Ryker's - Never Meant To Last

Artikel-Bild
VÖ: 11.10.2015
Bandinfo: RYKER'S
Genre: Hardcore
Label: Beatdown Hardwear Records
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Es war der 2. Mai 2014, ein schicksalsbehafteter Tag, den ich am liebsten für immer aus meinem Gedächtnis streichen würde. Als ich auf dem Heimweg von der Arbeit war, kreuzte mein Weg – wie immer – das Wiener B72, eine feine Veranstaltungslocation, vornehmlich für die Indie- und Alternativeschiene. Doch an diesem Nachmittag sah ich im frühsommerlichen Gastgarten ein paar bulligere, toughere Gesichter sitzen, die mir irgendwoher bekannt vorkamen. Anfangs noch unsicher, wurde mir zuhause schnell klar, dass es sich dabei um die RYKER’S handelte. Da ich mich selbst gerne als wandelten Wiener Konzertplan bezeichne, war das Unwissen ob deren erstem Wien-Gig nach 15 Jahren natürlich schmerzhaft wie ein ungalant gezielter Eierbock. Verdoppelt wurde dieses Leid durch die Tatsache, dass auch ein Spontanbesuch nicht möglich war, da ich an dem Abend zu HANSI HINTERSEER in die Stadthalle musste – doch das ist eine andere Geschichte…

Nun zum Thema – mit „Hard To The Core“ gelang der Kasseler Hardcore-Institution nach ewig langer Abwesenheit ein Comeback mit Bomben und Granaten. Songs wie „The World As I See It Today“ oder „Hard To The Core“ waren Moshbretter von dem Herrn. Es lag ein Hauch von sentimentaler Nostalgie in der Luft, so mancher fühlte sich in seine zwanglosen Jugendjahre zurückversetzt, als es nicht um das Bezahlen der Miete und die Must-Have-Smartphone-Apps ging, sondern schlichtweg um einen ordentlichen Moshpit, in dem man nur allzu gerne die Hauptrolle spielte. Nach dem feinen Wiederaufbäumen der Kultband wurden Wunden geleckt und vergessen geglaubte Inspirationen wiedergefunden, wodurch es nun ein gutes Jahr später mit „Never Meant To Last“ bereits den ersten Comeback-Nachschlag gibt.

Hier allerdings mit einer wesentlichen Änderung – nachdem Brüllwürfel Kid-D. offensichtlich keine Motivation mehr für das zweite Leben der RYKER’S fand, wurde BRIGHTSIDE-Shouter Sergeant D. verpflichtet, dessen Einstand zwar passabel, aber eben auch bei weitem nicht herausragend ist. Alles auf den bemühten neuen Sänger zu schieben, würde aber zu kurz geraten – dieser macht seine Sache nämlich durchaus gut, doch AC/DC und BLACK SABBATH ausgenommen, haben bekanntlich nur wenige Bands einen Sängerwechsel nahezu unbeschadet überstanden. Zudem wurde der reinrassige Hardcore-Teil um ein Erhebliches zurückgefahren, was vor allem geifernden Puristen sauer aufstoßen wird. So pflügt bereits der Opener „My Demons“ in kompromisslosen Fastcore-Gefilden, wird bei „We Ain’t Going Away“ die punkrockige MOTÖRHEAD-Schule zitiert und beendet der „Cowboy Song“ die Scheibe balladesk-experimentell.

Den Mut zu Neuem in allen Ehren, doch die RYKER’S zünden natürlich dann am besten, wenn sie sich einfach fallen lassen und der eigenen Vergangenheit frönen. So sind die Highlights der divers ausgefallenen Platte doch wieder Moshkracher wie „Pig Justice“, „Back Of The People“ oder das mit SICK OF IT ALL-Member Chris Sertaki verstärkte „Distractions“. Dass man doch noch so zwingend geile Nummern wie auf dem Vorgänger schreiben kann, diesen Beweis bleiben die RYKER’S heuer leider zu oft schuldig. Positiv herausnehmen sollte man aber die Single „High Five In Your Face With A Chair“ (mit BORN FROM PAIN-Gedächtnisriffing) und die Two-Step-Walze „Fair Play Overrated“, die gut andeuten, zu welchen Brocken die RYKER’S noch fähig wären, würden sie sich nicht zwanghaft nach Innovation umsehen.

Textlich bleiben die die Deutschen angenehm politisch und gesellschaftskritisch, nur der musikalische Überbau ist etwas gewöhnungsbedürftig. An die großen Klassiker reicht „Never Meant To Last“ nicht mehr heran und mit dem letzten verbliebenen Gründungsmitglied, Bassist Chris, ist die Band im Grunde auch nur mehr ein Abziehbild ihres eigenen Ursprungs. Wenn man schon soundtechnisch gerne nach New York blickt, dann sollte die Wahl doch lieber auf die aktuelle TERROR-Scheibe fallen. Trotzdem schön, dass die RYKER’S wieder Lunte gerochen haben und mit frischer Motivation unterwegs sind. Schlecht ist „Never Meant To Last“ nämlich beileibe nicht, nur eben etwas unausgegoren und gewöhnungsbedürftig.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (24.11.2015)

ANZEIGE
ANZEIGE