Eluveitie - Origins

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VÖ: 01.08.2014
Bandinfo: ELUVEITIE
Genre: Pagan Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
Lineup  |  Trackliste

Das Erscheinungsdatum des vorliegenden Albums könnte für Schweizerinnen und Schweizer kaum geschichtsträchtiger sein. "Origins" erscheint am helvetischen Nationalfeiertag. Nach der Listening Session im Studio von Tommy Vetterli war ich erschlagen. Ungefilterter Sound und den Kopf voller Notizen, um einen Beitrag darüber zu schreiben. Und das, ohne die Songs nochmals hören zu können. Mittlerweile hat die neue ELUVEITIE-Scheibe „Origins“ meine Gehörgänge mehrfach bearbeitet, der erste Höreindruck ist einem „alltäglicheren“ Hörgenuss gewichen, ein gewisser Abstand, vielleicht auch eine gewisse Nüchternheit hat die anfängliche Überschwänglichkeit abgelöst. Hat die Beurteilung des Albums dadurch gelitten? Im Grundsatz bestimmt nicht! Mein ELUVEITIE-Favorit ist und bleibt „Everything Remains As It Never Was“, "Origins" kommt aber definitiv an zweiter Stelle. Was macht das aus?

Zuerst einmal sind ELU „erwachsen“ geworden. Das mag despektierlich klingen für eine Band, welche seit zwölf Jahren im Geschäft ist. Gemeint ist es aber so nicht. ELU haben sich stetig entwickelt, teilweise sind die Schritte zwischen den frühen und den späteren Alben enorm. Die Alben zwischen „Everything Remains…“ und „Origins“ klaffen nicht mehr dermaßen auseinander. Das führte in Reviews zu „Helvetios“ mehrfach zur Frage, wo die Veränderung, die Entwicklung geblieben wären. Diese Frage wird wohl auch zu „Origins“ nicht ausbleiben. Dabei ist die Entwicklung da, vielleicht sogar intensiver als bisher. Nach dem ersten Hören ist es so, dass „Origins“ soundmäßig ähnlich klingt wie „Helvetios“, einige Tracks klingen wiederum ähnlich wie Songs aus früheren Alben. Das kann man als „Stehenbleiben“ beklagen, man kann es aber auch als Finden des eigenen Stils verstehen. Und das ist es letztlich, was ich will. Ich will die beste New Wave Of Folk Metal-Band (was es nicht schon alles gibt... - Anm. d. Red.) der Welt mit ihrem unverwechselbaren Stil hören, mit den typischen Instrumenten, Klangelementen und Phrasen. ELUVEITIE spielen Folk gemischt mit Death Metal-Elementen. Sie setzen Whistles, Bagpipes, Fiddle und Hurdygurdy ein und vervollständigen das Ganze mit Riffbrettern, Bass und Drums – basta! Die Entwicklung hin zu „Origins“ ist eine feinere und umso wichtigere – die Musik ist differenzierter, klarer, ausgefeilter geworden. Die Jungs und Mädels haben Stunden genommen! Kein Scherz, die einzelnen Instrumente sind technisch auf einem neuen Level angekommen, präziser und vielfältiger. Für mich ist das am Augenscheinlichsten bei den Drums von Merlin Sutter und der Stimme von Anna Murphy. Anna klingt plötzlich reifer, erwachsener, insbesondere in den tieferen Lagen. Aber auch bei den Gitarren sind Veränderungen hörbar, ebenfalls auf der technischen Seite, aber auch bei der Intensität, der Power. Selbst Chrigel Glanzmanns Growl-Organ klingt feiner, klarer, beinahe schon so, dass man den Text verstehen kann…

Eröffnet wird das Album durch einen instrumentalen Track mit der bekannten Stimme von Alexander Morton. Dieses Mal wird er unterstützt durch die Stimme der jungen Emily Clays. Der Opener führt ein in eine Art Konzeptalbum. Die Helvetier bleiben sich treu. Chrigel Glanzmanns Faible für die Geschichte der Gallier spiegelt sich wieder in den Liedern über die Sagen und Mythen der keltischen Spuren, die teilweise im Dunkel verschwunden sind, teilweise als Spuren auch noch unsere Kultur beeinflussen. „The Nameless“ wird bestimmt durch typische ELU–Riffs und hämmernde Drums, der Song erzählt von der „namenlosen“ keltischen Gottheit. „From Darkness“ ist einer der Songs, der wohl am ehesten als typischer ELU-Song bezeichnet werden kann. Er hätte so auch auf einer früheren Scheibe sein können. „Celtos“ handelt von einer alten keltischen Sage – für einmal wieder in der gallischen Sprache. „Virunus“ hat einen Makel. Der Track bringt ein interessantes Zusammenspiel zwischen Flöten, Hurdygurdy und Hackbrett – die schnellen Metalpassagen stören schon beinahe. Hier wäre Gelegenheit für eine epische und ruhige Nummer gewesen. Aber das wollten die Folkmetaller wohl nicht… Das Hackbrett spielt Freda Schnyder.

Die schottische Schauspielerin Karen Bartke – ebenfalls aus dem Volksstamm der Kelten stammend – eröffnet den Track „The Call Of The Mountains“, einer meiner Favoriten. Ebenfalls zum Zug – für meinen Geschmack zu sehr im Hintergrund – kommt Christine Lauterburg, die bekannte Schweizer Jodlerin. Und Anna Murphy – die Stimme ist gefestigt, spielt ihre Stärken endlich aus, zeigt eine Dynamik, die auch namhafteren Metal-Sängerinnen gut anstehen würde. Das Schönste – sie driftet nicht in den opernhaften Klang à la EPICA, WITHIN TEMPTATION oder einer TARJA – sie bleibt ebenso natürlich wie der abschließende Kinderchor aus Winterthur. „The Call Of The Mountains“ ist aus meiner Sicht der Song mit dem größten Hitpotenzial. Ein fünfminütiges Brett mit martialischem Beginn schließlich ist „Sucellos“. Ein wenig im Stil von „Thousandfold“, das Zusammenspiel und gleichzeitig die Trennschärfe von Hurdygurdy, Flöten und Chrigels Stimme zeigen sehr eindrücklich die Entwicklung der Feinheiten auf diesem Album. „And there was nothing…“, mehr trägt Alexander Morton nicht zu „Inception“ bei, denn sofort steigen Drums und Gitarren ein und drängen jede besinnliche Stimmung beiseite. Und doch meldet er sich im Song zurück – unterstützt durch archaische Hintergrundtrommeln, Hurdygurdy und Fiedel. Nicole Ansperger übrigens, das jüngste Mitglied der ELU-Familie – erfindet die Geige nicht neu, und doch klingt sie anders als jene von Meri Tadic, welche den Sound der Schweizer Folkmetaller über zehn Jahre lang prägte.

Track Nummer zehn ist die zweite massentaugliche Nummer. „Vianna“ ist beinahe schon eine Ballade, welche Annas Stimme rockiger und ausgewogener zeigt als auf früheren Alben. Am wenigsten angesprochen hat mich „The Silver Sister“, ein Brecher mit interessantem Riffing, ansonsten eher durchschnittlich. Der Oberburner ist und bleibt „King“. Chrigel Glanzmann mit einer Glanzleistung beim Gesang und Flötenspiel, die Gitarrenriffs und –soli schneidend und heftig und Merlins Drums virtuos, kombiniert mit der Teufelsgeigerin Nicole – so muss Folk Metal heute klingen – mein Favorit! Die nächsten drei Tracks fallen nicht ab, sie repräsentieren einfach ELUVEITIEs typischen Sound und erinnern stark an frühere Alben wie „Slania“. „Ogmios“ ist eine halbminütige Überleitung und gibt der jungen Emily Clays nochmals eine Bühne. Zum Abschluss – „Eternity“ wird noch einmal von Alexander Morton eingeleitet – bringen ELUVEITIE einen epischen Song und die Auflösung des Titeltracks „Origins“. Mit dem instrumentalen Song schließt sich ein Album, das vielleicht nicht den Erwartungen an etwas wirklich Neues entspricht. Wer aber ELUVEITIE als eine der besten Pagan-Bands mag und sich den vielen feinen, technischen Weiterentwicklungen öffnet, wird hier ein sprichwörtlich „rundes“ Album finden, das die Klasse der Schweizer Band zeigt und nur durch zwei Dinge getoppt werden kann – „Everything Remains As It Never Was“ und ELUVEITIEs Live-Performance.
Danny Frischknecht (4,5/5)


Ihr habt das sicher alle auch schon erlebt: Ihr wartet sehnsüchtig auf das neue Album einer von euch geliebten Band - ihr habt alle Scheiben der Combo, kennt jeden Song und erwartet voller Vorfreude, auch mit dem neusten Werk wieder in die altbekannte Euphorie versetzt zu werden! Dann hört ihr euch die neue Scheibe mit großer Spannung zum allerersten Mal an - und was passiert? Nichts. Da sind zwar immer noch die gleichen Elemente, die die Band ausmachen, die Combo hat nichts Wesentliches verändert – und trotzdem lassen euch die Songs irgendwie kalt und ziehen spurlos an euch vorüber. Genau das ist mir mit der neuen Scheibe von ELUVEITIE passiert. Während ich von der Vorgängerscheibe „Helvetios“ fast restlos begeistert war und davon sprach, dass die Eidgenossen damit nur knapp an einem Meisterwerk vorbeigeschrammt seien, lässt mich „Origins“ im direkten Vergleich dazu doch ziemlich ratlos zurück.

Es ist Stagnation angezeigt im Volke der Helvetier. Wie mein geschätzter Mitrezensent bereits oben festgestellt hat, sind die Parallelen zu „Helvetios“ unüberhörbar, eine Weiterentwicklung ist kaum ersichtlich. Ich habe an sich nichts gegen Wiederholungen der eigenen Trademarks – gerade im Metal gibt es genügend Truppen, die davon seit Dekaden gut leben und bei denen niemand nach Weiterentwicklung schreit. Problematisch wird es dann, wenn man wie im Fall von „Origins“ das Gefühl hat, das Gleiche noch einmal dargeboten zu bekommen – nur weniger packend. Als ob ELUVEITIE mit dem letzten Album alles gesagt hätten, was sie zu sagen haben. Auch die Arrangements sind irgendwie uninspiriert und weniger mitreißend. Chrigel Glanzmann und sein Kollektiv waren ja noch nie für wahnsinnig komplexe Kompositionen bekannt, aber die Songs sind hier irgendwie allesamt noch vorhersehbarer geworden. Der eine oder andere Track erinnert gar frappant an frühere Hits der Kelten-Metaller.

Warum ich trotz meiner spärlich vorhandenen Begeisterung dennoch dreieinhalb Sterne zücke, liegt einerseits daran, dass Chrigel und seine Combo trotz zeitweiligen Leistungsschwankungen das Gros der Genre-Kollegen mit „Origins“ immer noch locker in die Tasche stecken. Und andererseits kann ich für meine bescheidene Beurteilung kaum eine objektive Begründung liefern. Es bleibt bei einem subjektiven „mich hat’s nicht gepackt“.

Viel Neues und Spannendes habe ich dafür im aktuellen Interview mit dem sympathischen ELU-Fronter Chrigel Glanzmann erfahren, welches ich für Stormbringer führen durfte. Auf zur Geschichtsstunde!
symX (3,5/5)



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: symX (25.07.2014)

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