Saor - Aura

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VÖ: 06.06.2014
Bandinfo: SAOR
Genre: Pagan Metal
Label: Northern Silence Productions
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Lineup  |  Trackliste

Die Pforten öffnen sich wieder. Eigentlich ward die Hoffnung aufgegeben, dies prachtvolle Fleckchen Natur noch einmal von nahem zu erleben. Der Wind bläst beharrlich eine einlullende Melodie, aus der Ferne lassen sich Flötenklänge erahnen. Tatsächlich, ich bin zurück, endlich, nach all den Jahren. Ich hatte erst vermutet, dass mir ein junger Mann namens Andy Marshall einen Bären aufbinden will, aber das war wohl einfach nicht fair. "Aura" ist Realität und entspricht im musikalischen Bild der groben Übersetzung von SAOR: Frei.

Kein ÀRSAIDH mehr, ASKIVAL ohnehin schon länger ad acta gelegt. Der Herr, der damals auch Tuagh genannt wurde, möchte einen weiteren Neuanfang wagen, wirkt in seiner Musik entschlossener, gleichzeitig aber auch gelöster. Schier unglaublich, welch Magie er mit "Children Of The Mist" wirken lässt. Man taucht in's altertümliche Schottland und seine prachtvolle Landschaft ein und verbindet sich ohne große Umschweife mit dieser wunderbaren Melange aus melancholisch-keltischen Folkmelodien, leichtfüßigem Black Metal und weitschweifiger Ambientuntermalung. Die Gesänge erklingen dabei entfernt, wie aus dem Himmel herabdonnernd und werden von beschwörenden Cleanparts immer wieder aufgelockert. Schnell wird klar: Diese Reise endet für mich nur unter Zwang, aber eine Pause darf auch mal sein , wenn die Geige sowie epische Gitarrenspuren zwischenzeitlich stimmige Ruhephasen beschwören und man weiß, dass später noch ein Ritt über die weite, malerische Landschaft folgt, der von treibenden Akustikgitarren und Tin Whistle Einschüben passend skizziert wird.

Irgendwann wird es allerdings mal Abend, und so beginnt der Titeltrack mit sanft-melancholischem Klargesang, der stark von ALCEST bzw. den Grundfesten des Post-Rock inspiriert erscheint und alsbald mit träumerischen Flötenklängen erweitert wird. Andy erzählt kraftvoll und in harscher Manier von seinen bisherigen Reisen, der Natur, die er dabei immer lieber gewonnen hat und von Göttern, die ihm Freiheit und Geleit versprechen. Dazwischen legt er gerne Pausen ein, um die Atmosphäre, den Moment wirken zu lassen. Am Ende lässt er sein Talent am Schlagwerk noch einmal aufblitzen und entlässt den Augenblick in die Ferne.

Grundsätzlich lässt sich schnell ein roter Faden in den Kompositionen entdecken, denn Herr Marshall versteht es besser als noch auf dem Vorgänger "Roots", eine Geschichte musikalisch zu Bildern zu verarbeiten und bedient sich dabei verschiedenster Stilmittel, wie man sie in einem derartigen Einklang noch nie in diesem Genre vernehmen durfte. Geklaut ist da nichts, auch wenn sich Querverweise auf das Œuvre seinerseits, mitsamt Erfahrungen mit Musikern von FALLOCH oder OLD SILVER KEY, durchaus anböten. Der Weg bleibt das Ziel, und das stellt "The Awakening" mit beeindrückenden Chören, die auf "Aura" insgesamt sehr klug und nicht inflationär Verwendung finden, und epochalen Klanglandschaften unter Beweis. Da stecken viel Herzblut und Leidenschaft, aber auch ein herausragendes Songwritingtalent drin, was man in jeder Sekunde dieses Werks spürt und im zunächst sehnsüchtigen "Farewell" als absoluten Höhepunkt gipfelt. Die Zutaten bleiben zwar klar definiert, der Traum aber aufrecht. Düstere Passagen bricht Tuagh hier immer wieder mit von Hoffnung erfülltem Klargesang auf und lässt mit einem galoppierenden Akustiksaiter-Part erneut den frischen, wohlig-warmen Wind der Highlands durch die Haarpracht fahren.

Und so nimmt dann ein Meisterwerk wie "Aura" mit dem abschließenden "Pillars Of The Earth" ein würdiges Ende, welches einen mit gemischten, aber stets positiven Gefühlen hinterlässt. Es ist zwar schade, dass das Album nun einen Abschluss findet, aber gleichwohl auch aufbauend, da der Replay-Button ja glücklicherweise für solche Situationen geschaffen wurde. Und so lässt der Bursche mit Gewitterklängen und furiosen Schwarzmetallausbrüchen auch mal die raueren Gesichtzüge der schottischen Natur erblicken, die nur im Mittelteil vom fast schon jazzigen Intermezzo gezähmt werden. Man könnte noch so viel über diesen Meilenstein des Pagan Black Metal schreiben, aber wenn man es als eine Stärke ansehen kann, dass kein Stück sich unter der Zehnminüter-Grenze bewegt, spricht das Bände. Sehr selten habe ich bei einem derartig ausgerichteten Album das Zeitgefühl so verloren, wie bei "Aura". Andy Marshall schafft es als junger Musiker, an seiner Unsterblichkeit zu arbeiten und zelebriert auf seinem bisherigen Opus Magnum eine emotional-ergreifende, mitreißende Mischung aus verschiedensten Einflüssen und unendlicher Leidenschaft, die verdammt viel Charakter besitzt und Bilder vor dem geistigen Auge erschafft, die den Hörer in die Welt transportiert, die er selbst mit viel Stolz sein Zuhause nennt. Ganz große Kunst, die einfach alles kann. Fans von MOONSORROW, ALCEST, EREB ALTOR oder auch AGALLOCH müssen das unbedingt anchecken, ich verspreche nicht zu viel.

Anbei noch das Cover, welches die gebotene Stimmung perfekt bannt:



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (28.05.2014)

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