RIVERSIDE - Love, Fear And The Time Machine

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VÖ: 04.09.2015
Bandinfo: RIVERSIDE
Genre: Progressive Rock
Label: Inside Out Music
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Lineup  |  Trackliste

Alle, die sich nach dem  - unübertrieben als Meisterwerk zu bezeichnenden - Letztlings "Shrine Of New Generation Slaves" (2013) gefragt haben, wo denn nun der weitere Weg der polnischen Vorzeige-Progger noch hinführen kann, die werden nach dem Genuss von "Love, Fear And The Time Machine" sicherlich ein wenig überrascht dreinblicken. Mastermind Mariusz Duda hat es doch tatsächlich geschafft, zehn Songs zu schreiben, die einerseits relativ simpel daherkommen ohne das Konzept der Band ad absurdum zu führen, und trotz offensichtlicher musikalischer und songwriterischer Stagnation das hohe Qualitätslevel zu halten. Man möge bei ihm neuerdings erst recht das "Wilson-Syndrom" diagnostizieren, und vielleicht sieht es ja für manche so aus, als wäre das mittlerweile sechste Album ein kleiner Egotrip, aber solange das Ergebnis ein solides ist, alles kein Problem.

Klar, einige Songs hätten durchaus auch auf einem LUNATIC SOUL-Album stehen können, und tatsächlich wurde "Afloat" auch für "Walking On A Flashlight Beam" geschrieben. Was an den zehn Stücken jedoch am meisten fesselt, ist ihr simple Eindringlichkeit. Duda setzt neben der bewussten Simplifikation vor allem auf gut strukturierte, große Melodien die eher an PINK FLOYD erinnern als an das eigene Schaffen der Vergangenheit ("Towards The Blue Horizon"). Der Song als solches steht im Mittelpunkt, und nicht das Höher-Schneller-Weiter-Drehmoment, in das sich so manch artistisch veranlagte Band des Öfteren versehentlich verspreizt. Hier mag eine weitere Parallele zu seinem britischen Songwriter-Pendant Steven Wilson bestehen, der ja ähnlich umtriebig und seit längerem ausschließlich in Solo-Aktivitäten verstrickt ist. RIVERSIDE treten hier dennoch als Einheit auf, denn ohne seine drei langjährigen Mitstreiter wäre Herr Duda - man muss es bei allem Respekt so sagen - nur die Hälfte wert, wenn nicht gar nur ein Viertel.

Die absoluten Höhepunkte manifestieren sich auf diesem sechsten RIVERSIDE-Output im grandiosen Opener "Lost", der sich zu einer zuckersüßen Melodie hin atmosphärisch aufbaut. Im beschwingten "#Addicted", das an MARILLION erinnert und fast schon poppig aus den Speakern blubbert. Im Übersong "Caterpillar And The Barbed Wire", einem klassischen Duda-Earcatcher, der seine Größe als Liederschreiber absolut wiederspiegelt. In "Discard Your Fear", das mit seinen New Wave-Basslines zuweilen an Achtziger-Combos wie THE CURE oder SIMPLE MINDS erinnert. Und schließlich im achtminütigen  "Towards The Blue Horizon", bei dem man spätestens bemerkt haben sollte, dass es sich hier insgesamt um ein sehr ruhiges, in den Gründtönen überaus positive gestimmtes Album handelt. Und das, obwohl Mariusz sich wahrscheinlich die tiefschürfendsten Texte seiner Karriere aus der tiefsten Seele gesogen hat.

Das etwas schräge, mit kantigen Gitarrenbruchstücken angereicherte "Saturate Me" fällt dabei ein wenig aus dem Rahmen, ebenso wie die noch viel ruhigeren Tracks "Time Travellers" (das für meinen Geschmack ein wenig zu sehr in die Länge gezogen ist) und "Afloat" - beide rein akustische Ausflüge, die wie gesagt auch auf dem letzten LUNATIC SOUL -Album stehen hätten können. Wirklichen Tiefpunkt findet man hier klarerweise keinen, das würde auch der Arbeitsethik eines Herrn Duda und seiner Mitstreiter widersprechen. Der Gute muss jedoch in Zukunft aufpassen, dass RIVERSIDE nicht zur Ein-Mann-Show verkommen, und dass sich seine Egoptrips eher in LUNATIC SOUL entladen können. Mit "Love, Fear And The Time Machine" ist RIVERSIDE für's erste aber mal ein dichtes, unkompliziertes Werk aus dem Ärmel gefallen, das den Polen durchaus auch neue Hörerschichten zu erschließen imstande sein wird.
 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (16.10.2015)

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