LANTLOS - Melting Sun

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VÖ: 02.05.2014
Bandinfo: LANTLOS
Genre: Experimental Metal
Label: Prophecy Productions
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Lineup  |  Trackliste

Hach, manchmal kann es auch für einen grimmig dreinblickenden Vollzeitmetaller schön sein, sich zu einer längst sprießenden Weide zu begeben, den Körper in's dichte Grün zu betten und der Sonne wohlwollend entgegen zu blicken. Herrlich, dieser Moment, der gerne nicht mehr entwischt, sondern ein Weilchen den Kopf frei macht. Augen zu, Kopfhörer justieren, "Melting Sun" abspielen.

Bisher war LANTLÔS-Mastermind Herbst eher der Schwarzmaler, der Mann, der mit Neige (ALCEST) zwei herrliche Post Black Metal Alben unterschiedlicher Ausrichtung (".neon" und "Agape") dem Anhang präsentierte und mit dem selbstbetitelten Debüt noch deutlich finstere Töne anschlug. Schnee von gestern. Die Zusammenarbeit mit dem Franzosen hat nicht mehr gefruchtet (freundschaftliche Trennung), und so entstand "Melting Sun" in kompletter Eigenregie - ironischerweise ohne nennenswerte Schwarzmetall-Überreste im Klangbild.

Naja, egal, schließlich soll das werte Gehirn auch mal seine Pause bekommen. Andererseits eröffnet "Azure Chimes" passend zum strahlend blauen Himmel diesen atemberaubenden Strom positiver Energie auch wirklich zu grandios, als dass man sich keine Gedanken darüber machen könnte, wie der Herr Siegenhort (so Herbst bürgerlich) diese Atmosphäre stemmt. Von den harschen Gesangsspuren jedenfalls hat er sich komplett losgesagt und versucht sich in warmen Klargesängen, die er immer wieder mit luftig-leichten Melodien und bedachter Schlagzeugführung unterfüttert. Das mag für so manch eingefleischten Fan des deutschen Multitalents unerwartet kommen, aber so funktioniert ein experimentelles Projekt eben. Haben ALCEST mit "Shelter" bereits im Januar vorzüglich unter Beweis gestellt.

Kurze Pause, den Kopf neu sortieren. Schön, dass sich der Wind auch noch dazu gesellt, durch die kurze Haarpracht fährt und die Temperaturen im angenehmen Bereich hält. Achja... Wie Neige und Winterhalter klingt das aber nicht. Die verträumten Kompositionen entfalten eine andere, angenehmere Anziehungskraft, zeigen sich trotz dessen aber von der härteren Seite ("Cherry Quartz"), reißen mich dabei aber nicht aus dem tiefen Grün. Aber warum sprudelt da plötzlich ein Flüsschen? Hier war doch gar keins in der Nähe?! Das muss wohl "Aquamarine Towers" sein. Huch, da haben mir meine Gedanken einen ordentlichen Streich gespielt, aber das stimmungsvolle Ambient-Wasserrauschen erzeugt mit den ausdrucksstarken Gitarren und sanft-hallenden Chören die perfekte Illusion. Wahrlich mitreißend, diese Eleganz.

Am liebsten hört diese belebende Fiktion überhaupt nicht mehr auf, denn Herbst schafft es mit vermeintlich simplen aber stets effektiven Mitteln, eine derartig mit Wärme durchzogene Atmosphäre zu erzeugen, die erst durch die heraneilende Nacht gebrochen werden kann. Aber bis dahin ist ja noch ein Weilchen. Da kommt "Jade Fields" sehr lebendig zum Vorschein und haucht dem Gemüt mittels intensiver Drumwellen und treibenden Gitarren Tatendrang und Selbstbewusstsein ein. Flugs regen "Oneironaut" und "Golden Mind" im ansteigenden Übereifer allerdings wieder zur Besinnung an. Bloß nicht so hastig, in der Ruhe liegt schließlich die Kraft. So lässt sich vieles einfacher bewältigen. Seitdem nehme ich "Melting Sun" ständig mit auf meinen Weg. Nicht die Erinnerungen an diese positiven Momente sind es, die das Album auszeichnen, sondern die immer wiederkehrenden Momente, die man mit diesem lockeren, erwärmenden und entspannenden Meisterwerk erlebt. Wer da nach den scheinbar verloren gegangenen Wurzeln von LANTLÔS schreit: Eskapismus lässt sich sehr vielfältig inszenieren. Absolutes Jahreshighlight übrigens und für's fantastische Artwork aus der Feder von Pascal Hauer gibt's noch ein Sternchen zur Höchstwertung!



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (24.04.2014)

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