Anomalie - Refugium

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VÖ: 20.11.2015
Bandinfo: ANOMALIE
Genre: Melodic Black Metal
Label: Art Of Propaganda Productions
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Lineup  |  Trackliste

Tear down the walls
Between reality and the world beyond
Burst your limits
And follow me into pure ecstasy!

Mit diesem Textauszug versprechen ANOMALIE viel und können das meiste davon - so viel sei vorweg schon einmal gesagt - auch einhalten. Doch sollten wir hier viel weniger von "ihnen" sprechen, als von "ihm" - denn bei ANOMALIE handelt es sich um keine Band im klassischen Sinne. Wiewohl es inzwischen auch Live-Darbietungen in voller Besetzung gibt - bei einer von selbigen der sich hier wortreich ergießende Rezensent auch über ANOMALIE stolperte, doch das nur am Rande - handelt es sich hierbei um ein Herzensprojekt des Multiinstrumentalisten Marrok (SELBSTENTLEIBUNG, HARAKIRI FOR THE SKY), der mit ANOMALIE einen Schritt zur musikalischen Selbstverwirklichung tat. Das funktionierte so vorzüglich, dass es, nebst erwähnten Live-Auftritten mit Bandgefolge, mit "Refugium" nun bereits den zweiten Silberling zu entdecken gibt. Und dieser hat es wirklich in sich.

Es wurde ja bereits im Vorjahr einmal darüber fabuliert, von diesen speziellen Alben, bei denen man sich schwer tut sie in Worte zu kleiden. Nicht weil sie schlecht wären, sondern weil sie so verdammt gut sind, etwas in einem berühren, das einem den Atem nimmt und wortlos zurücklässt. Solch ein Album ist "Refugium" - zur selben Zeit ein Enigma wie auch eine Offenbarung... gut, letzteres ist jetzt vielleicht doch ein wenig hoch gegriffen, zugegeben. Dennoch liegt dem Album eine träumerische Diversität zugrunde, die mit Emotionen wie auf einer Klaviatur zu spielen vermag, ohne sich dabei wirklich einordnen oder festlegen zu lassen. Es lässt erschauern und berührt gleichzeitig, ist melancholisch und doch hoffnungsvoll - ein stimmiger Bastard aus Black Metal, Melodic Death, hie und da ein wenig Gothic, einer Prise Doom, einer Messerspitze Prog, einem Schäufelchen Post Rock... würde die Apokalypse einen Soundtrack brauchen, würde sie vermutlich "Refugium" von ANOMALIE wählen.

Einen Titel aus diesen träumerisch-apokalyptischen Tonwelten herauszuheben fällt schwer, funktioniert das Album doch hauptsächlich als in sich stimmiges Gesamtpaket, in dem auch wiederkehrende Muster aufgegriffen werden. Mal atmosphärisch flirrendes, dann wieder monotones Riffing treffen auf fast zerbrechliche, teils schamanische Akustikparts und vertrackte Rhythmen duellieren sich mit kompromisslosen Blastbeats. Die Stimme ist hierbei eher im Hintergrund gehalten und fungiert mehr als Begleitung des vielschichtigen Klangkosmos, den Marrok da erschaffen hat und deckt von Growls bis dunklen Klargesang die komplette stilistische Bandbreite ab. Von vielen Seiten bekritelt, fehlt in der Tat ein wenig der Druck hinter der Stimme, doch gerade fast erstickt wirkende Passagen wie bei "Solace" fügen sich auf schwer zu beschreibende Weise stimmig in die apokalyptische Soundwelt ein. Komplexe und doch nachvollziehbare Strukturen und viele Tempowechsel ziehen sich durch die einzelnen Titel, ja, das gesamte Album, das sowohl mit leichtfüßigen, hoffnungsvollen Passagen aufwarten kann, als auch mit schweren, schleppenden Parts voll Düsternis und Melancholie.

Der zweite Streich von ANOMALIE fordert somit die Aufmerksamkeit des Hörers ein, mit hymnischen Titeln wie "Between Reality And The World Beyond" und seinen zunächst monoton wirkenden, dann aber durch seine vielen Nuancen eine atmosphärische Tiefe erreichenden Riffs, oder vertrackten Drum-Rhythmen wie im nachdenklich-kritischen "Leaving Somnia". Musikalisch ganz großes Kino wird im abwechslungsreichen "Freiflug 48° 23' N, 16° 19' O" geboten, das mit seinem Zusammenspiel aus zerbrechlicher Melodie und fordernder Härte einen äußerst vielschichtigen, faszinierenden Song darstellt. Der Titeltrack "Refugium" präsentiert sich abschließend als wahres musikalisches Monster, das mit dramatischem, satt riffendem Mittelteil, reduzierten Zwischenspielen und treibenden Blastbeats noch einmal die komplette Bandbreite des Albums durchackert.

"Refugium" ist ein Gänsehautalbum für dunkle Stunden, eine Vertonung apokalyptischer Urgewalt - Augen schließen und genießen! Wer sich gerne in ein komplexes Universum aus Tönen entführen lässt ist hier an der richtigen Stelle - zu verkopfte Personen werden eventuell Schwierigkeiten haben loszulassen und abzutauchen in die musikalische Welt von ANOMALIE. Vom Rezensenten gibt es viereinhalb Sternchen für die Kunst, sich sowohl live als auch auf CD so eindringlich und fesselnd präsentieren zu können - in dem vollen Bewusstsein, dass es Leute gibt, für die das, was uns Marrok hier präsentiert, einfach nur unverständlicher Bockmist ist. Auch sowas soll es ja geben, unverständlicherweise.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Anthalerero (19.01.2016)

WERBUNG: Hard
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