Lykaion - Heavy Lullabies

Die italienischen Gothic Metaller LYKAION lassen mit ihrem zweiten Longplayer „Heavy Lullabies“ die 90er-Jahre wieder so richtig aufleben - jawohl! Warum dies so Erfreuens wert ist, kann man einfach beantworten. Mitte der 90er war das Gothic-Genre an seinem Höhepunkt, was durch eine Flut grandioser Veröffentlichungen unterstrichen wurde. Mit „Heavy Lullabies“ setzt uns das südländische Quartett ein Album vor den Latz, welches es in sich hat. Hier werden gefühlvolle Balladen mit härteren musikalischen Elementen und der richtig dosierten Prise Atmosphäre zu einer Einheit verbunden, die den Hörer mit offener Kinnlade zurück lässt. Den vier Musikern aus „der ewigen Stadt“ ist zweifelsfrei ein Meisterwerk gelungen, welches elf musikalische Perlen beinhaltet, die in folgender Rezension genauer unter die Lupe genommen werden.

Den Opener und Titelsong „Heavy Lullabies“ als Intro abzutun, grenzt nahezu an „Majestätsbeleidigung“. Denn in den knapp vier Minuten Spielzeit schaffen es die Römer, einen Spannungsbogen zu erzeugen, der sich vom sperrigen und ruhigen Beginn bis hin zum metallischen und gleichzeitig Keyboard-lastigen Ende, stets potentiell qualitativ steigert. Ein wunderschöner Anfang für dieses geniale Album. Hier gehen harte, raue Sounds eine Symbiose mit Ohrwurm-Refrains ein, welche enorm gut ausbalanciert ist. Bei der „Quotenballade“ „I Don`t Love You Anymore“ hat man sehr tief in den „Pathos-Topf“ gegriffen und den Song somit mit einem zuckersüßen Beigeschmack versehen. Trotzdem kann man über diese Tatsache getrost hinweg sehen. Denn die Qualität des Titels stellt dieses kleine Manko locker in den Schatten. Da LYKAION eben genannten Song durch diverse Gitarrensoli, gezielt eingesetzte Breaks und mitreißende Rhythmusgitarren auflockern, rückt das Übermaß an „Schmalz“ weit in den Hintergrund.

Die elf Nummern auf „Heavy Lullabies“ sind auf einem derart hohen Niveau angesiedelt, dass es schwer fällt, einzelne Songs hervor zu heben. In jedem der Titel spürt man förmlich den Spirit der glorreichen 90er-Jahre und es ist ein einziger Genuss, dieser Langrille seine Aufmerksamkeit zu widmen. LYKAION verstehen ihr Handwerk nicht nur ausgezeichnet, sondern haben es mit diesem Album perfektioniert. Selbst wenn mir die Superlative ausgehen und ich um die richtigen Wörter buchstäblich ringen muss, versuche ich euch dieses Meisterwerk trotzdem schmackhaft zu machen.

Während der Übergang von „For Love“ zu „Anthem“ nahezu fließend ist (das musikalische Hauptthema wird lediglich marginal abgeändert), sind hier bereits die Zutaten für waschechte Gothic-Hymnen zu finden: Häufige Tempi-Wechsel, eine virtuose Leistung von Drummer Andrea Alberati (inklusive Doublebass-Einsatz), harte, zugleich rhythmische Gitarrenriffs und der stets gut abgestimmte Gesang von Alessandro Sforza geben hier die Marschrichtung vor. Mit diesen Stilmittel bewegt man sich viel näher am Gothic-Metal-Genre anstatt an ausgelutschten, kitschigen Gothic-Balladen. Es hat den Anschein, als hätten LYKAION „Heavy Lullabies“ tatsächlich in den 90ern produziert und gut 20 Jahre mit der Veröffentlichung gewartet. „Out Of My Heart“, „Animals“ oder „Accept Yourself“ sind handfeste Beweise dafür! Dass die restlichen Songs qualitativ mindestens genauso hoch ausgefallen sind, grenzt an Genialität. Die Italiener lassen Gänsehautfeeling aufkommen, ohne dabei Härte, Präzision und Eigenständigkeit bzw. Originalität darunter leiden zu lassen.

Die Jungs schaffen es mühelos, 2015 ein Gothic-Metal-Album zu veröffentlichen, welches den einzigartigen Spirit der 90er aufleben lässt und dabei trotz allem sehr eigenständig um die Ecke kommt. Hat man erst mal Songs wie „Watain`“, „Smile“ oder „End Of Time“ gehört, wird man unweigerlich auf die Repeat-Taste drücken und sich kaum aus dessen Bann befreien können, denn hier präsentieren uns LYKAION Stücke, denen es weder an Härte, noch an Durchschlagskraft fehlt. Ich muss zugeben, dass mich selten eine Langrille so sehr beeindruckt hat wie „Heavy Lullabies“.

Ich kann jedem Gothic-Metal-Fan nur nahe legen, ein Ohr zu riskieren und traue mich dabei sogar zu garantieren, dass die vorhandene, gehörige Portion Genialität das Album zum absoluten Dauerbrenner avancieren lässt! Wenn jemand die Höchstpunkteanzahl verdient, dann sind es LYKAION. Mit „Heavy Lullabies“ setzen sie die Messlatte für alle weiteren Veröffentlichungen im Gothic-Metal-Sektor derart hoch an, dass ich bereits gespannt bin, ob dieses Album überhaupt noch zu übertreffen ist – selbst wenn das Jahr noch jung ist. Beide Daumen hoch für den perfekten Soundtrack zur Jahreszeit – absolute Kaufpflicht!