Sacrilegium - Wicher (ReRelease 2015)

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VÖ: 03.03.2015
Bandinfo: Sacrilegium
Genre: Black Metal
Label: Pagan Records
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Lineup  |  Trackliste

Es mag heute fast unglaublich erscheinen, aber es gab schon Mitte der 90er-Jahre eine polnische Black-Metal-Szene, und zwar fernab von BEHEMOTH-Wachstumswillen und GRAVELAND-Arier-Kraftmeierei und auch fernab des mafiaähnlichen MGLA-Kollektivs, das heute der Inbegriff polnischen Black Metals zu sein scheint. Eine Band, die weder damals noch in den letzten fast 20 Jahren jemanden großartig interessiert hat, sind SACRILEGIUM. Ich kannte das Trio 1996, nachdem sie ihr erstes und bisher letztes Album "Wicher" veröffentlicht hatten, auch nur durch eine Berliner Radiosendung namens "Tendenz Hard bis Heavy", die weiland ein Typ namens Matthias Herr in den Äther geschickt hatte. Die war fast genauso kultig wie "Wicher" selbst, ein echtes Juwel aus dem damals noch wirklich unbekannten Underground der Black-Metal-Geschichte. 1996 war ohnehin, wenn ihr mich fragt, das Black-Metal-Jahr schlechthin.

Tja, und fast 20 Jahre später erfährt "Wicher" nun eine remasterte Wiederveröffentlichung - und das natürlich, wer hätte es gedacht, anlässlich der Re-Union SACRILEGIUMs. Wer tatsächlich der Ansicht ist, KRIEGSMASCHINE oder INFERNAL WAR seien die Krönung polnischen Black Metals, sollte sich das unbedingt reinziehen - denn "Wicher" ist direkt nach BEHEMOTHs "Grom" mit Abstand das beste, was Polen in diesem Stil hervorgebracht hat. Die Platte ist von der ersten bis zur letzten Sekunde ein atmosphärisch dichtes Gesamtkunstwerk mit acht ausschließlich gelungenen Tracks. Trotz gelegentlichen zehn oder zwölf Minuten Spielzeit wirkt keiner davon monoton. Die Scheibe ist - zeituntypisch - professionell gezockt, ausgewogen und zeitlos produziert, umweht von einem typisch slawischen Flair (sicher auch aufgrund der polnischen Texte) und keine Sekunde lang unangenehm kitschig. Eine unbeschreibliche Orgie aus schwelgerischen Triolen, sehr markanten und für den Stil mitunter auch untypisch rhythmisch gespielten Riffs, gekonnten und sinnvollen Soli, flüssigen Arrangements, einem einmalig knurrigen Gesang und im Hintergrund lauernden Keyboardchören, die nicht mehr nach 90ern klingen könnten. Wenn DARKTHRONE mehr BATHORY gehört hätten und 1995 mehr nach DÖDHEIMSGARD als nach HELLHAMMER geklungen hätten, dann wäre vielleicht etwas wie "Wicher" dabei herausgekommen. Wer den Beweis braucht: "W rogatym majestacie snu" oder "Zagubiona ciemność" sollten keine Viertelstunde brauchen, bis ihr sabbernd den Link zum Mailorder eures Vertrauens rauskramt.

Aber selbst falls diese Wiederveröffentlichung keine Sau interessieren sollte: "Wicher" ist und bleibt ein sträflich vernachlässigter Zweite-Reihe-Klassiker, der es verdient gehabt hätte, in einem Atemzug mit Alben wie "Stormblast", "Grom", "Nord", "Dark Waters Stir" oder "For Kunsten Maa Vi Evig Vike" genannt zu werden. Ich glaube nicht daran, dass noch werden könnte, was noch nicht ist. Aber ist auch egal. Ich war gerade eine Dreiviertelstunde lang wieder 16.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Florian Dammasch (23.03.2015)

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