Harpyie - Freakshow

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VÖ: 18.09.2015
Bandinfo: HARPYIE
Genre: Mittelalter Metal
Label: Metalville Records
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Lineup  |  Trackliste

Das Genre des Mittelalter-Rocks oder Mittelalter-Metals kann man gemeinhin schon als ein wenig ausgelutscht bezeichnen, stagniert es doch in den letzten Jahren zunehmend. Wo etablierte Acts wie IN EXTREMO oder SALTATIO MORTIS in die seichtere Punk-Ecke abzudriften beginnen und Genregrößen wie SUBWAY TO SALLY gar mit Dubstep-Elementen gustieren, schlagen HARPYIE einen gänzlich anderen Weg ein. Nein, kein "back to the roots" mit erhöhtem Dudelsackanteil hin zu mittelalterlicher Marktmusik, sondern mehr ein "auf zu neuen Ufern". Konkret heißt das, die sechs Westfalen scheren sich einen feuchten Kehricht um "genretypische" Strukturen, und mischen fröhlich Powermetal-Vocals mit fetten Metalcore-Strukturen und mittelalterlichen Instrumenten.

'Was zur Hölle?' denkt man sich, wenn man die inzwischen dritte Scheibe von HARPYIE anhört. Der Titel "Freakshow" ist Programm, ist das Album doch eine wüste musikalische Mischung mit düsteren, freakigen Vocals, die dem Hörer schon beim Opener und gleichzeitigem Titeltrack gleich einmal die Marschrichtung vorgeben. Derbes Gitarrengeshredder mit massig Core-typischen Breakdowns, dazu prägnante Melodien aus dem mittelalterlichen Instrumentensatz und finstere Lyrics, die tatsächlich ein wenig zum Nachdenken anregen - eine höchst schräge Mischung, die HARPYIE bei Songs wie "Monster" oder "Lebendig Begraben" auf die Spitze treiben. Hie und da schimmert (beispielsweise bei "Fauler Zauber") dann doch ein klein wenig SUBWAY TO SALLY durch, deren Schlagzeuger Michael Schmitt sich auch für die fette Produktion des Sechsers verantwortlich zeigt.

Lediglich mit dem Reimen hakt es teilweise noch ein bisserl, so manch ein Schüttelreim sitzt noch nicht punktgenau, wie beispielsweise bei dem toll aufgebauten "Dunkle Wissenschaft", dafür spielen HARPYIE bei Titeln wie "Tanz auf meinem Grab" das irgendwo zwischen wüstem Metalcore-Geshredder und fast schon poppigem Refrain pendelt, ihre ganzen Stärken aus. Auch im Uptempo ("Wilde Reise Durch Die Nacht") fühlen sich die Westfalen ziemlich wohl, und zeigen dass Mittelalter-Metal mehr sein kann als die üblichen, sich ins Ohr schmeichelnden Songstrukturen. Aber keine Sorge, mit dem flotten Ohrwurm "Goblin" ist auch noch ein "genretypischer" Song auf dem Album vertreten.

"Freakshow" ist so gar nicht das was man sich von einem Mittelalter-Rock-Album erwarten würde - und gerade diese Tatsache macht das Scheibchen so interessant. Die Verbindung aus Mittelalter und Metalcore ist ungewöhnlich, und es braucht ein bißchen Zeit, bis man sich an die schräge Mischung gewöhnt hat. Es passt nicht alles hundertprozentig zusammen, aber genau die Diversität zwischen 'irgendwie klingt das ziemlich schräg' und 'eigentlich ist das verdammt geil' ist das, was HARPYIE ausmacht. "Freakshow" wird keinesfalls für jeden geeignet sein. So manche werden darin wohl auch nur einen letzten Versuch sehen, krampfhaft frischen Wind in ein ausgelutschtes Genre zu bringen - aber hat sich diese absonderliche Mischung erst einmal ins Gedächtnis gefressen, dann bekommt man HARPIYE nicht mehr so leicht wieder aus den Gehirnwindungen. Nach glattgebügelten, überkritischen und nahezu romantisch-verklärten Alben einiger Genrevorreiter, ist "Freakshow" eine willkommene Abwechslung, die das räudige Mittelalterfeeling auf außergewöhnliche Weise wiederbelebt. Nicht perfekt, aber arschcool.

 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (13.09.2015)

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