinnhaftigkeit von stilistischen Mixturen streiten, denn wer auf Schubladendenken fixiert ist, der wird mit diesem Album nicht glücklich werden, so viel ist sicher. Wer sich aber gerne mit abwechslungsreicher Musik beschäftigt, der wird in CYRCUS' "Coulrophobia" genau diese "Leck mich Fett!"-Attitude finden, die dem Hörer versprochen wird und bei der er ein lebendiges Album in den Händen halten kann, an dem er sich bestimmt für lange Zeit erfreut.
Anspieltipps: "After The Rain", "We Run This Planet", "Does Five Twos Make A Ten"