Steven Wilson - 4 1/2 EP

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VÖ: 22.01.2016
Bandinfo: STEVEN WILSON
Genre: Progressive Rock
Label: KScope
Lineup  |  Trackliste

Es ist müßig zu erklären, dass STEVEN WILSON schon seit Jahren der gegenwärtig wichtigste Künstler der Prog-Szene ist. Und auch wenn die Die-Hard-PORCUPINE-TREE-Aficionados jetzt entweder entrüstet aufheulen oder mir gleich Pest und Cholera an den Hals wünschen – erst seit der smarte Brite seine Solokarriere vorantreibt, ist er künstlerisch wirklich dort angekommen, wo er immer hin wollte. Völlig freigeschwommen von sämtlichen Bandzwängen und Kompromissen, von Diskussionen und Demokratien zieht der 48-Jährige seinen Stiefel so durch, wie es ihm passt und ist damit so erfolgreich wie nie zuvor. Auch wenn das magische „Grace For Drowning“ wohl mein ewiger Fave bleiben wird, mit dem interessanten Konzeptwerk „Hand. Cannot. Erase.“ hat sich WILSON letztes Jahr in die Albumcharts aller relevanten Märkte gespielt und streifte sogar den Mainstream.

Dass man die Kuh melken muss, solange es nur geht, ist einem unverbesserlichen Workaholic wie dem Londoner mehr als bewusst, so hat er das restliche Jahr auch damit zugebracht, das neue Album auf extensiven Touren vorzustellen und nun, quasi als Überbrückung zum kommenden fünften Studiorundling, noch eine Raritätencompilation nachzuschießen, um nicht aus dem Gedächtnis seiner Jünger zu fallen. „4 ½“, passend für ein „Zwischenalbum“ benannt, ist aber – und das ist einmal mehr typisch WILSON – weit mehr als nur eine Aufreihung schnöder B-Seiten, sondern nur ein weiterer Beweis für den kompositorischen Genius des Erschaffers. Die ersten vier Songs sind aus der „Hand. Cannot. Erase.“-Session, der fünfte gehört ursprünglich zu den „The Raven That Refused To Sing“-Outtakes und den Abschluss bildet ein WILSON-Cover des PORCUPINE TREE-Klassikers „Don’t Hate Me“, das mit der bereits bekannten Gastsängerin Ninet Tayeb eingespielt wurde.

Das fast zehnminütige „My Book Of Regrets“ leitet das 37-minütige Vergnügen akustisch hakenschlagend und eingängig ein. Der Track mäandert irgendwo zwischen Telenovela-Signature-Song, Pop-Stück, disharmonischem Prog-Gefrickel und rockigen Gitarrenabfahrten. Für das letzte Album war die Nummer wohl etwas zu lebensbejahend, dem interessierten Hörer erschließt sich aber bereits hier die mannigfaltige Klangwelt eines Jahrhunderttalents. Irgendwo zwischen YES, ERIC JOHNSON und einer kräftigen Naturfilm-Hintergrundmusik findet hier jeder sein Glück, der auf akustische Abenteuer ohne Risiko steht. „Year Of The Plague“, „Sunday Rain Sets In“ und „Vermillioncore“ sind drei Instrumentals, die in ihrer Ausführung grundverschieden, aber stets polyrhythmisch sind und das im Mittelteil befindliche „Happiness III“ ist eine ungewohnt fröhliche, frühlingshafte Up-Tempo-Prog-Nummer, bei der sich WILSON deutlich am Pop der BEATLES bedient.

„4 ½“ ist abermals eine feine Werkschau in die tiefsten Studioecken eines einzigartigen Soundtüftlers, dem es offensichtlich gar nicht möglich ist, etwas Mediokres oder Unzureichendes auf Band zu bringen. Natürlich ist das Zwischenhäppchen nur ein netter Zahnfüller zum hoffentlich bald erscheinenden Hauptgang, da WILSON aber selbst auf dieser EP nicht kleckert, lässt sich das feine Teil wunderbar nach den regulären Studioalben auflegen – ihr werdet sehen, diese Kombination spült sich gar wundervoll in die wohlig-warmen Gehörgänge. Essenziell ist vom Großmeister sowieso alles – daher natürlich auch dieses gute Stück. Have fun!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (18.01.2016)

WERBUNG: Hard
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