Hardcore Superstar - HCSS

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VÖ: 24.04.2015
Bandinfo: HARDCORE SUPERSTAR
Genre: Sleaze Rock
Label: Gain Music Entertainment
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Vielleicht liegt es am hüftsteifen und beliebigen Vorgängeralbum „C’mon Take On Me“, das die Nuclear-Blast-Ära der Schweden beendete. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass sich HARDCORE SUPERSTAR auf ihrem zehnten Studioalbum jubiläumstechnisch zurückerinnern wollten. Fakt ist jedenfalls, dass das schlicht „HCSS“ betitelte und mit einem 70er-Jahre/SLASH-artigen Coverartwork veredelte neue Studiolangeisen den süßen der Duft der Vergangenheit atmet und das kajalbeschmierte Poser-Kollektiv rund um Frontheuler Jocke Berg vor dem befürchteten kreativen Selbstmord gerade noch einmal die Kurve kratzt.

Natürlich, ein Meisterwerk im Stile eines „Hardcore Superstar“ oder „Dreamin‘ In A Casket“ wird dem Quartett in diesem Leben nicht mehr gelingen, aber mit dem Labeleinstand bei Gain Music kann zumindest ein weiterer veritabler Bauchfleck verhindert werden. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, verdankt die Band einem modernen Rock’n’Roll-Märchen. Bassist Martin Sandvik bekam von einem Die-Hard-Fan ein Demo aus dem Jahr 1994 zugesteckt. Eine Zeit, in der die Band noch nicht einmal ihren Namen gefunden hatte und die Riffs zwar amateurhaft, aber eben auch juvenil-ungezwungen und frei von jeglicher selbst gegerbten Vorlage waren. Somit war es nur eine logische Schlussfolgerung, dass sich Berg und Co. beim Songwriting-Prozess in die Kinderschule zurückversetzte und dabei auch musikalisch stark zurückging.

Anstatt überbordender Glam-Riffs und der zuletzt stark auf Erfolgszwang getrimmten Attitüde kehrt auf „HCSS“ tatsächlich eine angenehme Laissez-Faire-Haltung zurück, die sich vor allem im ersten Albumdrittel herausfiltern lässt. „Don’t Mean Shit“ und „Party Till I’m Gone“ sind zwar beide meilenweit davon entfernt, zu den großen Band-Evergreens zu gedeihen, transportieren aber eine furztrockene und völlig ironiebefreite 70s-Attitüde, die man den Göteborgern nach den letzten Jahren nicht mehr zugetraut hätte. Nach dem funkigen, aber doch furchtbar fad dahinplätschernden „The Cemetery“ packen die Jungs auf „Off With Their Heads“ wieder diese unwiderstehliche Blues-Sleaze-Keule aus, für die das gesamte Bandprojekt in den Anfangstagen stand. Wie versatil die Schweden mitunter vorgehen, wird auch auf den folgenden Stücken klar. Das fast achtminütige „Fly“ ist eine Grunge-geschwängerte Top-Ballade mit Blues-Feeling, das sich nach mehrmaligem Durchlauf unweigerlich in den Gehörgängen festfräst, „Touch The Sky“ ist melodiöser Poser-Rock und auf „Growing Old“ wildert man musikalisch gar in den vertonten Töpfen der Früh-90er-Flanellhemden-Zeiten.

Ganz am Ende locken HARDCORE SUPERSTAR nochmals ihre treuen Fans vor den Vorhang und besinnen sich ihrer größten Stärken: Knackige Riffs, eine memorable Refrain-Melodielinie und Bergs ausdrucksstarke VINCE-NEIL-Gedächtnisstimme. Besonders schön zu hören im abschließenden „Messed Up For Sure“, das sich auch wunderbar auf „Split Your Lip“ gemacht hätte. Somit haben die Schweden auf „HCSS“ eine überraschend neue Richtung eingeschlagen, die sich nicht nur aus dem bandeigenen Fundus, sondern aus einer Rockgeschichte der letzten vier Dekaden bedient. Lasst euch auch nicht von der eher durchschnittlichen Produktion überraschen – hier haben die Burschen nämlich selbst Hand angelegt und Bombast wohl im vollen Bewusstsein außen vor gelassen. Kein Meisterwerk, aber ein mutiger und gelungener Schritt zurück zur kreativen Stärke.



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (21.04.2015)

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