BRING ME THE HORIZON - That's The Spirit

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VÖ: 11.09.2015
Bandinfo: BRING ME THE HORIZON
Genre: Alternative Metal
Label: Sony Music Entertainment
Lineup  |  Trackliste

Wenn es im modernen Metalsektor eine Band gibt, die nicht nur mit ihrer Ausstrahlung und Musik zu Gründungszeiten aneckte, sondern aktuell auch mit ihrem musikalischen Wandel so dermaßen polarisiert, dass mittlerweile selbst die kreischenden Fangirls nicht mehr drei Wochen vor Konzertbeginn mit Zelt und Merchsammlung im Gepäck vor der Lokalität des Gigs campieren und vom Koitus mit dem soooo süüüüßen Frontsänger fantasieren, dann sind das vermutlich BRING ME THE HORIZON aus Sheffield. Was einst als schaurig-schlechte Scenecore-Inkarnation im boomenden Core-Geschäft durchstartete, ist allerspätestens seit "Sempiternal" ein Paradebeispiel für Open-Minded-Songwriting und künstlerische Entwicklung. Mit dem heute erscheinenden "That's The Spirit" gehen die Briten noch einen Schritt weiter und nehmen dabei überhaupt keine Rücksicht mehr auf irgendjemanden.

Und das ist auch gut so, um es mal durch die Blume zu sagen. Ob sich die Jungs um Szeneikone Oli Sykes damit einen Gefallen getan haben, steht auf einem ganz anderen Papier, in Anbetracht der gravierenden Soundänderungen aber dürfte das BRING ME THE HORIZON durchaus bewusst gewesen und demnach herzlich egal sein. Der größte Coup ihrer Geschichte gelingt ihnen aber nicht nur dadurch, dass sie mit "That's The Spirit" ein vornehmlich bärenstarkes und unkonventionell ehrliches Album abgeliefert haben, sondern auch deshalb, weil die bisher preisgegebenen Singles wie das an die modernen LINKIN PARK in gut erinnernde "Throne", "Drown" (auf dem Album in leicht abgeänderter Form) und der extrem stadiontaugliche "Happy Song" kaum Indiz dafür sind, wie dieses Tondokument letztlich als Gesamtheit klingt.

Das heißt einerseits, dass BRING ME THE HORIZON für ihre Verhältnisse unglaublich viel experimentiert haben, ihren Hörern andererseits aber auch keine wüste Aneinanderreihung auditiver Fragmente zumuten. Auch wenn das zunächst so erscheinen mag, wenn "Doomed" mit seinen verzerrten Samples und den dramatisch wabernden Synths im ersten Moment wahrscheinlich noch am ehesten an den "Sempiternal"-Opener erinnert, der bereits erwähnte "Happy Song" dann im nächsten Moment aber mit groovigen Gitarren, rebellisch-rockigen Vocals und Kinderchören livetauglich aus der Anlage schallt.

Trotzdem findet das Fünfgespann in Folge immer wieder einen gemeinsamen Nenner für die insgesamt elf Songs: Flair. Und diesen Nenner spielen BRING ME THE HORIZON trotz abwechslungsreicher Arrangements immer wieder aus. Ein Baustein davon ist der seit 2013 der Band angehörige Jordan Fish, der für's Keyboard bzw. die Programmierung zuständig ist und Songs wie dem punkpoppigem "True Friends" oder dem extatischen "Throne" die Richtung weist. In diesem Zug nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings auch die enorme Steigerung des Leadgitarristen Lee Malia, der den synthlastigen "Follow You" und "Run" beispielsweise post-rockige Melodien beimischt, in "What You Need" gekonnt zwischen Dream Rock und dynamischem Modern Metal variiert und dem elektrolastigen, hymnischen "Avalanche" Biss verleiht.

In diesem Kontext stellt man unter dem Strich eines fest: BMTH sind aus künstlerischer Sicht erwachsen geworden und komponieren, wie man es zu Debützeiten niemals für möglich gehalten hätte. Sie haben in nahezu jedem Bereich hart an sich gearbeitet und lassen auf "That's The Spirit" ihre bis hierhin ausgereiftesten und leidenschaftlichsten aber auch forderndsten Songs von der Kette. Fordernd deshalb, weil sie eine praktisch komplett andere Richtung als bisher bearbeiten und ihren Fans einiges (alleine die Jazzparts im abschließenden, vom Keyboard dominierten "Oh No"...) abverlangen. Somit lässt sich lediglich prognostizieren, dass "That's The Spirit" mit all dem Mut, den Oli Sykes (singt zu 99% klar und das auch noch ziemlich gut) und Co. hier aufgebracht haben, die Meinungen spalten und die Hater nähren wird. Bei klarem Verstand wird man aber zumindest feststellen können, dass BRING ME THE HORIZON auf ihrem fünften Album wie eine geschlossene Einheit klingen, die ihren musikalischen Heiland gefunden hat und im Gegensatz zum Großteil der Core-Szene einfach das macht, worauf sie Bock hat. Erst danach lässt sich die Geschmacksfrage stellen und für mich - als Fan der neueren Werke - ist "That's The Spirit" trotz kleinerer Ungereimtheiten ("Blasphemy") der Höhepunkt der BMTH-Diskografie.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (11.09.2015)

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